Es regnet in Rio de Janeiro seit Tagen. Der Übergang
von Winter auf Sommer ist typischerweise durch warmen Tropenregen
gekennzeichnet. In den paar trockenen Stunden am Sonntag hat es meine
Wohnanlage geschafft einen Grillnachmittag durchzuführen. So kann ich euch
einen typischen brasilianischen Sonntag zeigen: erst grillen mit Freunden und
Familie, danach Fußball. Beliebtes Grillfleisch ist in Brasilien Rinderrücken
(Picanha), Würste, Hähnchenflügel und Hühnerherzen, meist am Spieß.
Mein Freund Lugui kam dann auch noch vorbei, um
einen Caipirinha zu trinken. Aber um kurz nach vier machten wir uns auf ins Maracanã,
um Flamengo gegen Corinthians zu sehen. Lugui ist Flamenguista und ganz glücklich,
dass sein Verein im Pokalfinale ist. Da er sich die völlig überteuerten
Finalkarten nicht leisten kann, schaut er sich seine Mannschaft in einem relativ
unbedeutenden Ligaspiel an.
Beide Klubs spielen nicht mehr gegen den Abstieg und
können auch die Libertadores-Plätze nicht mehr erreichen. Für beide Vereine ist
diese Situation eigentlich eine Blamage. Der Weltpokalsieger Corinthians ist
der Klub mit dem höchsten Budget in der brasilianischen Liga und bleibt mit
einem 10. Platz weit hinter den Erwartungen zurück.
Flamengo lebt sowieso immer über seinen
Verhältnissen. Ich habe wieder eine Fahne im Fanblock gesehen, auf der stand: „Flamengo
– Das größte Imperium, das je existierte“. Das übersetzt die arrogante
Selbstüberschätzung von Flamengo. Ein Verein, der sich in folgender Logik
versteht: Flamengo = Größte Anhängerschar in Brasilien = Brasilien, Nabel der
Fußballwelt = Flamengo, bester und größter Verein der Welt.
Bis heute lebt man in der Erinnerung der Mannschaft
rund um Zico, die Anfang der 1980er den Libertadores- und den Weltpokal gewann.
Wohlgemerkt: das sind die einzigen internationalen Titel von Bedeutung, die
Flamengo je gewinnen konnte! Damit gibt es 12 Vereine in Südamerika, die mehr
Libertadores gewonnen haben, 12 Vereine in Europa, die öfter die Champions
League gewonnen haben und 16, die schon öfter den Weltpokal (darunter allein
drei Brasilianer) gewonnen haben. Flamenguistas fühlen sich, wie die ersten in
dieser Liste, dabei sind sie höchstens auf Platz 25 (zusammen mit 21 anderen
Teams, die auch einen Titel vorweisen).
Wenn ein Flamenguista dann merkt, dass seine
Mannschaft in der Titelanzahl nicht mithalten kann, dann verweist er auf die Größe
der Fanmasse. Man schätzt etwa 30 Millionen Flamengo-Fans, was wahrscheinlich
tatsächlich die größte Fanmenge weltweit ist. „Wir sind der größte Verein, mit
der leidenschaftlichsten Fans.“, ist dann der Standartspruch.
Knapp 30.000 (also 0,1% der Flamenguistas) wollten das „größte
Imperium“ gestern sehen und damit war das Maracanã mal wieder bei Weitem nicht
ausverkauft. Schon witzig, dass die großen und leidenschaftlichen Flamenguistas
das Maracanã nicht voll kriegen. Viele von ihnen waren auch in der Fankurve
gesessen. Es ist auch überraschend, dass so ein Verein hoch verschuldet ist. Insofern
zählt Flamengo natürlich immer zu den Meisterschaftsfavoriten. Der aktuelle 11.
Platz ist da eine absolute Enttäuschung.
Das Spiel war auch wieder schlecht. Der einzige
echte Torschuss führte zum Siegtreffer Flamengos. Nach Spielende mussten wir
durch den Regen zur U-Bahn laufen. Immerhin ist der Regen warm. Lugui musste
sich natürlich wärend des ganzen Spiels meine Flamengokritik anhören – der Arme.
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