Am viertletzten Spieltag liegen die Nerven blank.
Der amtierende Meister Fluminense hatte unter der Woche sein Heimspiel gegen den
Tabellenletzten Náutico gewonnen und hatte am Sonntag die Chance bei einem
erneuten Heimspiel gegen São Paulo den Abstiegsrängen zu entfliehen.
Ich traf David Goldblatt, den Autor von „The Ball
is Round – A Global History of Football”, in Copacabana. Gemeinsam gingen
wir in die Favela Chapeu Mangueira in Leme. Dort wurde der Wirt David mit
seiner Kneipe in den letzten Monaten berühmt für seine Kreationen. Wir
bestellen panierte Würstchen mit Chips, Bier und unterhalten uns über
CBF-Präsidenten, Fußballübertragungen im Radio und Brasiliens WM-Niederlagen.
Die Bar do David ist auf der Anhöhe einer Favela
gelegen. Im Prinzip hat man von hier aus einen tollen Ausblick auf Copacabana,
aber – passend zur Tabellensituation von Fluminense – war der Himmel grau und
bedeckt. Mitten in unserem Gespräch kam dann so ein gewaltiger Regenschauer
hernieder, wie er nur in den Tropen existiert. Wir flohen in das schützende
Innere der Bar und waren erst einmal gefangen. Als der Regen nachließ machten
wir uns mit Verspätung in Richtung Maracanã auf.
Es waren schon 20 Minuten gespielt und São Paulo war
mit 0:1 in Führung gegangen, als wir das Stadion betraten. In der neuen Presseeingangshalle
fand ich die Garrinchabüste, die im Oberrang abmontiert wurde. Hier ist sie
aber etwas zu versteckt, für meinen Geschmack.
Das Spiel war fürchterlich schlecht. Immerhin waren
37.000 Fans gekommen, um sich mit ihrer Mannschaft gegen den Abstieg zu
stemmen. Noch vor der Halbzeit gelang der Heimelf der Ausgleich. São Paulo war
mit einer B-Elf angetreten, da sie am Mittwoch das Halbfinale des Copa Sulamericana
(so etwas wie die Europa League) austragen werden. Der Sieger der Copa
Sulamericana qualifiziert sich für die Copa Libertadores im nächsten Jahr. So
konnte São Paulo im sicheren Mittelfeld der Meisterschaft schon mal auf ein
paar Punkte verzichten.
In der Halbzeit wurde auf den neuen
Großbildleinwänden angekündigt, dass der Star der 2010er Meistermannschaft
Dario Conca zu Fluminense zurückkommt. Die Fans feierten die Nachricht. Es wird
also scheinbar mit der ersten Liga geplant. Dazu musste aber zumindest dieses
Heimspiel gewonnen werden. Die zweite Halbzeit war eine Qual. Es schien, als ob
niemand gewinnen wollte. In der 90. Minute köpfte dann der Innenverteidiger Gum
doch noch den 2:1-Siegtreffen für die Heimelf. Dadurch, dass Criciúma, Bahia
und Portuguesa auch gewonnen haben, bedeutet das jedoch noch lange keine
Entwarnung.
Zwei Dinge haben Brasiliens Fußballwelt diese Woche
noch bewegt. Erstens gab es eine Protestaktion der Profispieler, die sich „Bom
Senso“, etwa „Gesunder Menschenverstand“, nennt. Die Spieler fordern zum einen
kürzere Regionalmeisterschaften, um so weniger Spiele austragen zu müssen, und
zum anderen mehr Mannschaften in den unteren Ligen, um die kleineren Klubs aktiv
zu halten.
Dazu nahmen die Spieler Transparente aufs Spielfeld
und blieben eine Minute mit gekreuzten Armen stehen. In São Paulo kündigte der
Schiedsrichter an die Aktion nicht zuzulassen und gelbe Karten zu verteilen. Nach
kurzer Unterredung schoben sich die beiden Mannschaften (São Paulo und
Flamengo) den Ball für eine Minute zu.
Das zweite Thema ließ dann den gesunden
Menschenverstand wieder völlig bei Seite. Flamengo verkündete die
Eintrittspreise für das Pokalfinale gegen Atlético-PR. Es wurden Tickets in
vier Preiskategorien angeboten: R$250 (€81), R$350 (€113), R$500 (€162), R$800
(€260). Am Donnerstag entschied dann ein Richter, dass es sich um Wucher
handeln würde und legte folgende Kategorien fest: R$120 (€39), R$160 (€52), R$200
(€65), R$320 (€104). Immer noch teuer, aber nicht mehr ganz so wahnsinnig.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Flamengo schon knapp
30.000 Tickets verkauft und protestierte gegen die Entscheidung. Am Freitag gab
ein anderer Richter Flamengo recht und bestätigte die ursprünglichen
Eintrittspreise. Damit ist das brasilianische Pokalfinale teurer als das
Champions League Finale. Der angeblich so volksnahe Arbeiterverein zeigt damit
seine eklige Seite. Seine treue Anhängerschaft wird im Moment der Entscheidung
schlichtweg ausgeschlossen.
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