Mit dem Weltpokalfinale endete die brasilianische
Fußballsaison 2012. Auch in Deutschland werden heute die letzten
Pokalbegegnungen vor der Winterpause ausgetragen. Deshalb werde auch ich mir
ein paar Wochen Weihnachtsferien (im Brasilianischen Sommer) gönnen. Pünktlich zum
Beginn der Saison 2013 Mitte Januar werde ich mich zurückmelden. Ich danke meinen
Lesern, besonders denen die Kommentare im Blog oder Facebook hinterlassen
haben. Frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch!
Ein großer brasilianische Ölkonzern hat eine sehr
interessante Dokureihe finanziert, die die Fans wichtiger brasilianischer Klubs
vorstellt. Das Filmteam besuchte 24 Fanblöcke und bereiste dazu ganz Brasilien.
Das Ergebnis ist eine sehr schöne Dokumentation der Emotionen auf den Rängen. Das
Team ging der Frage nach, welche Energie die Fans im Stadion antreibt. Daraus
formten sie 24 Portraits der verschiedenen Fangruppen. Dabei fällt auf, dass
für den brasilianischen Fußball so wichtige Städte wie Recife und Belém fehlen.
Auf der anderen Seite wurde ein relativ unbedeutender Klub wie Grêmio Prudente
besucht, der zu jener Zeit in der ersten Liga war. Dort war dann auch die
wichtigste Sorge, wie man eine Fanmenge bildet.
Porto Alegre:
Grêmio
Internacional
Florianópolis:
Avai
Figueirense
Curitiba:
Atlético
– PR
Coritiba
São Paulo:
Corinthians
Grêmio
Prudente
Guarani
Palmeiras
Santos
São
Paulo
Rio de Janeiro:
Botafogo
Flamengo
Fluminense
Vasco
Belo Horizonte:
América
– MG
Atlético
– MG
Cruzeiro
Goiânia:
Atlético
– GO
Goiás
Salvador:
Bahia
Vitória
Fortaleza:
Ceará
Nach diesem Schritt wurden aus dem vorhandenen
Material fünf Querthemen herausgefiltert, die sich den Werten der Fans widmen:
Fußball-Kunst, Liebe, Teamgeist, Treue, Leidenschaft. Das wäre dann die Energie
der Fans. In den Interviews fällt auf, dass die Fans meist ein
Schlüsselerlebnis – ein besonderes Spiel – haben, dass sie mit ihrem Klub
verbindet. Bei allen Vereinen, die schon mal den Klub-Weltpokal gewonnen haben,
ist das das große legendäre Spiel des Vereins.
Fußball-Kunst
Liebe
Teamgeist
Treue
Leidenschaft
Die zwei Reporter treffen sich in den Stadien
Brasiliens mit den dortigen Fans und tauchen in die Fanblöcke ein. Etwas schade
ist dabei, dass sie sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt rücken. Man sieht
sie mehrfach mit den Fans tanzen und ihre Lieder singen. Dabei ist doch gerade
die Treue ein so wichtiger Wert für die Fans, der es eben verbietet bei anderen
Klubs mit zu singen. Aber sonst ist eine wirklich schöne Filmreihe gelungen,
die tiefe Einblicke in die Fußballkultur Brasiliens ermöglicht.
Es gibt auch eine längere übergreifende Fassung,
leider Alles auf Portugiesisch und ohne Untertitel. Aber die Bilder können ja
auch beeindrucken.
In der Champions League gibt es sicherlich ein
dutzend Mannschaften, unter ihnen ist auch Chelsea, die besser als Corinthians
sind. Die Mannschaft aus São Paulo hätte große Schwierigkeiten in einem
ernsthaften Wettbewerb mit mehreren starken Mannschaften und Hin- und Rückspiel
zu bestehen. Selbst das Krisen-Chelsea, das aus seiner laufenden Saison
gerissen wurde, um in Japan um den Weltpokal mit zweifelhaftem Wert zu spielen,
hatte mehr Großchancen als Corinthians und somit nur mit Pech verloren. Wenn
der Torwart der Siegermannschaft zum besten Spieler des Turniers gewählt wird,
dann ist das meistens kein gutes Zeichen. Es ist einfach zu klar, dass europäische
Mannschaften den südamerikanischen überlegen sind.
Viele Brasilianer würden mein Argument jetzt
natürlich als überheblich und vorurteilbeladen ansehen. Nur habe ich während
des Halbfinales zwischen Chelsea und Monterrey einen brasilianischen Sportkommentator
beobachtet, der genau das gleiche Argument gegen die Vertreter aus Afrika,
Asien und Nordamerika anbrachte. Seiner Meinung nach sind diese Halbfinals
wertlos und man sollte direkt ein Finale zwischen den Gewinnern der
Champions-League und der Copa Libertadores austragen. Damit stellt er Europäer
und Südamerikaner auf eine Stufe über den anderen.
Ich beobachte diesen Qualitätsunterschied auch, aber
würde eben ergänzen, dass er auch zwischen Europa und Südamerika besteht.
Beobachtet man noch dazu wie wenig Wert die Europäer dem Weltpokal zollen, muss
man sogar sagen, dass es für die Südamerikaner peinlich ist, dass sie nicht
öfters gewinnen. Für Europa ist dieser Wettbewerb einfach nur eine Last und
sollte ganz abgeschafft werden.
Wie auch immer, die Fans von Corinthians ziehen
gerade jubelnd und tanzend über São Paulos Prachtallee – die Avenida Paulista.
Sie halten sich jetzt sogar für einen zweifachen Weltmeister, da sie auch das
FIFA-Kunstprodukt von 2000 in Brasilien gewonnen haben. Damals wurde der Pokal
in zwei Gruppen mit je vier Mannschaften ausgetragen, was ja sogar ein etwas
ernsthafterer Modus ist. Trotzdem reisten die europäischen Vertreter (Real
Madrid als Gast der FIFA und Manchester United) damals sehr wiederwillig an, da
sie sich zeitlich nicht in der Lage sahen zwei Wochen im Januar in Brasilien zu
verbringen.
Dementsprechend schied Manchester United damals schon
in der Vorrunde aus und das Finale wurde zwischen den beiden Hausherren Vasco
da Gama (Libertadoressieger) und Corinthians (Brasilianischer Meister)
ausgetragen. Es handelt sich somit um den einzigen Weltpokal, der nicht von
einem Kontinentalmeister gewonnen wurde. Mit Real Madrid kam ein weiterer „Nicht-Meister“
auf den vierten Platz. Hier eine Zusammenfassung des heutigen Spiels:
Die umfassendsten Renovierungsarbeiten und
Neukonstruktionen geschehen in Rio de Janeiro im historischen Stadtzentrum.
Dort werden keine Sportwettbewerbe der olympischen Spiele stattfinden. Man kann
hier eher das Spiel zwischen kultureller Aufwertung und anschließender
Immobilienspekulation beobachten. Als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal nach Rio
kam, fristete das Zentrum ein Mauerblümchendasein. Die Lapa war als
Nightlife-Viertel noch nicht entdeckt, Santa Teresa komplett entwertet und der
alte Hafen eine No-Go-Area.
Das hat sich in den darauffolgenden 10 Jahren
radikal geändert. Zunächst haben hier alternative Künstler, Undergrounddiscos
oder einfach Abenteuerlustige eine Bleibe gefunden. In Santa Teresa wurde der
Tag des offenen Ateliers als erster Kulturevent eingeführt. Auch die
verlassenen Fabrikhallen in der Hafenregion wurden zu Kulturzentren und
billigen Ateliers umfunktioniert. Der Conceição-Hügel hat sein kulturelles Erbe
als Geburtsstätte des Sambas wieder entdeckt. Heute treffen sich jede Nacht unzählige
Menschen am „Salzstein“ (Pedra do Sal), wo angeblich der Samba erfunden wurde.
Ganz zu schweigen von der Lapa, wo sich inzwischen schicke Bars
aneinanderreihen.
Der „Pedra do Sal“
Noch bis vor kurzem gab es keinerlei Investitionen
in das kulturelle Erbe des Stadtzentrums. Aber seit der Olympiavergabe wird ein
historisches Gebäude nach dem anderen renoviert: das städtische Theater, die
Kathedrale, die Fiskalinsel, der Tiradentes-Platz. Man merkt auch, dass jetzt
stärker auf Dokumentation und Information geachtet wird. An mehreren Standorten
werden Informationsschilder aufgestellt und Touristenführer werden
professionell ausgebildet. Früher gab es einfach keine Führungen rund um das
ehemalige Regierungsviertel und die Prachtbauten der Bibliothek und des Museums
der Schönen Künste.
Die renovierte Kathedrale
Die Konsequenz ist, dass nicht nur hier im Zentrum,
sondern in ganz Rio die Immobilienpreise immens ansteigen. Gerade so ein
entwertetes Viertel wie der Hafen – zwischen Conceição-Hügel und den
verlassenen Fabrikhallen - lohnt sich
besonders für Spekulation, denn es verspricht die höchsten Gewinne. So wurde
unter dem Namen „Porto Maravilha“ (Wunderbarer Hafen) beschlossen diese Region
wiederzubeleben.
Erneut legt man Wert auf die kulturelle Komponente,
indem das „Museum für Kunst Rio“ und das „Museum des Morgens“ (was auch immer
das sein soll) gebaut werden. Das hässliche Viadukt der Stadtautobahn soll
abgerissen und stattdessen ein Tunnel gebaut werden. Die alten Lagerhallen
wurden schon renoviert und hier finden jetzt jährlich die Modewoche und die
Kunstmesse statt. Die ehemaligen Fabriken sollen abgerissen werden, um neue
Wohn- und Büroflächen zu errichten.
Das Museum der Kunst Rio
Das ganze „Porto Maravilha“-Gebiet erhält eine
Straßenbahn, die es mit dem Stadtflughafen, den Bahnhöfen, der Metro und
wahrscheinlich sogar dem Maracanã verbindet. Da ist klar, dass hier die Preise
in die Höhe schnellen.
Bei den Bauarbeiten wurden mehrere archäologische
Entdeckungen gemacht, wie zum Beispiel die ehemaligen Hafenanlagen der
Kolonialzeit. Der „Pedra do Sal“ war der Ankunftspunkt der verschleppten
Sklaven aus Afrika. Viele von ihnen ließen sich in dieser Region nieder.
Deshalb wurde dort der Samba entwickelt. Die Fundstücke werden scheinbar
professionell gesichert und dokumentiert. Man kann inzwischen gut renovierte historische
Städten besuchen und sich informieren.
Die koloniale Hafenanlage
Die Bauarbeiten nehmen ein Ausmaß, wie damals am
Potsdamer Platz in Berlin an. Und so wurde auch die Idee eines Besucherzentrums
kopiert. In einem blau angestrichenen Würfel können sich Besucher über die
Baupläne informieren. Die Einwohner Rio de Janeiros entdecken gerade Teile und
Geschichten ihrer Stadt, die ihnen bisher komplett unbekannt waren.
Ein Film im Besucherzentrum, der den
Urbanisierungsplan vorstellt.
Gleichzeitig setzt aber auch der Prozess der
Gentrifizierung ein. Das heißt, dass der Stadtteil zwar aufgewertet wird, aber
die statusniedrigeren Anwohner können sich die wachsenden Preise nicht mehr
leisten und werden vertrieben. In einigen der hier befindlichen Favelas
geschieht das durch Zwangsenteignung. Es wird die sogenannte Friedenspolizei
installiert, deren Aufmarsch aber sehr kriegerisch wirkt.
Die „Friedenspolizei“
Sicherlich sind die neuen Seilbahnen in die Favelas
absolut notwendig für die Anwohner. Pech hat aber nur derjenige, der sein Haus
ausgerechnet an dem Ort hat, an dem ein Pfeiler für den Lift errichtet werden
soll. Die Ingenieure der Stadtverwaltung legen den Weg der Seilbahnen fest,
ohne die Bevölkerung zu befragen. Die Vertriebenen bekommen zwar eine
Abfindung, beklagen sich aber meist darüber, dass der Wert zu gering sei. Ihr
Schicksal ist meist, dass sie in einen zwei oder drei Stunden entfernten Vorort
ausweichen müssen.
So faszinierend die Veränderungen und die
Bauarbeiten sind, so problematisch sind ihre Auswirkungen auf die ärmere
Bevölkerung. Diese Seite der Olympiavorbereitungen versucht das
Organisationskomitee gern zu verstecken. Hier ein Video von Aktivisten (mit
englischen Untertiteln):
Der interessanteste Teil des Videos beginnt bei etwa
drei Minuten, wenn der Vertreter der Stadtverwaltung die Informationsweitergabe
der Aktivisten verhindern will.
Ich habe in den letzten Wochen mehrfach über die
Stadionneubauten Brasiliens zur WM berichtet. Aber Brasilien investiert auch in
infrastrukturelle Urbanisierungsmaßnahmen, um sich auf die kommenden Großereignisse
vorzubereiten. In Rio de Janeiro scheint es mir manchmal so, als ob die ganze
Stadt umgebaut werden würde. Die Investitionen sind hier sicherlich höher als
in anderen Städten, da Rio auch die Olympischen Spiele erwartet.
Das Olympiaprojekt teilt sich in vier Bereiche, in
denen die Wettbewerbe stattfinden sollen: Maracanã und Deodoro in der Nordzone,
Copacabana in der Südzone und Barra in der Westzone.
Quelle:
Wikipedia
Der normale Tourist kommt am internationalen
Flughafen auf der Gouverneursinsel (rechts oben) an und begibt sich mit einem
Taxi in die gut versorgte Südzone (also den Bereich der Copacabana). Er wird
kaum mit den anderen Bereichen in Kontakt kommen, die teilweise noch schlecht
erschlossen sind und ein prekäres Verkehrssystem haben. Somit ist der
verkehrstechnische Anschluss dieser Bereiche an die Südzone eine der großen
Herausforderungen Rio de Janeiros.
Dies gilt besonders für den Bereich Barra, der als
Neureichenviertel gilt und noch viel Bauland besitzt. Er wurde zum Spielball
der Immobilienspekulanten. In ihm wird am ehemaligen Formel1-Ring der
Olympiapark entstehen. Diese Anbindung soll durch den Bau dreier Schnellstraßen
geschehen:
Quelle:
Wikipedia
Die gelben Schnellstraßen „Avenida Brasil“ und „Linha
Amarela“ existieren schon und verbinden das Zentrum mit den Vororten. Schon
lange wären Querverbindungen, besonders durch U-Bahnlinien dazu notwendig. Man
versucht nun zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, in dem man auf den
neuen Schnellstraßen Exklusivfahrbahnen für das BRT-Bussystem mit Bahnhöfen
reserviert, die als Metroersatz dienen sollen.
Dabei verbindet die „Transcarioca“ (hellrot) den
Flughafen auf der Ilha do Governador mit den Stränden der Barra und ihren neuen
Hotels. Parallel dazu verbindet die „Transolimpica“ (dunkelrot) die
Olympiaeinrichtungen in Deodoro mit dem Olympiapark in Barra. Beide Linien
treffen sich ungefähr auf der Höhe des zukünftigen Olympiaparks. Schließlich
wird die „Transoeste“ (rosa) die Westzone erschließen. Diese Buslinien sollen
das schon existierende U-Bahnnetz der Südzone ergänzen:
Quelle:
Wikipedia
Im Norden gibt es schon über die grüne Linie
Verbindungen mit dem BRT-System. Im Süden werden die hellblauen Linien derzeit
mit Busen versorgt. Aber im Moment wird eine neue U-Bahnlinie von Ipanema, über
die PUC, in Richtung São Conrado und Barra gebaut. Hier sollen bis spätestens
2016 Züge verkehren und so alle vier Olympiabereiche verbinden. Aber nicht nur
in den Transport, sondern auch in Sport und Kultur wird investiert. Hier einige
Projekte aus den vier Bereichen:
Barra
Schon für die Panamerikanischen Spiele 2007 wurden
verschiedene Sportanlagen im ehemaligen Formel1-Ring errichtet. Im Bild die Olympiahalle
für Basketball und Turnen.
Sicherlich eines der größten Projekte ist die Linie
4 der U-Bahn, die die Barra mit der Südzone verbinden wird. Dafür muss ein
Tunnel durch das Tijucagebirge geschlagen werden.
Copacabana
Direkt am Strand von Copacabana werden außer Beachvolleyball
auch der Triatlon und der Schwimmmarathon ausgetragen werden. Das Alles mit Blick
auf den Zuckerhut.
Ebenfalls in der Südzone liegt das Ruderstadion an
der Lagune.
Maracanã
Viele Favelas werden im Moment urbanistisch
erschlossen. Im Bild die Bauarbeiten für die Endstation am Hauptbahnhof des
Lifts, der zum Providenciahügel hinauf führt. Ähnliche Lifts und Aufzüge werden
in anderen Favelas, wie zum Beispiel dem Complexo do Alemão gebaut.
Im Bereich Maracanã liegt auch das zukünftige
Olympiastadion Engenhão, das in die engen Gassen der Nordzone gedrängt wurde.
Deswegen werden jetzt die Anfahrtswege erweitert. Im Bild die Zufahrt zur Linha
Amarela. Einige Wohnhäuser mussten dazu weichen. Diese Zwangsenteignungen sind
immer kompliziert und einer der zentralen Gründe für Proteste.
Deodoro
Deodoro, weit in der Nordzone gelegen, wird von den
Organisatoren als das wichtigste Sozialprojekt gepriesen. Man will sportliche
und kulturelle Anreize in diese entlegenen Vororte bringen. Schon 2007 haben
hier die Reitwettbewerbe stattgefunden. Aber auch Kanu, BMX, Sportschießen und
Hockey ist für Deodoro angesetzt.
In dem Eck zwischen den Bereichen Maracanã und
Copacabana befindet sich das historische Zentrum Rios. Dort wurde besonders das
Viertel des alten Hafens als Investitionsmöglichkeit entdeckt und erfährt
deshalb umfassende Renovierungsarbeiten. Diesem Bereich werde ich mich morgen
in einem gesonderten Bericht widmen.
Während die deutsche DFL in albernen Diskussionen
krampfhaft Bösewichte in deutschen Stadionkurven sucht, um ein „Sicheres
Stadionerlebnis“ zu ermöglichen, haben die Südamerikaner gestern gezeigt, was „echter“
Fußball ist. Das Finale der Copa Sulamericana – der zweitwichtigste
Vereinswettbewerb Südamerikas – zwischen São Paulo FC und Tigre endete schon
nach der ersten Halbzeit mit einem Handgemenge. Was war passiert?
Schon beim Hinspiel vor einer Woche in Buenos Aires,
das 0:0 endete, beklagten sich die Brasilianer über die sehr aggressive Gangart
der Argentinier. Der Klub Tigre stammt aus der Stadt Victoria in der Peripherie
von Buenos Aires. Er gehört eher zu den Außenseitern in der argentinischen Meisterschaft
und befindet sich im Moment auf dem vorletzten Platz. Seine Endspielteilnahme
ist also eine große Überraschung.
Beim Rückspiel in São Paulo gestern begannen die
Provokationen damit, dass die örtlichen Verantwortlichen versuchten den
Spielern von Tigres das Aufwärmen auf dem Platz zu verbieten. Grund dafür wäre,
dass das Spielfeld sehr unter dem Madonna-Konzert von vergangenem Samstag
gelitten hätte. Die Spieler von Tigres verschafften sich daraufhin gewaltsam
Zugang zum Platz.
In der ersten Halbzeit wurde dann sogar etwas
Fußball gespielt, wobei São Paulo viel besser war und verdient 2:0 in Führung
ging. Das erste Tor wurde von Lucas erzielt, der jetzt in der Weihnachtspause
zu PSG wechselt. Das Finale wurde als große Abschiedsveranstaltung für ihn
zelebriert. Im ganzen Stadion waren Spruchbänder für ihn zu sehen und er hielt
sogar nach der Siegerehrung eine Rede über die Stadionlautsprecher.
Zu diesem Zeitpunkt haben die Spieler von Tigre wohl
gemerkt, dass sie das Finale nicht mehr gewinnen können und entschlossen sich dazu
einen Abbruch zu provozieren. Die Partie wurde härter und Lucas wurde an der
Nase erwischt. Beim Gang in die Kabine, nach Abpfiff der ersten Halbzeit,
zeigte er seinem Gegenspieler den blutigen Verband. Daraufhin begann das
Handgemenge noch auf dem Platz und zog sich bis in die Katakomben.
Nach der Werbeunterbrechung zeigte das brasilianische
Fernsehen, dass die Polizei den Zugang zur Umkleidekabine der Argentinier
geschlossen hatte, was darauf hindeutete, dass irgendwas passiert war. Als die
Spieler von São Paulo wieder auf den Platz kamen, berichteten sie, dass es eine
Auseinandersetzung gegeben hätte, bei der die Argentinier versucht hätten ihre
Umkleidekabine zu stürmen.
Dann kam auch der Schiedsrichter zurück auf den
Platz, aber von Tigre weit und breit keine Spur. Es vergingen 20 Minuten, dann
30 und kein Lebenszeichen der Argentinier. Ich fühlte mich unweigerlich an das
umgefallene Tor in Madrid 1998 erinnert. Auch damals mussten die Kommentatoren
Schwerstarbeit verrichten, um die Zeit ohne Spiel zu überbrücken. Nach 45
Minuten beschloss der Schiedsrichter das Finale zu beenden und erklärte São
Paulo zum Sieger.
Während sich die brasilianischen Medien über die
Argentinier lustig machen und sie als Angsthasen bezeichnen, ergibt sich in der
argentinischen Presse ein anderes Bild. Dort werden Spieler von Tigre zitiert,
die sich beklagen, dass nicht sie in die Kabine von São Paulo eingedrungen sind,
sondern, dass das Sicherheitspersonal mit gezogenen Waffen die Kabine von
Tigre gestürmt hätte. Es tauchten Fotos mit Blutflecken an den Wänden der
Umkleidekabine auf. Unter diesen Umständen hätten sie beschlossen, dass die
Situation zu gefährlich sei und es deswegen unmöglich wäre das Spiel
fortzusetzen.
Ich muss zugeben, dass ich das Verhalten São Paulos
nicht als korrekt wahrgenommen habe, aber, dass sich die Situation auch nicht
als so untragbar darstellte, dass man das Finale nicht hätte spielen können.
Insgesamt stellen die Vorkommnisse dem Veranstalter, also dem
Kontinentalverband CONMEBOL, ein schlechtes Zeugnis aus. Sie müssten eigentlich
dafür sorgen, dass unparteiische und gleiche Voraussetzungen für die Endspielteilnehmer
gewährleistet sind. Die Verantwortlichen des Verbandes hatten aber zu keinem
Moment die Situation unter Kontrolle, nicht einmal bei der Siegerehrung, die
völlig chaotisch war.
Im Internet habe ich eine Zusammenfassung mit
spanisch-sprachigem - aber wahrscheinlich nicht argentinischem - Kommentar
gefunden, der São Paulo zum verdienten Sieger erklärt.
Es mag politisch völlig unkorrekt sein, aber ich
habe mich köstlich amüsiert. Der gestrige Abend war sicherlich viel besser als
jegliches „Sicheres Stadionerlebnis“.
Vor einigen Tagen habe ich von den schçnen neuen
Stadien Brasiliens berichtet. Diese Um- und Neubauten werden aber auch einen
Teil der brasilianischen Fankultur zerstören. Die Stehplätze „Geral“ wurden im
Maracanã bei der Renovierung zu den Panamerikanischen Spielen abgeschafft. Die
Filmemacherin Anna Azevedo beobachtete 2006 die letzten fünf Spiele der Geral
und hat daraus einen sehr schönen Kurzfilm gemacht. Wichtig sind die Begriffe "Geraldino" - ein Fan in der Geral - und "Arquibaldo" - ein Fan im Oberrang / Arquibancada. (Mit englischen Untertiteln:)
Das Thema Fußball hat Anna auch schon früher fasziniert.
2006 hat sie den Film „Berlinball“ gedreht, dessen Haupfigur der ehemalige
Herthaprofi Marcelinho Paraiba ist. Anna hat sowohl Berlin, als auch Marcelinhos
Heimatstadt Campina Grande besucht und die beiden Welten gegenüber gestellt.
Ihr fiel besonders auf, dass Campina Grande damals praktisch zu einem Hertha
Fanklub wurde. Am besten gefällt mir die Szene vom Training des Fußballklubs in
Campina Grande, bei dem die Spieler in verschiedenen Herthatrikots durch die
brasilianische Steppe joggen. (Leider ohne Untertitel)
Es ist ziemlich beeindruckend in welchem Ausmaß die
brasilianischen Medien über den FIFA-Weltpokal berichten. Corinthians ist schon
am 03. Dezember, also über eine Woche vor dem ersten Spiel, nach Japan
geflogen, um sich vorzubereiten. Am Flughafen in São Paulo warteten etwa 20.000
Fans, um ihr Team zu verabschieden. In Japan selbst sind etwa 30.000
Corinthians anwesend. Diese Ereignisse wurden in dem folgen Film, der von
Corinthians selbst produziert wurde, festgehalten.
Heute hat dann endlich das Halbfinale gegen Al Ahly
aus Ägypten stattgefunden. Corinthians hat relativ glücklich mit 1:0 gewonnen.
Torschütze wart ein alter Bekannter: Ex-Bayer und Ex-Hamburger Paolo Gueirrero.
Zu Spielbeginn hat der Kommentarist von TV GLobo, der Ex-Spieler Casagrande,
aus Emotion vor laufender Kamera geheult. Er hätte in diesem bewegenden Moment
an den verstorbenen Kollegen Sokrates denken müssen. Hier diese Aufnahmen und
eine Spielzusammenfassung.
Man hört immer wieder, dass die Bauarbeiten für die
Stadien in Brasilien in Verzug seien und nicht termingerecht zur WM fertig
werden würden. Ich habe alle 12 WM-Städte besucht und kann sagen, dass dem
nicht so ist. Es kann durchaus sein, dass das eine oder andere Projekt nicht so
realisiert wird wie geplant, aber die Stadien sind sicherlich nicht das
Problem. Man kann die Bauarbeiten und ihre erstaunliche Entwicklung live im
Internet verfolgen. Hier eine Auswahl interessanter Links.
Da ist erst Mal die Seite der Bundesregierung, die
viele Filme und Fotos aller 12 Stadien anbietet. http://www.copa2014.gov.br/en
Dann gibt es aber auch die Seiten der
Bauunternehmen. Odebrecht versammelt seine vier Projekte Maracanã, Arena
Pernambuco, Arena Fonte Nova und Arena Corinthians auf seinem Internetauftritt.
Hier findet ihr nicht nur Fotos und Filme, sondern auch Online-Kameras und
Modelle der Stadien. http://www.odebrechtarenas.com.br/
Das Castelão in Fortaleza ist wahrscheinlich das
erste Stadion, das fertiggestellt wird. Auch hier gibt es eine hervorragende
Seite mit Live-Kamera: http://www.arenacastelao.com/site/.
Der Internetauftritt der Arena da Amazonia bietet
eine beeindruckende Zahl an Fotos, Videos und eine 3D-Tour. http://arenadaamazonia.com.br/
Für Cuiabá habe ich nur eine Seite der zuständigen
Abteilung der Landesregierung gefunden, die nicht nur über das neue Stadion,
sondern Regierungsaktionen im Allgemeinen berichtet. http://www.cuiaba2014.mt.gov.br/