Dienstag, 27. August 2013
Sonntag, 25. August 2013
Madureira - Macaé, 2:2
Eher zufällig habe ich am Samstagmittag nochmal die
Anstoßzeit des Spiels von Madureira überprüft. Zu meinem Schrecken musste ich
feststellen, dass das Spiel kurzfristig um eine Stunde vorverlegt worden war. Also
habe ich schnell Leda und Thomas angerufen, um unsere Abfahrt ab Hauptbahnhof
vorzuziehen, und bin dann schnell losgezogen. Wir haben den Zug um 14.30h
erwischt und sind natürlich 15 Minuten zu spät gekommen. Da stand es schon 0:1
für die Gäste aus Macaé.
Manchmal muss man eine Auszeit der ersten Liga
nehmen und sich in die Niederungen der dritten Liga begeben, um wieder
traditionelle Fußballluft zu schnuppern. Die dritte brasilianische Liga wird
zweigleisig in einer Nord- und einer Südgruppe ausgetragen. Am Ende der Saison
werden die Aufsteiger dann in einem KO-System der besten vier Teams der beiden
Gruppen ermittelt. Die Nordstädter aus Madureira hatten es am Samstag mit der
Mannschaft aus Macaé zu tun gehabt.
Macaé liegt an der nördlichen Küste des
Bundesstaates Rio de Janeiro. Die Kommune kam durch große Erdölfunde zu Geld
und investiert das jetzt in seinen Fußballverein. Der Klub hat also nicht
gerade Tradition, sondern ist ein Ausbildungsverein, der sein Geld mit dem Spielerhandel
verdient. Das Rezept scheint aber aufzugehen, denn Macaé ist im Moment auf dem
zweiten Platz.
Madureira ist hingegen ein Stadtteilklub mit
Freibad, Turnhalle und sogar Frisör, der den Anwohnern dient. Man merkt diesen „Comunity-Spirit“
an jeder Ecke des Vereinsgeländes. Noch während der ersten Halbzeit begann ein
Mitglied der Vereinsführung hinter mir auf der Ehrentribüne bei einer Verletzungsunterbrechung
eine Unterhaltung mit einem Spieler von Macaé. Man ist so nah am Spielfeld,
dass beide sich tatsächlich gehört haben. Auch sonst sind die „üblichen
Verdächtigen“ auf der Tribüne, wie zum Beispiel Tante Raquel, die, wie immer,
ihren Saft verkauft.
Die Szene des Spiels war, als ein Feldspieler von Macaé
auf der Torlinie einen Schuss von Madureira mit der Hand abwehrte. Logische Folge:
Rote Karte und Elfmeter, der von Daniel da Silva verwehrtet wurde. Somit gingen
die Mannschaften mit 1:1 Unentschieden in die Pause. Wer erwartet hatte, dass
Madureira jetzt auf den Siegtreffer drängen würde, sah sich getäuscht. Kurz
nach Wiederanpfiff kam Macaé zum erneuten Führungstreffer. Madureiras Abwehr
sah dabei schlecht aus und im Angriff kam auch nichts Konstruktives zu Stande. Somit
war ein Freistoß nötig, um 5 Minuten vor Schluss doch noch den Ausgleich zu
erzielen. Madureira befindet sich noch im sicheren Mittelfeld, muss aber
aufpassen, dass man nicht in den Abstiegskampf rutscht. Die Fans waren auf
jeden Fall unzufrieden.
Wir beschlossen noch einen kurzen Bummel über die
angrenzende Markthalle zu machen und ein paar afro-brasilianische
Religionsgegenstände zu bewundern. Gott sei Dank haben wir auch eine Bierbude
gefunden. Es ist immer wieder schön in Madureira.
Von dort nahmen wir den Zug zurück in die Südzone,
um in Flamengo eines der besten Botequins Rio de Janeiros zu besuchen: das
Lamas. Mario Filho beschreibt schon in seinen Büchern, dass dort die
Mannschaften der ersten Fußballjahrzehnte Brasiliens ihre Siege gefeiert haben.
Wir bestellten erst mal eine Portion frittierte Zwiebeln und dann ein Garnelenrisotto.
Ich weiß nicht was der Koch macht, aber sein Risotto ist einfach besser als in
anderen Wirtschaften. Ich finde auch die Kellner mit ihren weißen Sakkos und
den Fliegen super. Was für ein schöner Fußballtag!
Samstag, 24. August 2013
Cuiabá
Die Stadt
Cuiabá diente dem französischen Anthropologen Claude Lévi-Strauss (1908 –
2009) 1938 als Ausgangspunkt für seine berühmte Expedition zu entlegenen Indianervölkern
im an der Grenze zu Bolivien gelegenen Bundesstaat Mato Grosso. Neben der von
Abenteurern und Goldsuchern bevölkerten kleinen Altstadt beschrieb der Franzose
auch das heiße und trockene lokale Klima. In den Nachmittagsstunden fällt es in
Cuiabá tatsächlich mitunter schwer, sich über die Straßen zu bewegen und man
fragt sich, wie in einem derartigen Klima WM-Spiele stattfinden können.
Die Stadt wurde vor allem zum WM-Standort gekürt, weil die in der Nähe
liegende Naturparks für den Tourismus interessanter gemacht werden sollen. Am
berühmtesten ist das riesige Sumpfgebiet Pantanal, das sich hervorragend für
Safaritouren eignet, bei denen Kaimane, Wasserschweine und Vögel beobachtet
werden können. Nördlich von Cuiabá liegt der Nationalpark Chapada dos
Guimarães. In der dortigen Savannenlandschaft haben sich bizarre
Felsformationen und Wasserfälle gebildet. Schließlich gibt es noch die
glasklaren Wasser von Nobres, in denen man sich zum Schnorcheln treiben lassen
und Fische beobachten kann.
Mato Grosso gilt als der Bundesstaat mit der größten Zahl verschiedener
Ethnien. Insgesamt gibt es 38 Indianerstämme. Wer auf den Spuren von
Lévi-Strauss wandern will kann einen von ihnen besuchen oder in das
Indianermuseum in Cuiabá gehen. Und wem die Zeit für die Ausflüge in die
Naturparks fehlt, dem sei ein Besuch des Zoos auf dem Universitätsgelände ans
Herz gelegt.
Die Fische Pacu und Pintado sind das wichtigste Nahrungsmittel in Cuiabá.
Sie erhält man in einem der Peixaria genannten Fischlokale außerhalb der Stadt.
Dort werden die Fische fritiert oder in Eintöpfen wie Mujica oder Escabeche
serviert. Dazu reicht man Reis mit der etwas säuerlich schmeckenden Frucht
Pequi sowie Maniokmehl mit Banane. Zum Nachtisch gibt es Furumdu, ein süßer
Kompott aus Papaya, Melasse und Zimt.
Der Fußball
1934 formierte sich in Cuiabá der Verein Mixto. Die Idee seiner
Gründerväter war es, einen Klub für verschiedene Sportarten anzubieten, dem
Männer wie Frauen beitreten können. Daher der Name Mixto. Er wurde zum
wichtigsten Verein in Cuiabá und konnte in den 1970er und 1980er Jahren sogar
ein paar Jahre in der ersten brasilianischen Liga verbringen. Zuletzt war man von 2006 bis 2009 in der dritten
Liga, ehe der Abstieg erfolgte. Heimspiele werden im Schnitt von 4.000
Zuschauern besucht. Angesichts der prekären Situation des lokalen Fußballs
scheint ein WM-Stadion überflüssig zu sein. Deshalb bestehen zwei Tribünen des
Verdão-Stadions auch aus Stahlrohrgerüsten, die nach der WM im Nachbarort
Rondonópolis aufgebaut werden sollen.
Im Jahr 2001 gründete Gaúcho, ein ehemaliger Profi von Flamengo aus Rio de Janeiro, den Verein Cuiabá
Esporte Clube. Gaúcho wollte damit die Schwäche des traditionellen
Fußball-Vertreters ausnutzen. Sein Klub hat seitdem große sportliche Erfolge
erreicht und vertritt Mato Grosso inzwischen in der dritten nationalen Liga.
Eine ähnliche Geschichte weist der Luverdense Esporte Clube auf, der
2004 im benachbarten Lucas do Rio Verde gegründet wurde.
Mixto Esporte Clube
Gegründet: 20. Mai 1934
Trikots: weiß-schwarze Hemden, schwarze Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 24 Mal
Wichtige Spieler: Bife, Fernando, Tostão II, Pastoril
Mittwoch, 21. August 2013
Politische Tendenzen
Es sind nun etwa zwei Monate vergangen, seit die Massenproteste
des Confed Cups begannen. Zeit also, mal die politische Landschaft zu
betrachten, um zu sehen, welche Konsequenzen es gab. Die politische Szene wird
seitdem von geradezu ungeheuerlichen Schlagzeilen erschüttert: verschiedene
Gebäude im Maracanã-Komplex, wie die Grundschule, das Freibad, das
Leichtathletikstadion und das Indianermuseum, werden erhalten bleiben und jetzt
scheint auch die Siedlung Vila Autodromo am Olympiapark bleiben zu dürfen. Hier
Berichte zu diesen Fällen:
Die Massenproteste im Juni scheinen zu einem wahren
politischen Erdbeben geführt zu haben. Ich werde versuchen die aktuelle Situation
anhand von drei Politikern zusammenzufassen.
Sergio Cabral (Gouverneur von Rio de
Janeiro)
Die Governeure stehen nächstes Jahr im Oktober
gemeinsam mit dem Präsidenten zur Wahl. Sergio Cabral ist schon in der zweiten
Amtszeit und kann sich somit nicht zur Wiederwahl stellen. Er befindet sich
also in den letzten 18 Monaten seiner Regierungszeit. Als Nachfolger hat er in
seiner Partei PMDB seinen Stellvertreter Pezão vorgeschlagen. Im Moment hat
dieser aber eher niedrige Erfolgschancen.
Der Grund dafür ist, dass Cabral scheinbar seinen
ganzen politischen Kredit in den letzten Wochen verspielt hat. Seit dem Confed
Cup zeltet eine Gruppe Unermüdlicher vor seinem Haus und wöchentlich gibt es
Demonstrationen vor dem Regierungspalast. Ihm wird vorgeworfen, dass er sich
bei seinen Entscheidungen diktatorisch und zu autoritär verhalten hätte. Gerade
der Maracanã-Komplex, mit der Grundschule, dem Freibad, dem Leichtathletikstadion
und dem Indianermuseum, gehören zu seinem Aufgabenbereich.
Hier wurden große Konflikte mit massivem
Polizeiaufgebot ausgefochten, um diese Gebäude abzureißen, damit Platz für
Parkplätze geschaffen werden kann. Im Juli gab es aber eine Kehrtwende nach der
anderen. Jetzt scheint es sogar so zu sein, dass die Indianer tatsächlich zum Wohnen ins Indianermuseum zurückkönnen. Das sieht sehr nach politischen Verzweiflungstaten
aus. Cabral scheint sich nicht mehr durchsetzten zu können. Deshalb denke ich,
dass Pezão wohl der Kandidat seiner Partei wird, aber eigentlich keine Chancen
hat.
Cabral ist ein Beispiel dafür, wie eine
Politikerkarriere erdrutschartig in zwei Wochen beendet werden kann. Er wurde 2010 mit Traumwerten wiedergewählt und jetzt muss man sich fragen, ob er je
wieder auf ein Amt kandidieren kann.
Eduardo Paes (Bürgermeister von Rio
de Janeiro)
Die Situation Von Eduardo Paes ist etwas anders,
denn er hat zwei Jahre länger Zeit, um sich zu erholen. Die Bürgermeisterwahlen
stehen erst 2016 an. Paes ist ebenso in seiner zweiten Amtszeit und kann somit
nicht wiedergewählt werden. Aber es geht ja immer auch darum welches politische
Kapital aus einem Amt in das nächste mitgenommen werden kann.
Sein größtes Problem ist im Moment, dass im Stadtrat ein Untersuchungsausschuss zum Thema des städtischen Busverkehrs eingerichtet wurde und, dass der Stadtrat nur Lobbyisten der Busunternehmen in den Untersuchungsausschuss entsand hat. Seitdem wird auch in und um den Stadtrat demonstriert. Das Thema öffentlicher Transport war eines der wichtigsten Themen der Massenproteste im Juni.
Insgesamt habe ich aber das Gefühl, dass er nicht mit der
gleichen Vehemenz in der Kritik steht, wie Cabral. Aber letzte Woche wurde gemeldet, dass die Vila Autodromo,
ein armes Fischerdorf am zukünftigen Olympiapark bleiben darf. Das Dorf ist
sicherlich im Moment nicht sonderlich hübsch, könnte aber, aus meiner Sicht,
mit geringen Ressourcen sogar zu einem touristisch attraktiven Ort mit
Fischrestaurants und Blick auf die angrenzende Lagune, aufgewertet werden. Das
war aber nie die Idee der Stadtverwaltung. Sie wollte die Vila Autodromo immer
nur platt machen und die Bewohner verjagen.
Ich sah wenige Chancen, dass diese Bewohner bleiben
könnten. Umso überraschender ist die aktuelle Nachricht. Das könnte auf einen
Einflussverlust des Bürgermeisters hindeuten. Es kann aber auch sein, dass er
einfach eingesehen hat, dass er zu viel Ansehen verliert, wenn er auf die
Vertreibung der Vila Autodromo pocht und deswegen geschickt nachgibt.
Der Gedanke dahinter könnte sein, dass er drei Jahre
Zeit hat sein verlorenes politisches Kapitel wiederzuerlangen. In diesen drei
Jahren werden in Rio die WM und die Olympischen Spiele stattfinden. Da kann
also noch viel passieren. Paes steht sicherlich besser da, als Cabral.
In jedem Fall: Glückwunsch an die Vila Autodromo!
Dilma Rousseff
(Präsidentin)
Nächstes Jahr im Oktober werden auch
Präsidentschaftwahlen stattfinden und Dilma ist Kandidatin auf die Wiederwahl.
Ihre Umfragewerte sind während des Confed Cups in den Keller gefallen. Aber sie
hat weder etwas mit den Gebäuden im Maracanã-Komplex, noch mit der Vila
Autodromo zu tun. Außerdem hat sie als Präsidentin eine ganz andere Bühne, um
sich als Konfliktmanagerin zu etablieren.
Aus meiner Sicht hat sie die Bühne genutzt. Schon am
21.06.13, also einen Tag nach den größten Demonstrationen, hat sie im Fernsehen
eine Ansprache an die Nation gehalten und dabei vier Punkte vorgeschlagen:
1.
Nationaler Plan für den Nahverkehr.
2.
Investition der Ölroyalties in die
Bildung. (am 20.08.13 verabschiedet)
3.
Anwerben von ausländischen Ärzten für
das staatliche Gesundheitssystem.
4.
Verschärfung der Antikorruptionsgesetze.
(Noch während des Confed Cups verabschiedet)
Damit zeigte
sie sich als starke Managerin, die selbst und umgehend Vorschläge einbringt.
Trotzdem zeigte sie sich auch bescheiden, indem sie sagte: „Ich höre euch.“ Der
entscheidende Satz war aber aus meiner Sicht: „Ich vertraue darauf, dass der
Nationalkongress das von mir eingereichte Gesetztesprojekt verabschieden wird,
dass vorsieht, alle Royalties aus der Ölgewinnung exklusiv der Bildung zukommen
zu lassen.”
Mit diesem
Satz macht sie zum einen klar, dass sie selbst das Gesetz gemacht hat und zwar
schon vorgeraumer Zeit, und zum anderen nimmt sie den Nationalkongress in die
Pflicht, jetzt auch zu handeln. Somit gelang es ihr Verpflichtungen
weiterzuleiten.
Ein paar Tage
später lud sie alle Gouverneure des Landes ein und verkündete vor ihnen und vor
laufender Kamera erneut die vier oben genannten Vorschläge und fügte noch einen
fünften dazu: ein Plebiszit zur Reform des politischen Systems. Daraus wird
wohl nichts. Aber es wird an dem Widerstand einiger Parlamentarier scheitern
und nicht am Willen der Präsidentin.
Insgesamt habe
ich den Eindruck, dass Dilmas Strategie aufgeht, denn ihre jüngsten
Umfragewerte steigen wieder. Sie konnte sich als starke Staatsfrau darstellen
und zeigen, dass sie Reformwillen hat, dieser aber an Gegenstimmen im
Nationalkongress scheitert. Ich denke sie ist eine aussichtsreiche Kandidatin
für die Wiederwahl.
Montag, 19. August 2013
Vasco - Grêmio, 2:3
Das Heimspiel von Vasco gegen Grêmio wurde diesen
Samstag auf 21.00h gelegt. Wir mussten uns also einen Ort für unser inzwischen
traditionelles Degustationsprogramm vor dem Spiel suchen. Im Stadtteil São
Cristóvão ist das aber gar nicht so schwierig, denn das Viertel ist berühmt für
seine Märkte. So fanden wir uns auf dem Feira de São Cristóvão, dem Markt der
Nordostbrasilianer, zur Stärkung ein.
Der Markt von São Cristóvão ist, aus meiner Sicht, ein
Muss unter den Sehenswürdigkeiten Rio de Janeiros. Er wird am Wochenende zum
Vergnügungszentrum für die Nordzone. Denn hier kann man nicht nur Maniokmehl,
getrocknete Garnelen, Flaschenbutter, getrocknetes Fleisch, Chilis und
Marmeladen erstehen, sondern ein Programm für die ganze Familie absolvieren.
Schuhe, Hemden, Reisen in den Nordosten, Cowboy-Ausrüstung, Musik, es scheint,
als ob hier einfach alles verkauft wird. An verschiedenen Ecken sind auch
Bühnen aufgebaut, an denen Forro-Bands ihr Bestes geben.
Aber es gibt eben auch Gasthäuser, die Ziegenmagen,
Sonnenfleisch oder die Bohnen-Reis-Mischung Baião de Dois anbieten. Wir ließen
uns beim „Cajueiro“ im Zentrum des Marktes nieder und bestellten „Feijão de
Corda“, ein Bohneneintopf nach Nordost-Art. Es werden verschiedene
Fleischsorten (trockenes Fleisch, Schweinefüße und Würste) mit Gemüse (Okra,
Jiló, Maxixe und Kürbis) in den grün-bräunlichen Bohnen des Nordostens gekocht,
die mit viel Koriander gewürzt werden. Dazu Jesus Guaraná aus Maranhão. Sensationell!
Für den Nachtisch drehten wir noch eine Runde, um
uns zwischen Tapioca-Pfannkuchen, Kokosraspeln und den verschiedenen Eissorten
zu entscheiden. Ich entschied mich für einen sehr leckeren Tapioca-Pfannkuchen
(wird aus Maniokstärke gemacht) mit Karamel. Jetzt wurde es aber Zeit zum Stadion
zu gehen.
Direkt gegenüber dem Markt führt die Argolo-Straße
in die engen Gässchen des Stadtteils und auf das São Januário-Stadion zu. Man
könnte den Weg auch zu Fuß zurücklegen, aber nach dem scheren Mahl entschieden
wir uns für das Auto und parkten nur zwei Ecken vom Stadion entfernt an einer
Kneipe, um noch ein Bier zu trinken. Die Gruppe war inzwischen angewachsen und
man diskutierte die Chancen eines Siegs am Kneipentisch. Vasco wäre auf einem
aufstrebenden Ast!
Wir zahlten und gingen ins Stadion. Als wir uns
gerade unter die Überdachung geflüchtet hatten kam ein fürchterlicher Regenguss
hernieder, der noch bis in die Mitte der ersten Halbzeit reichte. Die
Konsequenz war, dass sich alle 15.000 Anwesenden ins Trockene drängten und in
dieser Enge viel lauter und engagierter sangen.
Das Spiel litt unter dem Regen. Es bestand aus
vielen hohen Bällen und Querschlägern. Der Nasse Rasen führte auch zu vielen
Abwehrfehlern, die immerhin 5 Tore ermöglichten. Gleich in der 10. Minute
konnte Cris den Ball nicht stoppen und Barcos verwertete zum 1:0 für Grêmio.
Der Ausgleich folgte nach einer verunglückten Kopfballabwehr nach einem
Freistoß von Juninho. Aber noch vor der Halbzeit konnte Grêmio erneut in
Führung gehen. In der zweiten Halbzeit erhöhte Barcos auf 3:1 und erzwang so
die Vorentscheidung. Bei dem Tor sahen weder die Verteidiger, noch der Torwart
von Vasco gut aus. Das 2:3 war dann nur noch Ergebniskosmetik in den letzten
Minuten.
Nach dem Sieg
von Fluminense und dem Unentschieden von Flamengo stehen somit drei Cariocas
friedlich vereint auf den Plätzen 11 – 13. Nur Botafogo setzt sich davon ab und
ist jetzt Tabellenführer. Mal schaun, wo dieser Höhenflug hinführt.
Donnerstag, 15. August 2013
Natal
Die Stadt
Am äußersten nordöstlichen Eck Brasiliens liegt mit Natal die Hauptstadt
des Bundesstaates Rio Grande do Norte. Der Stadtname bedeutet wörtlich
„Weihnachten“ und bezieht sich auf das Gründungsdatum: 25. Dezember 1599. Die
portugiesischen Kolonialherren mussten die Siedlung gegen Franzosen, Holländer
und den Indianerstamm Potiguar verteidigen. Deshalb wurde die bis heute
existierende Festung der Heiligen Drei Könige erbaut. Um sie herum formierte sich
das relativ kleine historische Stadtzentrum.
Bis in die 1970er Jahre war Natal recht unbedeutend, ehe es aufgrund seiner
schönen Dünenstrände und der nur etwa sechs Flugstunden nach Lissabon für den
Tourismus entdeckt wurde. Innerhalb von 30 Jahren verdoppelte sich die
Einwohnerzahl seitdem auf über 800.000. Das Stadtbild wird vom Dünenpark
bestimmt, der allerdings nicht zugänglich ist. Der berühmteste Stadtstrand
heißt Ponta Negra und liegt in einem neugebauten Vorort. Am schönsten sind
jedoch die Strände außerhalb Natals: São Miguel do Gostoso im Norden und Pipa
im Süden. Mit einem Strandbuggy kann man von dort am Meer entlang bis zum
Stadion fahren.
Etwa 300 Kilometer vor der Küste von Rio Grande do Norte liegt das Archipel
Fernando de Noronha, das 1988 zum Nationalpark erklärt wurde. Die herrlichen
Inseln sind ein Paradies für Taucher. Außerdem lassen sich Delfine und
Schildkröten beobachten.
In allen Küstenorten kann man wunderbar Meeresfrüchte genießen. Einfache
Strandbars bieten verschiedenste Garnelen-Snacks an. In den Restaurants gibt es
ausgefeilte Gerichte mit Krabben, Krebsen und Seefisch. Berühmt sind die
Kreationen aus dem wüstenartigen Hinterland Sertão, die mit viel getrocknetem
Fleisch gereicht werden. Baião de Dois ist ein Bohnengericht, das mit Rahm und
Käse zubereitet wird. Nicht fehlen darf natürlich das Maniokmehl, das, wenn es
mit dem sogenannten Sonnenfleisch vermischt wird, den Namen Paçoca erhält. Ein
recht deftiges Gericht ist Buchada de Bode - mit Innereien gefüllter
Ziegenmagen.
Aus Maniokstärke werden die kleinen Pfannkuchen Tapioca geformt. Mit
salziger Füllung sind sie ein kleiner Snack zwischendurch, in ihrer süßen
Version auch ein Nachtisch. Rio Grande do Norte ist stolz auf seine
Cashew-Produktion. Die Cashew-Bäume wachsen in den Dünen. Man nutzt sowohl die
Früchte als auch die Nüsse. Sehr schmackhaft ist zudem die für einen Caipirinha
bestens geeignete Caja-Frucht.
Der Fußball
Natal ist eine der Städte, in denen man sich Sorgen über die Nutzung des
WM-Stadions nach den Wettkämpfen macht. Das moderne Stadion der Dünen ersetzt
das marode Machadão, das vom Traditionsklub América genutzt wurde. Der
Verein spielte zwar 2007 in der ersten brasilianischen Liga, dümpelt aber
zumeist mit einem Zuschauerschnitt von 5.000 in der zweiten Liga vor sich hin.
Auch die überregionalen Erfolge sind bislang eher bescheiden. Vielleicht gibt
die WM der Region aber einen Schub. Der Vereinssitz liegt im Stadtteil Tirol.
Beim „Königsklassiker“ genannten großen Stadtderby trifft América auf den
Arbeiterverein ABC. Dessen Name ist eine Hommage an die Freundschaft
zwischen Argentinien, Brasilien und Chile. ABC hat in Natal zwar mehr
Fans und war auch in der regionalen Meisterschaft erfolgreicher, auf nationalem
Niveau aber spielte América stets eine Klasse höher.
ABC Futebol Clube
Gegründet: 29. Juni 1915
Trikots: weiße Hemden, weiße Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 52 Mal
Wichtige Spieler: Jorginho, Alberi
Internet: www.abcfc.com.br
América Futebol Clube
Gegründet: 14. Juli 1915
Trikots: rote Hemden, weiße Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 34 Mal
Wichtige Spieler: Joel Santana, Somália, Rodrigo Tabata
Internet: www.americadenatal.com.br
Montag, 12. August 2013
Fluminense - Flamengo, 2:3
„Das Fla-Flu hat keinen Anfang. Das Fla-Flu hat kein
Ende. Das Fla-Flu begann 40 Minuten vor dem Nichts.“
Nelson Rodrigues
Ein Derbywochenende ist immer etwas Besonderes. Auch
vergangenen Sonntag machte sich Rio de Janeiro auf, um die Mutter aller Derbys - das Fla-Flu - im Maracanã zu sehen. Das Spiel, das Vater gegen Sohn, Arm gegen
Reich, Tradition gegen Newcomer, Gemeinschaft gegen Masse und noch vieles mehr
symbolisiert hat eine reiche Geschichte. 1912 wurde es zum ersten Mal
ausgetragen, nachdem eine ganze Mannschaft bei Fluminense ausgetreten ist und
bei Flamengo angeheuert hat. Die beiden berühmtesten Ausgaben sind sicherlich
das Fla-Flu der Lagune, bei dem Fluminense gewann, indem der Ball immer wieder
in die nahegelegene Lagune gedroschen wurde und das Fla-Flu mit dem Bauchtor
von 1995. Letzteres gilt als bestes Fla-Flu aller Zeiten. Hier eine Zusammenfassung:
Die Ausgangslage für die neueste Ausgabe des
Klassikers war, dass beide Mannschaften im unteren Mittelfeld standen und so unbedingt
den Sieg brauchten, um nicht in den Abstiegskampf zu rutschen. Fluminense, als
amtierender Meister, enttäuscht in dieser Saison bisher auf der ganzen Linie. So
wurde vor zwei Wochen der Trainer Abel Braga entlassen und der ehemalige
Nationaltrainer Vanderlei Luxemburgo soll es jetzt richten. Von Flamengo hat
man vielleicht nicht viel mehr erwartet.
Aber auf dem Platz war Flamengo von Anfang an
überlegen und hatte gleich in der ersten Viertelstunde zwei Großchancen. Mitten
in dieser Drangphase gelang Fluminense überraschend und eher zufällig das 1:0. Aber
niemand konnte Flamengo an diesem Sonntag aufhalten. Noch bis zur Pause gelang es
den Rot-Schwarzen das Spiel durch Elias und Hernane zu drehen. Das 1:1 war
fürchterlichen Löchern in der Abwehr von Fluminense geschuldet und das 2:1
wurde mit der Hacke erzielt und kam so einer Erniedrigung gleich.
Die zweite Halbzeit war dann ziemlich schlecht und
zäh. Fluminense versuchte verzweifelt zum Ausgleich zu kommen und Flamengo
verteidigte geschickt. In der 80. Minute erhöhte Hernane nach einer
unübersichtlichen Situation im Strafraum auf 3:1. Schon in der Nachspielzeit
gelang Rafael Sóbis noch der Anschlusstreffer nach einem Weitschuss. Schüsse
aus der zweiten Reihe wären eventuell ein gutes Rezept gewesen, denn der
Torwart von Flamengo zeigte sich in mehreren Situationen extrem unsicher.
38.000 Zuschauer wollten das Derby sehen. Das ist im
Vergleich zu einem Zuschauerschnitt von etwa 13.000 Fans viel, füllt aber
trotzdem das Stadion bei Weitem nicht. Ein Klassiker hätte mehr verdient, aber
das wird durch die hohen Eintrittspreise verhindert. Ich denke auch, dass im
Moment so viele Zuschauer ins Stadion strömen, da das Maracanã noch eine
Neuigkeit ist. Ich fürchte, dass diese Zahlen wieder sinken werden, wenn diese
Kuriosität einmal gestillt ist. Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt im
brasilianischen Fußball einfach nicht.
Erneut zeigte sich das etwas seltsame Bild, dass die
Kurven hinterm Tor ganz gut gefüllt sind, aber die Gegengerade und Haupttribüne
sehr leer sind. Man muss aber weiterhin die Akustik des Stadions loben. Solange
die Fans singen ist die Stimmung wirklich gut. Trotz der Sitze und der Nummerierung
der Eintrittskarten besteht kein Sitzzwang und freie Platzwahl. So können sich
die Fanklubs an ihren angestammten Plätzen treffen und ihre Perkussionsinstrumente
mitbringen. Das Maracanã kann wieder zu einem der großen Stadien werden, wenn
dieser Preiswahnsinn aufhört.
Nach dem Spiel waren wir im Stadtteil Grajaú in der
Kneipe Enchendo Linguiça, die eine eigene Wurstherstellung hat. Angeblich wurde
die Metzgerei von deutschen Einwanderern gegründet. Wir bestellten eine Schweinshaxe
und ein paar Würste. Alles sehr gut, fettig und auf keinen Fall diätgeeignet. Der
Verkehr um das Maracanã war wieder sehr kompliziert und es war es fast
unmöglich ein Taxi zu bekommen, aber das Enchendo Linguiça war die
Anstrengungen wert.
Donnerstag, 8. August 2013
Curitiba
Die Stadt
Curitiba hat den Ruf, die langweiligste Stadt Brasiliens zu sein.
Einerseits gilt sie als Aushängeschild für Modernität und gute Stadtplanung,
andererseits sagt man ihr - genau deshalb - nach, pingelig und ohne
Lebensfreude zu sein. Städtisches Vorzeigeprojekt ist ein gut funktionierendes
und ausgeklügeltes öffentliches Bussystem.
Die 1,7 Millionen Einwohner-Stadt wurde, wie so vieles in Südbrasilien, von
europäischen Migranten geprägt: vornehmlich Deutsche, Italiener, Polen und
Ukrainer. Im Laufe der Jahre wurde die historische Struktur Curitibas
allerdings zum Großteil durch moderne Hochhäuser ersetzt. Nur rund um den
Garibaldi-Platz im Stadtzentrum blieben einige historische Gebäude erhalten.
Dort konzentriert sich auch das Nachtleben - unter anderem in vielen deutschen
Bars und Restaurants. Italienische Lokalitäten findet man derweil im Vorort
Santa Felicidade wo mehrere kitschige Großraum-Pizzerien im neorömischen Stil
erbaut wurden, die bis zu 4.000 Personen Platz bieten.
Die bedeutendste Sehenswürdigkeit der Stadt ist das Kunstmuseum Oscar
Niemeyer, das mit seiner Architektur an ein riesiges Auge erinnert. Andere
Touristenattraktionen des Staates Paraná, dessen Hauptstadt Curitiba ist,
befinden sich außerhalb der Metropole. Mit dem Zug lässt es sich von Curitiba
aus prima durch ein beeindruckendes Regenwaldgebirge in die Küstenstadt
Paranaguá fahren. An der Grenze zu Paraguay lockt eine der wichtigsten
Sehenswürdigkeiten Brasiliens: Die Iguaçu-Wasserfälle. Auf etwa einem Kilometer
Länge fallen die Wassermassen dabei 82 Meter in die Tiefe.
Das typische Gericht Curitibas ist Barreado, ein Fleisch Eintopf mit
Gewürzen, der stundenlang in einem abgeschlossenen Topf gegart wird. Dazu gibt
es Reis, Maniokmehl und Bananen. Pinienkerne sind eine beliebte Zutat in der
Küche Paranás. Außer der italienischen und deutschen Küche findet man auch
osteuropäische Piroggen. Im Winter gibt es Glühwein, der mit Marshmallows oder
rohem Ei vermischt wird.
Der Fußball
Fußball ist in Curitiba seit langem die wichtigste Sportart. Trotzdem
konnten die ortsansässigen Vereine erst kürzlich zur nationalen Elite
aufschließen. Der Traditionsverein der Stadt ist der Coritiba FC. Er wurde 1909 von deutschen und englischen
Einwanderern gegründet. Der Verein wird in Anspielung auf die Hautfarbe seiner
Gründer liebevoll „Coxa Branca“, also Weiß-Schenkel genannt. Größter Erfolg war
der Gewinn der brasilianischen Meisterschaft 1985. Coritiba weihte 1932 sein 40.000 Zuschauer fassendes
Couto-Pereira-Stadion ein, das aber nicht für die WM 2014 ausgewählt wurde.
1924 erhielt Coritiba dann seinen
härtesten Konkurrenten: den Clube
Atlético Paranaense, eine Fusion mehrerer kleiner Klubs. Atlético war jedoch lange Zeit gar keine
Konkurrenz. Das änderte sich erst, als im Jahr 1995 ein neues Präsidium ein
radikales Modernisierungsprogramm vorlegte. Teil der Strategie war es, die
vereinseigene Arena da Baixada für 31.000 Zuschauer nach FIFA-Anforderungen auszubauen.
1999 wurde somit in Curitiba das erste brasilianische Stadion ohne Stehplätze –
aber dafür mit diversen Fast-Food-Restaurants - eröffnet. Kurios: die
Gegengerade konnte nicht errichtet werden, weil die dortige Schule, deren Direktor
ein Fan von Coritiba war, sein
Gelände nicht verkaufte.
Seinen Höhepunkt erreichte der Umwandlungsprozess mit dem Gewinn der
brasilianischen Meisterschaft im Jahr 2001. 2005 erreichte Atlético dann das Finale der Copa Libertadores, durfte aber sein Heimspiel
nicht im eigenen Stadion austragen, da die Wettbewerbsregeln mindestens 40.000
Plätze verlangten. So wurde ausgerechnet das modernste Stadion Brasiliens vom
Libertadortes-Finale ausgeschlossen. Nachdem die Mannschaft 2006 wenige Monate
von Lothar Matthäus trainiert worden war ging es trotz der ausgefeilten
Marketingstrategie allmählich bergab. 2011 musste Atlético den bitteren Gang in
die zweite Liga antreten. Die Arena da Baixada wurde indes als WM-Stadion
ausgewählt, weshalb auch die fehlende Gegengerade, nach jahrelangen
juristischen Streitereien, endlich gebaut werden kann.
Schon 1950 fanden in Curitiba WM-Spiele statt: Spanien gegen die USA (3:1)
und Schweden gegen Paraguay (2:2). Schauplatz war das Durival Britto Stadion
des Paraná Clube, der aber nur
zweitklassig ist.
Coritiba Foot Ball Club
Gegründet: 12. Oktober 1909
Trikots: grün-weiße Hemden, schwarze Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 36 Mal
Brasilianischer Meister: 1985
Wichtige Spieler: Hans Egon Breyer, Rafinha
Internet: www.coritiba.com.br
Clube Atlético Paranaense
Gegründet: 26. März 1924
Trikots: rot-schwarze Hemden, schwarze Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 22 Mal
Brasilianischer Meister: 2001
Wichtige Spieler: Paulo Rink
Internet: www.atleticoparanaense.com
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