Mit meinen
deutschen Freunden besuchte ich nicht nur das Jugendspiel von São Paulo FC,
sondern auch die Vereinssitze verschiedener Torcidas. Das ist in São Paulo
besonders interessant, denn mehrere Torcidas sind hier auch Sambaschulen, die
Karnevalsumzüge organisieren. Deshalb haben sie meist einen Vereinssitz, etwa
ein Büro, oft mit Merchandisingshop, und eine Karnevalshalle, in der der Umzug
vorbereitet wird. Insgesamt ist eine sehr gute Struktur notwendig, die sehr
beeindruckend ist. Wir besuchten die Gaviões da Fiel von Corinthians, die
Mancha Verde Von Palmeiras und die Dragões da Real von São Paulo FC.
Die Gaviões
da Fiel sind darunter die bei weitem die größte Gruppe. Sie wurden 1969
gegründet und haben nach eigenen Angaben etwa 70.000 Mitglieder. Ihr
Vereinssitz im Stadtteil Bom Retiro ist sehr beeindruckend. Es handelt sich um
eine Halle, die das komplette Partyequipment bietet: Tanzfläche, Bühne für die
Band, Küche, Bar, Toiletten und sogar Logen im Obergeschoss. Aber die Halle
bietet auch Platz für den Fanartikelshop und Räume für das Präsidium. Bei
Besuch dieser Einrichtung wird einem klar, dass die Halle viel mehr als der
Sitz eines Fanklubs ist, es handelt sich eigentlich um ein Gemeindezentrum. Es
steht den Fans immer offen. Die Küche kocht täglich. Die Damentoilette hat
sogar einen Wickelraum, es wird also für die ganze Familie gesorgt.
Auf der
anderen Seite der Straße befindet sich eine zweite Halle, in der die Wägen für
den diesjährigen Karnevalsumzug montiert werden. Das Thema der Gaviões da Fiel (Treue
Habichte) ist heuer Ronaldo Fenomeno. Wir durften keine Fotos knipsen, konnten
aber die halbfertigen Wägen bestaunen. Danach hatten wir noch die Ehre den
Karnevalsmeister Zilkson kennen zu lernen. Wer sich ein genaueres Bild der
Umzüge machen möchte, schaue sich hier ein paar Fotos an: http://www.imlanddesfussballs.blogspot.com.br/2013/02/karneval-in-rio-ii.html.
Für so
einen Karnevalsumzug bekommen die Sambaschulen sehr hohe Startgelder von den
Stadtverwaltungen. Diese Startgelder finanzieren die Vereinssitze. Im Gegenzug
müssen sie einen sehr ausgeklügelten Umzug präsentieren, der aus mehreren
Elementen besteht, zB: Vorhut, Wägen, Perkussionsgruppe, Fahnenträger,
Sambakönigin etc. Dieser Umzug wird im Stadion Sambadrom aufgeführt und es gibt
Noten. Am Aschermittwoch steht dann der Karnevalsmeister fest, aber es muss
auch immer jemand absteigen.
Die Dragões
da Real sind gerade auch in der ersten Liga, haben aber Partyhalle und Montage
zusammengelegt. Ihre Struktur ist etwas kleiner. Somit stehen ihre Wägen mitten
auf der Tanzfläche. Aber die Partyhalle ist ähnlich: Bar, Küche, Logen, Bühne
etc. Ihr Motto sind die Erfindungen der 80er Jahre. Wir konnten deshalb eine
Klasse Darth Vader Verkleidung bestaunen. Der eigentliche Vereinssitz der Dragões
da Real ist ein Büro mit Verkaufsstand im Stadtzentrum. Hier treffen sich die
Jungs, um gemeinsam zu den Spielen zu fahren.
Schließlich
hatten wir noch das Vergnügen zum Sitz der Mancha Verde, ein kleines Häuschen
gleich neben dem Klubstadion, zu fahren. Ihre Sambaschule ist gerade in der
zweiten Liga und wir beschlossen uns mit ihnen am Sitz zu unterhalten. Der Sitz
hat im Erdgeschoss den Fanshop und im zweiten Stock einige Räumlichkeiten,
darunter eine Terrasse mit Grill.
Die
Präsidiumsmitglieder erzählten uns, dass sie sehr stark unter dem Problem
leiden würden, dass sie von Presse und Polizei verfolgt werden. Einzelne Fans
seinen zwar gewalttätig, aber die große Mehrheit eben nicht. Trotzdem würden
immer Kollektivstrafen für die ganze Torcida gefordert. Dies war besonders der
Fall, nachdem 1995 die Schlägerei auf dem Feld im Pacaembustadion live im TV
übertragen wurde. Daraufhin wurde von der Staatsanwaltschaft das Verbot der
Torcidas beantragt. Die Torcidas haben dann Sambaschulen gegründet und wussten,
dass sie mit diesem administrativen Kniff dem Verbot zuvorkommen konnten.
Später wurde der Antrag fallen gelassen. Damit können sich die Fans in erster
Linie als Partyveranstalter profilieren: im Stadion und beim Karneval.
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