In Fortaleza besuchten wir auch die Vereinssitze von
zwei Torcidas. Direkt gegenüber des Vereinssitz von Ceará hat die Cearamor ihr
Klubheim. Am Eingang befindet sich ein kleiner Laden für die Torcidashirts.
Geht man durch den Gang, so kommt man an einem Regal mit Gedenktafeln anderer
Torcidas vorbei. Diese wurden bei freundschaftlichen Treffen getauscht. Im
Obergeschoss konnten wir einen Boxring bestaunen, in dem sich einzelne Fans fit
halten.
Hinter dem Haus schließt sich noch ein Hinterhof an,
den die Torcida für ihre Partys und Übertragungen von Auswärtsspielen ihrer
Mannschaft nutzt. Hier bekamen wir eine kurze Vorführung der Fahnen, Trommeln
und einiger Gesänge. Danach setzten wir uns zu einem kurzen Gespräch zusammen. Verglichen
mit São Paulo konnten wir sehr ähnliche Klagen hören. Die Torcidas sehen sich
von Polizei und Presse verfolgt.
Doch während die Torcidas in São Paulo schon den
Prozess der Verbotsandrohung hinter sich haben, sind die Fans in Fortaleza
mitten in diesem Kampf. Es scheint als ob die Fronten viel verhärteter sind. Es
wurde uns berichtet, dass es in Busbahnhöfen weit entfernt der Stadien in den
letzten Monaten bei Auseinandersetzungen zwischen Fans zu insgesamt drei
Todesopfern gekommen ist. Die lokale Staatsanwaltschaft hat jetzt das Verbot
von drei Torcidas Organizadas beantragt. Während das Verfahren läuft sind diese
drei Torcidas mit Stadionverbot belegt. In der Praxis heißt das, dass sie zu
Spielen gehen, aber ohne ihre T-Shirts, Fahnen und Trommeln.
Eine dieser Torcidas ist die Jovem Garra Tricolor,
die wir am folgenden Tag besuchten. Ihr Sitz ist ähnlich aufgebaut, aber
wesentlich kleiner und weiter in der Peripherie gelegen.
Sie sagen zu ihrer Verteidigung, dass sie nicht wissen,
wer in den Konflikt verwickelt war und dass es möglich ist, dass keines ihrer
Mitglieder involviert war. Sie fordern die Bestrafung der beteiligten
Individuen und lehnen Kollektivstrafen ab. Ihrer Meinung nach werden mit den
aktuellen Methoden Gewalttäter nicht vom Stadiongang abgehalten. Aber ihr
kollektives Stadionverbot beeinträchtigt die Stimmung im Stadion immens.
Bei unserem Stadionbesuch im Castelão hatte ich die
Gelegenheit mit Major Jorge von der so genannten „Eventpolizei“ zu sprechen. Er
erklärte mir, dass Fangewalt in Fortaleza ein großes Problem sei und deswegen
in der Militärpolizei die Sondereinheit Eventpolizei gegründet wurde. In den
Stadien hätte sich die Situation nun sehr verbessert, aber nicht in den
Busbahnhöfen auf dem Weg zum Stadion. Es wäre nun zu verschiedenen
Zusammenstößen gekommen, die seine Einheit und die Staatsanwaltschaft dazu
veranlasst haben die Auflösung von drei Torcidas zu fordern. Er nannte dabei
jedoch nicht die drei Todesfälle.
Weiter sagte mir Major Jorge, dass er die Torcidas
als gewinnorientierte Unternehmen wahrnimmt, in denen sich einzelne Personen am
T-Shirtverkauf bereichern wollen. Das wäre Teil des Gewaltproblems. Deshalb
hofft er, dass die Torcidas verboten würden. Meinen Einwand, dass das Verbot
die Arbeit der Polizei erschweren würde, da die Fans dann inkognito ins Stadion
kämen, konnte er nicht verstehen. Ihm scheint auch fremd zu sein, dass die
Torcidas Einnahmequellen brachen, um ihre Aktivitäten zu finanzieren und welche
Bedeutung sie in den Strukturen des lokalen Gemeinwesens haben.
Ich fand diese Position sehr radikal, denn die
Problemlösung ist hier die Auslöschung einer unliebsamen Institution. Auf der
anderen Seite erklärten auch die Fans, dass die Polizei ihr Feind sei. Die
Fronten scheinen sehr verhärtet.
Insgesamt erscheinen mir individuelle Strafen für
absolut notwendig und die Polizei muss natürlich auch für die Aufklärung von
Verbrechen ausgerüstet sein. Auf der anderen Seite erscheinen mir
Kollektivstrafen, aus rechtsstaatlicher Sicht, sehr fragwürdig. Ich glaube
auch, dass hier die Fans recht haben: Kollektivstrafen sind völlig ineffektiv:
sie Zerstören die Stimmung und lassen die Übeltäter laufen.
Schließlich sind mir noch ein paar Aufkleber
aufgefallen. Ceará und andere periphere Staaten leben mit dem Problem, dass
ihre Einwohner oft Fans von Teams aus Rio oder São Paulo sind und nicht von
einheimischen Mannschaften. Dagegen wird mehr und mehr protestiert.
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