In Rios Nordzone gibt es eine der wichtigsten
Wallfahrtskirchen Brasiliens: die Igreja da Penha. Sie liegt auf einem kahlen
Felsen im Stadtteil Penha und ist der Jungfrau Maria geweiht. Ich wollte schon
immer mal die 365 Stufen zur Kirche hinaufgehen und die Aussicht genießen. Da
kam mir das Heimspiel von Olaria, im gleichnamigen Viertel in der Nachbarschaft
der Penha, gerade recht, um eine Tour durch Rios Norden zu machen.
Als ich am Felsen ankam, stellte ich erfreut fest,
dass es inzwischen einen Aufzug gibt, den ich dann dem Fußmarsch vorzog. Die
Kirche wurde kürzlich renoviert und erstrahlt in neuem Glanz und die Aussicht
ist fantastisch. Man überblickt die Nordzone, die Bucht, den Zuckerhut und den
Corcovado. Hinter der Kirche beginnt eine der größten Favelas Rio de Janeiros,
der Complexo do Alemão, in dem 2010 die Militärmaßnahmen gegen die Drogenbanden
begannen. Heute verkehrt dort ein Lift.
Bis ins 19. Jahrhundert dominierten in dieser Gegend
Fazendas, die in erster Linie Zucker produzierten die Landschaft. Aber gegen
Ende des 19. Jahrhunderts siedelte sich in Penha eine Lederfabrik und in Olaria
eine Ziegelei (Port.: Olaria) an. Deshalb wurde daraufhin einer Zuglinie aus
dem Zentrum Rios in diese Richtung gebaut und damit begann das
Bevölkerungswachstum. 1915 wurde der Olaria AC mit Sportangeboten für Fußball,
Tennis, Segeln und – kurios - Pfadfinder gegründet.
Von der Penha-Kirche ist es nur ein kurzer Fußmarsch
bis zum Vereinsgelände in der Rua Bariri. Man sieht, dass der Klub stark in der
Gemeinde des Stadtteils verwurzelt ist. Außer dem Fußballstadion fällt
besonders das Schwimmbad auf. Ich trinke in der Bar noch einen der in der
Nordzone beliebten brühend heißen schwarzen Kaffees aus dem Glas und begebe
mich auf die Tribüne.
In der Gegengerade erhebt sich die - fast leere -
typische Dreieckstribüne Olarias. Die Haupttribüne hingegen ist gut gefüllt,
unter anderem auch mit einem kleinen Fanklub: die Torcida Império Olariense.
Kurz nach Spielbeginn erscheint auch hinterm Tor ein Fanklub: die Torcida Jovem
Olaria. Das Spiel plätschert etwas bedeutungslos vor sich hin. Audax, aus São
João de Meriti in der Peripherie Rio de Janeiros, beschränkt sich aufs
Verteidigen und Olaria findet kein Konzept gegen den Betonriegel.
Da kommt plötzlich Bewegung auf den Rängen auf. Ein
Teil der Torcida Jovem rennt zum Ausgang und ein anderer rennt zum Geländer, um
zu sehen, was auf der Straße, vor den Stadiontoren, geschieht. Das ist ein
typisches Zeichen für Prügeleien. Kurz danach kommen die Jungs wieder zurück
und beginnen Schlachtrufe gegen die Torcida Império anzustimmen. Was ist denn
da los? Ein Streit zwischen den Fanklubs des gleichen Vereins?
Ich spreche
mit Victor von der Torcida Império:
„Wir sind eine Abspaltung der Jovem, deshalb mögen
sie uns nicht.“, erklärt er mir.
„Aber, warum habt ihr euch getrennt?“, hacke ich
nach.
„Sie sind nur auf Prügeleien aus und das hat uns
nicht gefallen.“
„Was war denn jetzt auf der Straße los?“
„Die Torcida von Audax ist eingetroffen und da haben
sie eine Prügelei begonnen. Aber die Polizei hat sie schon getrennt und mehrere
von ihnen festgenommen.“
Ich bin doch etwas überrascht, dass es so etwas bei
so einem kleinen Verein gibt. Am Aushang steht, dass heute 408 Zuschauer anwesend
sind. Da muss man schon suchen, wenn man jemanden finden will, der auf
Prügeleien aus ist.
„Was hältst du denn von deiner Mannschaft?“, führe
ich das Gespräch fort.
„Sie spielen überraschend gut, dafür, dass keine
nennenswerte Verstärkung verpflichtet wurde. Audax hat Geld und müsste
eigentlich mehr zeigen. Bei uns sind einige Sponsoren abgesprungen. Die
Fußballabteilung wird ja jetzt nicht mehr als Verein, sondern als Unternehmen
geführt. Ein Portugiese hat das jetzt, mit der Unterstützung von Eurico
Miranda, Ex-Präsident von Vasco da Gama, übernommen. Da war die Vorbereitung
schlecht. Unter diesen Umständen muss man zufrieden sein.“
Ich gehe zu den Pressekabinen hoch und treffe Fernando, den Präsidenten von Audax und frage ihn zu seiner Meinung über das Spiel.
Ich gehe zu den Pressekabinen hoch und treffe Fernando, den Präsidenten von Audax und frage ihn zu seiner Meinung über das Spiel.
„Ich bin enttäuscht. Das haben wir so nicht
trainiert. Die Mannschaft müsste besser sein. Sie spielt nur hohe, lange Bälle
in die Spitze, statt konzentriert ein Spiel aufzubauen.“
„Was sind denn die Saisonerwartungen von Audax?“
„Wir planen uns für die Serie D, die vierte
brasilianische Liga, zu qualifizieren. Dazu müssen wir vor den Mannschaften,
die schon in der Serie C sind, also Madureira, Duque de Caxias und Macaé,
abschließen. Dann würden wir nationale Aufmerksamkeit gewinnen. Das müsste
möglich sein.“
Da sind also die Erwartungshaltungen ganz
verschieden hoch bei den zwei Klubs. Das Spiel war insgesamt ein sehr fader
Saisonauftakt und endete 0:0. Es gab wenig Höhepunkte und insgesamt würde ich
sagen, dass Audax sogar die besseren Torchancen hatte, trotz seiner
Defensiveinstellung.
Es hat mir gut gefallen bei Olaria. Die Leute sind
freundlich und reden mit einem. Man fühlt sich sofort integriert. Es kommt
einfach ein Gemeinschaftsgefühl auf. Da muss ich doch meinen Ausflug mit einem
kühlen Bier, in einer der legendärsten Kneipen der Region, dem Original do
Bras, in Bras de Pina, nur 3 Stationen von Olaria entfernt, ausklingen lassen.
In Rio de Janeiro gibt es einen Wettbewerb der
besten Kneipengerichte. Das Original do Bras nimmt daran regelmäßig teil und
hat schon Preise gewonnen. Zunächst probiere ich die preisgekrönten panierten
Rouladen, die der Wirt „Eine Runde durch die Vororte“ (Um rolé pelo subúrbio)
nennt. Absolut fantastisch – Bestnote. Als nächstes bestelle ich einen Klassiker
der Botequins (Kneipen): eine Bohnensuppe. Auch mit ihr bin ich sehr zufrieden.
Zum Abschluß gibt es noch ein Gericht mit getrocknetem Fleisch, Zwiebeln und
kandierten Orangenstücken. Das salzige Fleisch mit den süßen Früchten ist eine
gute Idee, aber verglichen mit den ersten beiden Gängen beeindruckt dieses
Gericht nicht so sehr.
So geht ein fantastischer Ausflug in Rios Vororte zu
Ende. Toll war`s. Ich freue mich schon auf die nächsten Spiele.
PS: Ich habe
bemerkt, dass die Teams in der ersten Phase gegen die Klubs der anderen Gruppe
spielen und erst in der zweiten gegen die Mannschaften aus der eigenen Gruppe. In
dem Post vom Mittwoch habe ich das verdreht. Sorry!
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