Eigentlich wollte ich mit meinem Freund Lugui das
Spiel Fluminense – Friburguense in einer Kneipe im Stadtteil Tijuca anschauen. Aber
zeitgleich stürzte die Brüstung des nagelneuen Stadions von Grêmio in Porto
Alegre bei der Qualifikation zum Libertadores Pokal ein. 10 Fans verletzten
sich dabei. Somit wurde dieser Zwischenfall zum Ereignis des Tages.
Aber der Reihe nach. Der Varnhagen-Platz in der
Tijuca ist voller Kneipen, von denen mehrere auf großen Bildschirmen Fußballspiele
zeigen, um Publikum anzulocken. Ich treffe mich mit Lugui und wir beschließen
uns in der rappelvollen „Bar do Bom“ niederzulassen. In ihr sind insgesamt vier
Fernseher angebracht, die jedoch so über den Tischen hängen, dass es schwer ist
auf sie zu schauen. Ich sehe mich um und bemerke, dass es sich nicht um ein
Fußballpublikum handelt. An der Wand links von mir befinden sich vier
Tischgruppen nebeneinander, an denen nur Mädchen sitzen. Sie ignorieren das
Geschehen auf den Bildschirmen komplett.
Während die Kneipen am Varnhagen-Platz bestens
besucht sind, sieht man auf den Bildschirmen die leeren Ränge des Engenhão-Stadion.
2.800 Fans wollten das Spiel sehen. Die Diskussion um die Entwertung der
Staatsmeisterschaften ist deswegen weiter in vollem Gange. Juca Kfouri schreibt
in seiner Kolumne, dass der Regionalpokal der Nordostregion im Schnitt 7.000
Fans anlockt, während die São Paulo-Meisterschaft nur ein Mittel von 5.000 Zuschauern
vorweisen kann. In Rio
de Janeiro schreibt Sergio du Bocage, dass das Derby Paysandu (3. Liga) – Remo
(4. Liga) in der Stadt Belém in der Amazonasregion von 41.000 Fans gesehen
wurde, während beim Derby Fluminense (Brasilianischer Meister) – Botafogo (1.
Liga) nur 11.000 Zuschauer anwesend waren.
Ich bemerke rechts von mir einen Fluminense-Fan,
aber selbst er bittet bei Anpfiff um die Rechnung. Lugui und ich beschließen
die lokale Spezialität „Kroketten“ zu probieren. Kroketten werden in Brasilien
aus Fleisch gemacht und als deutsche Spezialität angesehen. Die „Bar do Bom“ macht
diese Kroketten in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ich entdecke die Version
aus „Wasserschwein“ (Das größte Nagetier der Welt. Sicherlich exotisch.) und
Lugui bestellt Rind mit Käse. Die Kroketen sind außen krokant und haben innen
eine feingemahlene Fleischpaste. Der Geschmack begeistert mich nicht, besonders
weil nicht klar ist, was die da in den Fleischwolf geworfen haben. Die
Fleischpaste erinnert eher an Babynahrung.
Das Bier gibt’s im Eimer.
Zur Halbzeit steht es 0:0 bei Fluminense und bei Grêmio.
Außerdem spielt auch noch São Paulo um den Einzug in den Libertadores Pokal,
hat aber das Hinspiel 5:0 gewonnen und konnte sich so eine 3:4 Niederlage in La
Paz gegen Bolivar leisten. Hier war die Spannung draußen. Lugui und ich
beschließen die Bar zu wechseln. Wir gehen gleich nebenan in die Buxixo Kneipe.
Auch sie hat mehrere Fernseher an der Wand befestigt, die heute ignoriert
werden. Ich bestelle eine kräftige Bohnensuppe mit Käsehaube und ein Bier.
In der zweiten Halbzeit beginnt Fluminense sich zu
blamieren und Friburguense geht 2:0 in Führung. Plötzlich werden Bilder aus
Porto Alegre gezeigt. „Lugui, schau mal, da ist was in Porto Alegre passiert.“.
Es werden Verletzte gezeigt, die aus dem Stadion getragen werden. Aber man
versteht nicht was wirklich passiert ist. Inzwischen weiß ich, dass die Fans
von Grêmio beim 1:0 ihres Vereins die berühmte „Lawine“, also ein gemeinsames
Herunterrennen zur Brüstung, gemacht haben. Aber die neue Brüstung hat nicht
standgehalten und so sind 10 Fans in den dahinterliegenden Graben gestürzt. Hier
Aufzeichnungen:
„Mist“, denke ich mir, „Jetzt beginnt wieder diese
unsägliche Sicherheitsdebatte.“ Im neuen Stadion von Grêmio wurden, entgegen
dem Trend die Stehplätze, sogar ohne Wellenbrecher, erhalten, um die „Lawine“
zu ermöglichen. Aber scheinbar hat man vergessen die Brüstung resistent genug
zu machen. Die Schuld wird jetzt sicherlich wieder den Fans und nicht den
Ingenieuren in die Schuhe geschoben. Ganz abgesehen davon, dass nichts passiert
wäre, wenn da kein Graben gebaut worden wäre. Leider sind Gräben zwischen
Publikum und Rasen in Brasilien Pflicht, da man eine panische Angst vor „Pitch
Invasions“ hat.
Man kann nur hoffen, dass Grêmio sich von dieser
Diskussion nicht in die Irre führen lässt und die Stehplätze beibehält. Die „Lawine“
ist eine Tradition in Porto Alegre und wurde auch im alten Stadion tausendfach
durchgeführt. Dort hat die Brüstung gehalten und nie hat sich jemand verletzt. Die
Konsequenz muss also sein, dass die Brüstung verbessert und am Besten der
Graben zugeschüttet wird.
Grêmio gewinnt schließlich im Elfmeterschießen und
trifft im Libertadores Pokal auf Fluminense. Der brasilianische Meister schafft
noch glücklich den 2:2 Ausgleich gegen Friburguense. Hier die Spiele:
Grêmio - LDU:
Fluminense - Friburguense:
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