Während die deutsche DFL in albernen Diskussionen
krampfhaft Bösewichte in deutschen Stadionkurven sucht, um ein „Sicheres
Stadionerlebnis“ zu ermöglichen, haben die Südamerikaner gestern gezeigt, was „echter“
Fußball ist. Das Finale der Copa Sulamericana – der zweitwichtigste
Vereinswettbewerb Südamerikas – zwischen São Paulo FC und Tigre endete schon
nach der ersten Halbzeit mit einem Handgemenge. Was war passiert?
Schon beim Hinspiel vor einer Woche in Buenos Aires,
das 0:0 endete, beklagten sich die Brasilianer über die sehr aggressive Gangart
der Argentinier. Der Klub Tigre stammt aus der Stadt Victoria in der Peripherie
von Buenos Aires. Er gehört eher zu den Außenseitern in der argentinischen Meisterschaft
und befindet sich im Moment auf dem vorletzten Platz. Seine Endspielteilnahme
ist also eine große Überraschung.
Beim Rückspiel in São Paulo gestern begannen die
Provokationen damit, dass die örtlichen Verantwortlichen versuchten den
Spielern von Tigres das Aufwärmen auf dem Platz zu verbieten. Grund dafür wäre,
dass das Spielfeld sehr unter dem Madonna-Konzert von vergangenem Samstag
gelitten hätte. Die Spieler von Tigres verschafften sich daraufhin gewaltsam
Zugang zum Platz.
In der ersten Halbzeit wurde dann sogar etwas
Fußball gespielt, wobei São Paulo viel besser war und verdient 2:0 in Führung
ging. Das erste Tor wurde von Lucas erzielt, der jetzt in der Weihnachtspause
zu PSG wechselt. Das Finale wurde als große Abschiedsveranstaltung für ihn
zelebriert. Im ganzen Stadion waren Spruchbänder für ihn zu sehen und er hielt
sogar nach der Siegerehrung eine Rede über die Stadionlautsprecher.
Zu diesem Zeitpunkt haben die Spieler von Tigre wohl
gemerkt, dass sie das Finale nicht mehr gewinnen können und entschlossen sich dazu
einen Abbruch zu provozieren. Die Partie wurde härter und Lucas wurde an der
Nase erwischt. Beim Gang in die Kabine, nach Abpfiff der ersten Halbzeit,
zeigte er seinem Gegenspieler den blutigen Verband. Daraufhin begann das
Handgemenge noch auf dem Platz und zog sich bis in die Katakomben.
Nach der Werbeunterbrechung zeigte das brasilianische
Fernsehen, dass die Polizei den Zugang zur Umkleidekabine der Argentinier
geschlossen hatte, was darauf hindeutete, dass irgendwas passiert war. Als die
Spieler von São Paulo wieder auf den Platz kamen, berichteten sie, dass es eine
Auseinandersetzung gegeben hätte, bei der die Argentinier versucht hätten ihre
Umkleidekabine zu stürmen.
Dann kam auch der Schiedsrichter zurück auf den
Platz, aber von Tigre weit und breit keine Spur. Es vergingen 20 Minuten, dann
30 und kein Lebenszeichen der Argentinier. Ich fühlte mich unweigerlich an das
umgefallene Tor in Madrid 1998 erinnert. Auch damals mussten die Kommentatoren
Schwerstarbeit verrichten, um die Zeit ohne Spiel zu überbrücken. Nach 45
Minuten beschloss der Schiedsrichter das Finale zu beenden und erklärte São
Paulo zum Sieger.
Während sich die brasilianischen Medien über die
Argentinier lustig machen und sie als Angsthasen bezeichnen, ergibt sich in der
argentinischen Presse ein anderes Bild. Dort werden Spieler von Tigre zitiert,
die sich beklagen, dass nicht sie in die Kabine von São Paulo eingedrungen sind,
sondern, dass das Sicherheitspersonal mit gezogenen Waffen die Kabine von
Tigre gestürmt hätte. Es tauchten Fotos mit Blutflecken an den Wänden der
Umkleidekabine auf. Unter diesen Umständen hätten sie beschlossen, dass die
Situation zu gefährlich sei und es deswegen unmöglich wäre das Spiel
fortzusetzen.
Ich muss zugeben, dass ich das Verhalten São Paulos
nicht als korrekt wahrgenommen habe, aber, dass sich die Situation auch nicht
als so untragbar darstellte, dass man das Finale nicht hätte spielen können.
Insgesamt stellen die Vorkommnisse dem Veranstalter, also dem
Kontinentalverband CONMEBOL, ein schlechtes Zeugnis aus. Sie müssten eigentlich
dafür sorgen, dass unparteiische und gleiche Voraussetzungen für die Endspielteilnehmer
gewährleistet sind. Die Verantwortlichen des Verbandes hatten aber zu keinem
Moment die Situation unter Kontrolle, nicht einmal bei der Siegerehrung, die
völlig chaotisch war.
Im Internet habe ich eine Zusammenfassung mit
spanisch-sprachigem - aber wahrscheinlich nicht argentinischem - Kommentar
gefunden, der São Paulo zum verdienten Sieger erklärt.
Es mag politisch völlig unkorrekt sein, aber ich
habe mich köstlich amüsiert. Der gestrige Abend war sicherlich viel besser als
jegliches „Sicheres Stadionerlebnis“.
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