Die erste Liga der Riomeisterschaft befindet sich in
der entscheidenden Phase. Am vorletzten Spieltag waren mit Vasco und Flamengo
schon zwei der Großen ausgeschieden. Somit ist ein Finale zwischen Botafogo und
Fluminense sehr wahrscheinlich. Aber Leda, Carol und ich beschlossen wieder
einmal der Glitzerwelt der ersten Liga den Rücken zu kehren und stattdessen den
Spitzenreiter der zweiten Liga - America - zu sehen.
Dazu mussten wir uns in den Ort Mesquita in der
Peripherie der Metropolregion Rio de Janeiro begeben. Mit dem Auto nimmt man
die Autobahn in Richtung São Paulo und nimmt die Ausfahrt Belfort Roxo. Dann
schlängelt man sich mühselig durch eine unglaublich schlechte Straße voller
Löcher bis zum Stadion im Stadtteil Edson Passos. Man muss sich fragen: warum
ist America hier raus gezogen?
Zu Erklärung: America ist für Rio ein wichtiger
Verein, denn er gehört zu den vier Großen der Gründerjahre: Fluminense,
Botafogo, Flamengo und eben America teilten sich die Gunst der Fans bis in die
1920er Jahre. Vasco da Gama erschien erst Ende der 20er Jahre auf der Landkarte
und konnte dann Stück für Stück America überholen. Aus meiner Sicht ist der
wichtigste Grund für diese Entwicklung eine Frage der Marktanteile: Fluminense,
Botafogo und America sind Vereine der Mittel- und Oberschicht, während Flamengo
und Vasco Klubs der Unterschicht sind. Die Oberschicht braucht einfach keine
drei Klubs.
America stammt aus dem zentrumsnahen Stadtteil Tijuca,
gleich beim Maracanã. Dort hatte man ein eigenes Stadion, aber als der Verein
nach seinem sportlichen Abstieg in den 70er Jahren das Gelände, in einer doch
relativ ertragreichen Gegend, verkaufen musste, blieb nur noch das Vereinsheim.
Deshalb machte sich America in den 90er Jahren auf eine kostengünstige
Alternative zu finden, um nicht ständig einen Platz für seine Spiele mieten zu
müssen. Diese Alternative wurde dann in Mesquita gefunden, wo der
Grundstückspreis in einer sehr entwerteten Gegend niedrig war.
So wurde am 23.01.2000 das Stadion Edson Passos mit
15.000 Plätzen, weit entfernt vom Wohnort de Fans von America, eingeweiht. Das
Stadion galt damals als Vorzeigeobjekt. Heute ist es nur noch ein Schatten
seiner selbst, da der Verein nicht wirklich davon profitieren konnte. Ein Sturm
nahm das Dach der Gegengerade mit, die seitdem geschlossen ist. Der Putz
bröckelt an allen Ecken.
Aber die Fans lassen sich davon nicht abschrecken. Fast
1.000 Zuschauer, und damit wahrscheinlich die Höchste Zuschauerzahl in unserer
Tour durch die Riomeisterschaft, wollten das Spiel des Spitzenreiters der
zweiten Liga sehen. Da merkt man dann, dass America ein Traditionsteam ist, das
noch auf eine fanatische und treue Fanmenge zurückgreifen kann.
Die Fans hatten sich auch was einfallen lassen: zum
Einlaufen der Mannschaften gab es Konfetti, Klopapier, Blockfahnen, Gesänge und
Blutroten Rauch. Eine tolle Show! Während des ganzen Spiels wurde gesungen. Die
Mannschaft bedankte sich bei den Fans mit erfrischendem Angriffsfussball, der
aber in der ersten Halbzeit ausgekontert wurde und so Tigres 0:1 in Führung
ging. Aber America war so überlegen, dass das Spiel noch gedreht wurde.
In der
Halbzeit führten die etwas unkoordinierten Cheerleaders von America ein
Tänzchen auf.
Mir sind auch noch die Fahnen für Romario, Jorginho
und Escobar aufgefallen. Romarios Vater war Fan von America und deshalb hat der
Sohn zu Ehren des Vaters seine Karriere bei America abgeschlossen. Jorginho (Ex-Leverkusen
und Bayern) hat seine Trainerkarriere bei America begonnen und wollte aufgrund
seiner religiösen Einstellung das Maskottchen, ein Teufel, abschaffen. Ist ihm
aber nicht gelungen. Escobar ist ein berühmter Fußballjournalist, der sich
öffentlich dazu bekennt Fan von America zu sein.
Nach dem Spiel fuhren wir zurück ins Zentrum Rios.
Das ging ziemlich schnell bis zum Eingang des Rebouças-Tunnels. Dort standen
wir über zwei Stunden im Stau wegen eines üblen Unfalls, bei dem zwei
Motoradfahrer starben. Mit Heißhunger kamen wir in Botafogo im Restaurant
Joaquina an und bestellten Rippchen. Sehr lecker, wenn ich auch sagen muss,
dass ich sogar schon bessere, zum Beispiel im Escondidinho oder im Cachambeer,
gegessen habe.
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