Noch vom 14. Spieltag stand die Begegnung Flamengo :
Atlético – MG aus, die damals wegen Unbespielbarkeit des Platzes verschoben
wurde. Das Aufeinandertreffen gewann in der Zwischenzeit sehr an Brisanz, denn
während jetzt nach 26 Spieltagen Atlético – MG um die Tabellenspitze kämpft,
versucht Flamengo den Abstieg abzuwenden.
Doch ein weiterer Faktor der Dramatik ist eine
seltsame Verbindung von zwielichtigen Geschehnissen zwischen den beiden Klubs.
Da ist zunächst der Superstar Ronaldinho Gaúcho, der 2011 als großer
Hoffnungsträger und spektakuläre Neuverpflichtung von Milan zu Flamengo
wechselte. Doch er konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen und
produzierte stattdessen negative Schlagzeilen.
Da ist zum einen sein Bruder und Manager Assis, der
dabei erwischt wurde, wie er Trikots im Fanshop von Flamengo stahl. Zum anderen
kamen Gerüchte auf, dass Ronaldinho im Trainingslager unerlaubten Damenbesuch
bekam, was er und die Vereinsführung durchgehend leugneten. Doch dann wurden
die Videobänder der hotelinternen Überwachungskameras der Presse zugespielt und
überführten Ronaldinho. Nachdem sich der erhoffte Erfolg nicht einstellte
wechselte Ronaldinho Gaúcho Anfang 2012 zu seinem jetzigen Verein und heutigen
Gegner Atlético – MG, mit dem er um den brasilianischen Meistertitel spielt.
Schon länger her ist der Fall des Torwarts Bruno,
der in der Jugend von Atlético – MG ausgebildet wurde, aber bei Flamengo zum
Star wurde. Er wurde 2010, als Spieler von Flamengo, Vater des Kindes der
Pornodarstellerin Eliza Samudio, die im selben Jahr, nachdem sie Alimente
einforderte, auf der Fazenda von Bruno in Minas Gerais verschwand (Atlético –
MG ist aus Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais).
Heute geht die Polizei davon aus, dass sie ermordet wurde und Bruno der
Auftraggeber war. Er sitzt seitdem im Gefängnis und wartet auf den Prozess.
In den letzten Wochen kamen Gerüchte auf, dass die
Präsidentin von Flamengo und Stadträtin von Rio, Patrícia Amorim, in ihrem
Stadtratsbüro Kollegen von Flamengo beschäftigt. Wenn sich die Anschuldigungen
bestätigen, dann heißt das, dass sie mit öffentlichen Geldern Personen, die im
Verein ehrenamtliche Ämter übernahmen, bezahlt. Man muss dazu wissen, dass
Flamengo in Brasilien die Meinung spaltet: entweder man ist Fan und liebt den
Klub, oder man hasst ihn. Es gibt keinen Mittelweg. Unter den Flamengohassern
hat der Verein das Image ein Gangsterklub zu sein, der zum Beispiel
Schiedsrichter korrumpiert. Die aktuellen Anschuldigungen gehen jedoch weit
darüber hinaus. Irgendwie scheinen sich die Vorurteile zu bestätigen. (Da reit
sich der von Andrew Downie beschriebene Vorgang nahtlos ein: http://andrewdownie.wordpress.com/2012/09/03/two-weeks-into-yet-another-new-fresh-start-adriano-misses-training-at-flamengo/)
Für Flamengo wäre es besonders bitter sollte Atlético
– MG mit Ronaldinho heute gewinnen, der so den ehemaligen Klub definitiv in
Abstiegskampf stürzen würde. Die Vereinsführung reagierte und legte den Eintrittspreis
auf €2, statt sonst €20 fest, um das Stadion selbst an einem Mittwochabend voll
zu bekommen. Die Mischung aus Sonderangebot und, durch die Medien, aufgeheizter
Stimmung hatte Erfolg. Alle 38.000 in Rio erhältlichen Eintrittskarten wurden
verkauft. Nur im Gästeblock sah man Lücken. Ein Freund sagte zu mir vor dem
Spiel: „Schau an, was man mit Hass nicht alles erreichen kann.“
Das Spiel wurde dementsprechend giftig geführt.
Ronaldinho wurde bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen und bekam nichts auf die
Reihe. Flamengo war in der ersten Halbzeit haushoch überlegen und kam in der
21. Minute durch Vagner Love mit einem sehenswerten Fallrückzieher verdient zur
Führung.
Vor dem Spiel wurden tausende Trillerpfeifen
verteilt, um Ronaldinho auszupfeifen. Das rächte sich gleich zu Beginn der
zweiten Halbzeit, denn die Spieler von Flamengo dachten, dass Jô im Abseits war
und blieben stehen. So kam Atlético – MG zum unverdienten Ausgleich. Doch nur fünf
Minuten später erzielte Liédson den 2:1 Siegtreffer für Flamengo. Die aufgeheizte
Stimmung führte noch zu zwei Rudelschubsereien in deren Folge der
Schiedsrichter den Neunationalspieler Réver von Atlético – MG vom Platz
stellte. Die Fans schrien genüsslich „Ronaldinho – Flamengo braucht dich nicht!“.
Nach dem Spiel, also etwa um Mitternacht, drängten
sich die knapp 40.000 Zuschauer durch die engen Straßen von Engenho de Dentro
und offenbarten die strukturellen Probleme des Stadions an diesem Ort. Der
Zugang zur Bahnstation war hoffnungslos verstopft, was zu einigen kritischen
Momenten führte. Kurz hörte ich Elektroschocks des Sicherheitspersonals.
Mit dem Ergebnis verschafft sich Flamengo Luft im
Abstiegskampf. Innerhalb zwei Wochen muss das Team gegen die drei Erstplatzierten
spielen und hat in diesen Duellen schon vier Punkte gewonnen. Am Sonntag kommt
es zum Derby gegen Fluminense. Atlético – MG muss die Meisterschaftshoffnungen
vorerst etwas dämpfen.
Ronaldinho Gaúcho wird ausgepfiffen.
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