Die vierte brasilianische Liga, Serie D, ist, mit
etwa einem Monat Verspätung, in ihre entscheidende Phase getreten. Die vier
Aufsteiger in die dritte Liga werden in Play-Offs ermittelt, das heißt, dass
alle Halbfinalisten aufsteigen. Dieses Jahr hat es auch eine Mannschaft aus dem
Bundesstaat Rio de Janeiro bis ins Viertelfinale geschafft: Friburguense. Ich
denke mir, dass Play-Offs der vierten Liga der Ort sind, an dem Fußball noch richtig
gelebt wird. Und so fasse ich den Entschluss die etwa drei Stündige Fahrt in
das Städtchen Nova Friburgo in die Berge hinter Rio de Janeiro anzutreten.
Friburgo war Anfang 2011 in die Schlagzeilen
geraten, da sich dort aufgrund massiver Niederschläge Schlammlawinen
entwickelten, die etwa 1.000 Menschen unter sich begruben. Man sieht bis heute
die Wunden, die diese Tragödie in den Hängen hinterlassen hat.
Doch plötzlich kann der lokale Fußballklub etwas
Freude in die 180.000-Einwohner-Stadt bringen. Dummerweise hat Friburguense das
Hinspiel gegen CRAC in Catalão mit 0:2 verloren, so dass im Rückspiel ein Sieg
mit drei Toren Unterschied nötig wurde. Als ich am Stadion Eduardo Guinle
ankomme ist es schon ziemlich kühl geworden, immerhin liegt die Stadt auf über
1.000m Höhe. Auf der Straße sehe ich nur etwa 20 Fans. Ich gehe zum
Presseeingang, eine schwere Eisentür, und klopfe. Tatsächlich öffnet mir ein älterer
Herr und bittet mich herein. Er stellt sich als Darli Bomba vor und erklärt mir
freundlich die Wege im Stadion: „Du hast Zugang zu allen Tribünen. Fühl dich
wie zu Hause.“
Das Stadion besteht aus einer Haupttribüne und einer
halben Betonschale in der Gegengerade, auf der sich die Radiokabinen befinden. Dafür,
dass Friburgo Fußballperipherie ist, ist das Stadion ziemlich groß. Aber man
sieht ihm die fehlende Instandhaltung an. Hinter einem Tor hat sich schon die
örtliche Torcida Organizada, also der Fanklub, breit gemacht und versucht ein
paar Lieder anzustimmen. Es handelt sich um etwa zwei Dutzend 15-jährige, die
sich nicht wirklich über den Rhythmus einig sind.
Ich gehe hinauf in die Radiokabinen und treffe
Carlos, den Sportreporter der lokalen Zeitung.
„Ich war schon beim Hinspiel in Catalão“, erzählt er
mir. „Die Stadt hat keinen Flughafen. Man muss bis Goiânia fliegen und nimmt
dann den Bus, um die restlichen 200km zurückzulegen.“
„Das muss ja dann eine ganz schöne Einöde sein.“,
antworte ich.
„Nein, überhaupt nicht. Die Stadt ist reich. Dort
gibt es mehrere Hochöfen der Schwerindustrie, außerdem haben John Deere und
Mitsubishi ihre Werke in Catalão. Man lebt also nicht von der Landwirtschaft,
wie das sonst in Goiás üblich ist. Der Präsident des Vereins CRAC ist auch der
Bürgermeister und steckt pro Monat etwa €250.000 in die Mannschaft.“
„€250.000? Dann ist Friburgo heute Außenseiter.“
„Ja, sicherlich, aber wir schaffen das noch.“
Carlos ist optimistisch. Ich habe so meine Zweifel.
Es sind etwa 1.000 Zuschauer gekommen, was für Friburgo eine große Kulisse ist.
Aber schon nach drei Minuten fällt das 1:0 Billardtor. Die Zuschauer sind aus
dem Häuschen und schreien den Spitznamen ihres Teams: „Frizão, Frizão!“ Danach
geht es Knall auf Fall mit zwei fast identischen Toren nach Ecken und in der
20. Minute steht es schon 3:0. Ich kann es kaum glauben, damit wäre Friburgo in
der dritten Liga. Doch etwa in der 30. Minute gelingt CRAC ein schneller
Konter, den sie zum 3:1 Pausenstand nutzen. Was für ein Spiel!
Die beiden Mannschaften kommen zur zweiten Halbzeit
zurück und Friburgo veranstaltet Einbahnstraßenfußball auf das Tor von CRAC um
das erlösende vierte Tor zu erzielen. CRAC kommt überhaupt nicht mehr aus der
eigenen Halbzeit und verlegt sich auf Zeitspiel. Immer lauter werden die wüsten
Beschimpfungen der Zuschauer: „CRAC – ihr steht unter Drogen!“. Erst Mitte der
zweiten Halbzeit erhält der Torwart die gelbe Karte für Zeitspiel. Inzwischen
ist jegliche Linie aus dem Spiel verschwunden und Friburgo weiß sich nur noch
mit hohen langen Bällen in den Strafraum zu helfen. In der 92. Minute knallt
dann noch ein Verzweiflungsschuss an den Pfosten. Das war die große Chance,
doch dann pfeift der Schiedsrichter ab. Es hat nicht sollen sein.
Das ist auch Schade für mich, denn im Stadion gibt
es eigentlich eine sehr schöne Kneipe mit verschiedenen Biersorten, denen aber
niemand einen Blick würdigt. „Hier hätte eine schöne Party stattfinden können.“,
denke ich mir. Aber so streben alle nur zum Ausgang und fahren heim. Die
Temperatur ist inzwischen auf ungemütliche 14 Grad gesunken.
1 Kommentar:
das naechste mal kannst du mir mitnehmen und wir kippen ein paar bier in der Kneipe nachher
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