Aufgrund der Erfahrungen bei anderen Spielen kam ich
gestern sehr früh mit meinem Kollegen Reinhard vom Ballesterer am Maracanã an.
Es war aber genau rechtzeitig, um die erste Runde der Demos am Stadion
vorbeiziehen zu sehen. Es war etwa 13.00h und etwa 5.000 Demonstranten brachten
friedlich ihre Anliegen vor. In Rio sind Themen wie Zwangsräumung von
Armenvierteln und die Privatisierung des Maracanã große Themen für die Demonstranten.
Insgesamt hatte ich aber den Eindruck, dass die
Demos an Kraft verloren haben. Es trifft sich nur noch ein kleiner Kern. Man
sieht auch, dass Organisationen, wie die Landlosen Bewegung MST und die
Linkspartei PSTU wieder mitmarschieren. Insgesamt handelte es sich aber aus
meiner Sicht um eine gemäßigte Gruppe.
Wir schlossen
unsere Ausrüstung im Media Center weg und beschlossen erst einmal zu Mittag zu
essen. Die Bar Varnhagen ist da eine hervorragende Adresse. Sie liegt nur etwa
fünf Minuten Fußweg vom Stadion entfernt, schenkt Bier aus und bietet bodenständige
Gerichte. Die anderen Gäste verfolgten gerade das Spiel um den 3. Platz, das
Italien im Elfmeterschießen gewann, als wir Schweineschnitzel bestellten.
Von dort machten wir uns auf den Weg zum Saens Pena
Platz, denn es war noch eine zweite Demo angekündigt. Ich würde schätzen, dass
es sich diesmal um noch weniger Teilnehmer handelte. Außerdem konnte man
diesmal den schwarzen Mob erkennen. Die Stimmung war aggressiver, als bei der
ersten Demo des Tages. Der Marsch setzte sich in Bewegung und wir gingen zum
Maracanã zurück.
Dort hatten sich inzwischen unfassbare Polizeimassen
aufgestellt. In der lokalen Presse wurde vermeldet, es würde sich um etwa
11.000 Beamte halten. Selbst ein Caveirão, also ein gepanzertes Fahrzeug, mit
dem in Favelas operiert wird, war zu sehen.
Als wir auf der Tribüne Platz nahmen konnten wir den
Blick ins weite Rund genießen. Heute war es anders. Die brasilianischen Fans
waren gut gelaunt und schafften es Atmosphäre in das majestätische Stadion zu
zaubern. Ein erster Gänsehautmoment war dann das Singen der Hymnen. Die
brasilianische Hymne wurde unterbrochen, doch die Fans und das Team sangen „a
Capella“ weiter. Das war ziemlich stark und hat wahrscheinlich einen sehr einschüchternden
Effekt auf den Gegner. Es hat mich an den Haka der neuseeländischen
Rugbynationalmannschaft erinnert.
Danach legte Brasilien los wie die Feuerwehr. Schon
in der zweiten Minute erzielte Fred das 1:0. Aggressives Pressing und
überfallartige Angriffe brachten die Spanier total aus dem Konzept. Trotzdem
fand Spanien noch in der ersten Halbzeit wieder ins Spiel und wäre fast zum
Ausgleich gekommen, wenn David Luiz den Ball nicht in unglaublicher Art und
Weiße noch über die Latte gelenkt hätte. Felipão erklärte diese Situation später
zum spielentscheidenden Moment. Danach gelang Neymar die Vorentscheidung.
In der zweiten Halbzeit erzielte Fred das 3:0 und
Sergio Ramos verschoss (mal wieder) einen Elfer. Als Piqué mit Rot vom Platz
geschickt wurde, schrie im die Menge „Shakira, Shakira“ entgegen. Insgesamt
waren die 73.000 brasilianischen Fans extrem gut aufgelegt. Zum Hit des Abends
wurde: „Der Meister ist zurück“ (O campeão voltou). Das Spiel hatte einfach
Alles, was ein gutes Match braucht.
In der anschließenden Pressekonferenz zeigte sich
zunächst Del Bosque etwas mürrisch, wollte aber den Reiseeffekt trotzdem
herunterspielen. Spanien musste am Donnerstag im Halbfinale eine Verlängerung
in Fortaleza spielen und konnte dann nicht mehr, wie gewünscht, sofort nach dem
Spiel die drei Stunden Flugreise nach Rio antreten. So verlor man den
Entspannungstag am Freitag und musste am Sonntag schon das Finale bestreiten.
Brasilien hingegen konnte schon am Mittwoch gemütlich von Belo Horizonte (1
Flugstunde) nach Rio kommen.
Die brasilianische Presse war dann bestens gelaunt
und wollte von Felipão nur Kommentare zum Sieg hören. Die kritischen Zwischentöne
kamen von englischen Journalisten. Einer ging so weit zu sagen, dass genug
Militär auf der Straße wäre, um Paraguay einzunehmen. Felipão reagierte
verschnupft: „Ich kann das nicht kommentieren. Kümmern sie sich um ihr eigenes
Land. Was ist vor Olimpia in London passiert?“
Als wir aus der Pressekonferenz gingen stellten wir
fest, dass das Tor zum Spielfeld offen stand. Wie Kinder stürzten wir uns auf
den heiligen Rasen und schossen Fotos aus allen möglichen Blickwinkeln. Was für
ein großes Finale!
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