Während des Confed-Cups hatte ich die Gelegenheit 7 WM-Städte vorzustellen. In den nächsten wochen werde ich die verbleibenden 5 beschreiben. Den anfang macht Porto Alegre.
Die Stadt
Die Einwohner des südlichsten Bundesstaates Brasiliens Rio Grande do Sul
und dessen Hauptstadt Porto Alegre stehen im Ruf, etwas eigen zu sein. Das
liegt zum einen an einer langen Geschichte mit Abspaltungsbemühungen, die
zwischen 1835 und 1845 in einem Unabhängigkeitskrieg gipfelten, zum anderen an
den vielen deutschen und italienischen Einwanderern. Die „Gaúchos“, wie die
Einheimischen genannt werden, empfinden ihre Region als den europäischsten Teil
Brasiliens. Aufgrund der italienischen Weinbaugebiete im Gebirge sowie diversen
Orten, deren Erscheinungsbild von Fachwerk geprägt ist und die insofern an
Deutschland erinnern, kam in Porto Alegre die Ansicht auf, während der WM 2014
Nationalmannschaften aus diesen Ländern besonders gut beherbergen zu können.
Deutsche und Italiener würden sich in Rio Grande do Sul wohl fühlen, weil die
Region ähnlich ihrer Heimat sei. Das könnte sich allerdings als Trugschluss
erweisen, denn ein deutscher Tourist sucht in Brasilien vermutlich eher tropische
Strände, Sonne und Hitze – und all das wird er in Porto Alegre nicht finden.
Denn die Stadt liegt nicht am Meer sondern an einem Fluss, und das Klima im
Juli ist ziemlich kalt. Die Temperaturen können sogar mal unter den
Gefrierpunkt fallen.
Es wäre also sinnvoller, sich auf die regionalen Qualitäten und
Besonderheiten zu konzentrieren, denn da hat Porto Alegre ausgesprochen viel zu
bieten. Berühmt wurde die Stadt als mehrfacher Austragungsort des
Weltsozialforums. Dabei spürt man auch Porto Alegres liberalen und progressiven
Geist, der einen Gegenentwurf zum mondänen Davos und auch zu vielen
brasilianischen Städten darstellt.
Im Stadtzentrum gibt es interessante Museen und ein aufregendes Nachtleben.
Ein beliebter Treffpunkt ist die Markthalle Mercado Público, in der auch die
sogenannten Gaúcho-Produkte offeriert werden. Vom Pferdesattel bis zu
Cowboy-Stiefeln, vom Poncho bis zum Jagdmesser ist hier alles zu finden.
Besonders interessant sind Mate-Kräuter, die mit heißem Wasser aufgegossen und
dann mit Trinkrohren aus leeren Kürbisschalen getrunken werden. Das erinnert
sehr an die Kultur der südlichen Nachbarn Uruguay und Argentinien.
Porto Alegre ist eine moderne und gut entwickelte Metropole. Um die
Gaúcho-Kultur zu erleben, fährt man entweder in eines der Zentren der
Gaúcho-Traditionen (CTG) oder gleich in die Campanha Gaúcha, also ins
Landesinnere. Beim Durchqueren des Serra Gaúcha-Gebirges mit den deutschen
Dörfern Gramado und Canela und den Weinanbaugebieten gelangt man im nördlichen
Rio Grande do Sul in den Nationalpark Aparados da Serra mit seinem
beeindruckenden Canyon und den Wasserfällen. Die Küstenregion mit ihrem
Vogelreichtum verspricht unterdessen ein besonderes Naturerlebnis.
Die Küche der Region wird von den Gaúchos und den Einwanderern geprägt.
Aushängeschild ist das Grillfleisch Churrasco. Große Fleischstücke werden auf
Spießen über das Feuer gelegt und im halb garen Zustand gegessen. In Rio Grande
do Sul wird das Fleisch nur mit Salz gewürzt. Außer Rind wird auch Schwein,
Hähnchen, manchmal auch Schaf und Wild gegrillt. Dazu gibt es eine
Vinaigrettesauce, Radicchio-Salat, karamelisierte Süßkartoffeln, Reis und
Bohnen. Arroz de Carreteiro ist ein mit getrockneten Fleischstückchen
(„Charque“) vermischter Reis. Zum Probieren geht man am besten in ein
Grillrestaurant Churrascaria oder in eines der Zentren der Gaúcho-Traditionen.
Die italienischen Einwanderer betreiben zahlreiche Galeterias, also
Hähnchenbuden, und Pizzerien in der Region. Die deutsche Küche mit ihren
Würsten und dem Sauerkraut findet man dagegen vornehmlich im Hinterland. Dort
gibt es auch Cuca, eine Verbrasilianisierung des deutschen Wortes „Kuchen“. Im
Winter wird an jeder Ecke Glühwein gereicht, der Quentão genannt wird. Rio
Grande do Sul ist das einzige Weinanbaugebiet Brasiliens. Inzwischen wurden
zudem diverse Kleinbrauereien gegründet, die leckeres Bier herstellen.
Schließlich gibt es eine reiche Auswahl an Fischgerichten wie Corvina oder
Tainha, die in den Restaurants im Mercado Público gereicht werden.
Der Fußball
Man sagt, dass es in Porto Alegre die größte Rivalität bei einem Stadtderby
in Brasilien gibt. Das Spiel zwischen Grêmio
und Internacional hat sogar einen
eigenen Namen: Gre-nal. So verwundert
es auch nicht, dass zwischen den beiden Klubs schon lange ein Wettbewerb um das
größere und schönere Stadion herrscht. 1969 konnte Internacional mit der Eröffnung des über 100.000 Personen fassenden
und wunderschön am Fluss gelegenen Beira Rio seinen Rivalen ausstechen. Das
Stadion wurde auch für die WM 2014 ausgewählt und wird dafür runderneuert. Da
konnte Grêmio freilich nicht hinten
anstehen und beschloss, sein Olímpico zu verlassen und vor den Toren der Stadt
ein neues Stadion zu errichten. Schon Inters
erstes Stadion Eucaliptos war Bühne für zwei WM-Spiele. 1950 fanden dort die
Begegnungen zwischen Mexiko und Jugoslawien (1:4) sowie Mexiko und der Schweiz
(1:2) statt. Das Stadion ist heute jedoch leider nur noch eine Ruine und wird
wohl bald Appartementhäusern weichen.
Grêmio und Internacional
gehören zu den 13 großen Vereinen Brasiliens. Grêmio wurde 1903 von überwiegend deutschstämmigen Brasilianern
gegründet. In Restbrasilien gilt der Verein als „unbrasilianisch“, und es wird
ihm regelmäßig vorgeworfen, einen unfairen Kraftfußball zu spielen. Der Verein
und seine Anhänger grenzen sich ihrerseits aber auch gerne vom Rest Brasiliens
ab und sind stolz darauf, dass das Hellblau ihrer Trikots an Uruguay und
Argentinien erinnert. In den letzten Jahren sind verschiedene Fanklubs dazu
übergegangen, Lieder aus Argentinien zu singen.
2004 stieg Grêmio in die zweite
brasilianische Liga ab. Im folgenden Jahr benötigte man im letzten Spiel bei Náutico Recife lediglich ein
Unentschieden für den Wiederaufstieg. Kurz vor Schluss entstand aufgrund eines
unberechtigten Elfmeters für Naútico ein Tumult, und drei Grêmio-Spieler wurden des Feldes verwiesen. Als das
Spiel nach über 20 Minuten endlich wieder angepfiffen werden konnte, verschoss Náutico den Elfmeter und Grêmio konnte auf unglaublich Art und
Weise im Gegenzug den 1:0-Siegtreffer erzielen. Das Spiel ging als die
„Schlacht der Beklemmung“ („Aflitos“, Name des Stadions in Recife) in die
Geschichte ein.
Der 1909 gegründete SC Internacional
gilt als schön spielender Arbeiterverein, bei dem schon früh dunkelhäutige
Spieler zugelassen wurden. Sein Name ist eine Art Protest gegen die abgrenzende
Aura von Grêmio. Inter wollte jedermann aufnehmen. Berühmt wurde vor allem die
Mannschaft um Nationalspieler Falcão in den 1970er Jahren. Seine größten
Erfolge feierte der Verein jedoch erst kürzlich mit zwei
Copa-Libertadores-Siegen sowie dem Gewinn des Weltpokals.
Grêmio Foot-Ball Porto Alegrense
Gegründet: 15. September 1903
Trikots: blau-weiß-schwarze Hemden, schwarze Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 36 Mal
Brasilianischer Meister: 1981, 1996
Brasilianischer Pokal: 1989, 1994, 1997, 2001
Copa Libertadores: 1983, 1995
Weltpokal: 1983 (2:1 gegen den HSV)
Wichtige Spieler: Renato Gaúcho,
Ronaldinho Gaúcho
Internet: www.gremio.net
Sport Club Internacional
Gegründet: 4. April 1909
Trikots: rote Hemden, weiße Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 41 Mal
Brasilianischer Meister: 1975, 1976, 1979
Brasilianischer Pokal: 1992
Copa Libertadores: 2006, 2010
Weltpokal: 2006
Wichtige Spieler: Falcão, Taffarel, Dunga, Lúcio, Pato
Internet: www.internacional.com.br
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