Wie schon erwähnt wird die brasilianische
Meisterschaft nicht wegen so einer Lappalie wie der WM-Qualifikation
unterbrochen. Noch dazu, wenn Brasilien schon qualifiziert ist. Das
brasilianische Fernsehen schafft es sogar die WM-Quali aus Europa, Asien und
Nordamerika zu übertragen, zeigt aber kein einziges Spiel aus den
Nachbarländern. Als ich am Dienstagabend den Knüller Chile – Argentinien
genießen wollte, musste ich mit Klinsis US-Boys gegen Guatemala vorlieb nehmen.
Die Argentinier kamen auch ohne meine wachsamen
Augen zurecht und führen die südamerikanische Qualifikation souverän an.
Kolumbien, Ekuador und besonders Venezuela präsentieren sich ebenfalls
überraschend stark. Uruguay hingegen zeigt ungewohnte Schwächen. Die Enttäuschung
ist jedoch bisher das schwache Abschneiden der paraguayischen Nationalelf.
Während sich die südamerikanischen Rivalen erst noch
auf heimischen Äckern qualifizieren müssen, kann die brasilianische Auswahl
lockere Freundschaftsspiele in modernen Fußballarenen genießen. Am Dienstag
stand man der japanischen Nationalmannschaft im EM-Stadion von Breslau
gegenüber. Der europäische Spielort wird gewählt, um 1. vom Veranstalter dafür
bezahlt zu werden (Ja, der brasilianische Verband verkauft die Spiele seiner
Nationalmannschaft) und 2. um den in Europa tätigen Profis lange Wege zu
ersparen.
Der Glamour der Seleção scheint aber auf dem 14. Platz
der FIFA-Rangliste zu verblassen, denn das Stadion blieb halb leer. Dabei war
das Spiel gar nicht so schlecht. Man kann langsam ein Gerüst für die Mannschaft
erkennen, die 2014 auflaufen soll. Brasilien hat mit Thiago Silva und David
Luiz eine Betonabwehr und vorne dirigiert jetzt Kaká wieder die Angriffsraute
mit den filigranen Oscar und Neymar und dem Brecher Hulk. Das Ergebnis war ein
4:0 über den 23. der FIFA-Rangliste, also ein deutlich ernst zu nehmender
Gegner als China oder der Irak.
Schon einen Tag danach fand der 31. Spieltag der
brasilianischen Meisterschaft statt, der stark unter dem Eindruck der
Länderspiele stand. Im Engenhão in Rio de Janeiro wurde das Spitzenspiel zwischen
Fluminense und Grêmio ausgetragen. Grêmio mit Zé Roberto war zum Sieg verdammt,
wenn man nochmal in den Meisterschaftskampf eingreifen wollte. Beide
Mannschaften mussten zunächst auf ihre Nationalspieler Thiago Neves
(Fluminense, Brasilien), Fernando (Grêmio, Brasilien) und Marcelo Moreno
(Grêmio, Bolivien) verzichten, die aber schon auf der Bank saßen.
Die Brisanz des Spiels und der gesenkte
Eintrittspreis führten zu einer guten Kulisse von 35.000 Zuschauern. Diese
sahen ein exzellentes, sehr taktisches Spiel, das von den Abwehrreihen geprägt
war. Während Grêmio kommen musste, war ein Unentschieden für Fluminense genug.
In der ersten Halbzeit neutralisierten sich die vorsichtig agierenden Kräfte
und man ging mit 0:0 in die Kabinen.
Die zweite Halbzeit wurde atemberaubend. Zunächst
gelang Elano (Ex-Nationalspieler und Shaktar) ein fantastisches Freistoßtor,
indem er einen flachen Ball sanft unter der Mauer ins lange Eck schoss. Aber
schon drei Minuten später konnte Fluminense durch Digão nach einer Ecke
ausgleichen. Es war, als ob der Riese gereizt wurde und jetzt zurückschlägt.
Rafael Sóbis schnappte sich im Mittelfeld den Ball und ballerte aus etwa 30m
eine Rakete zum 2:1 für die Hausherren ins gegnerische Tor.
Direkt im Anschluss kam es zu einer kuriosen Szene.
Der gerade aus La Paz zurückgekehrte bolivianische Nationalstürmer Marcelo
Moreno wurde von Grêmios Trainer Wanderley Luxemburgo eingewechselt, um das
Spiel doch noch zu drehen. Moreno kam aufs Feld, verpasste Rafael Sóbis einen
Ellbogencheck und sah Rot dafür. Mit knapp einer Minute Spielzeit und ohne den
Ball berührt zu haben war er schon wieder runter vom Platz.
Die Fans von Fluminense waren dem Delirium nahe,
denn mit einem Mann mehr auf dem Platz schien der Sieg sicher. Auch Fluminense
brachte mit Thiago Neves einen Spieler, der wohl direkt vom Flughafen ins
Stadion gekommen war, nachdem er gestern noch kurz gegen Japan gespielt hatte. Er
brachte gute Akzente, konnte aber trotzdem das 2:2 Abstaubertor von Zé Roberto
nach einem Freistoss nicht verhindern. Zeitgleich spielt Atlético – MG 2:2 in
Santos und so konnte Fluminense seinen neun Punkte Vorsprung halten.
Am Sonntag kommt es zum direkten Aufeinandertreffen
der beiden Erstplatzierten. Ich werde in den Wasserkurort Águas de Lindóia
verreisen und versuchen von dem Spiel Ponte Preta – Santos in Campinas zu
berichten.
Aufstellung Brasilien:
Diego Alves; Adriano,
Thiago Silva, David Luiz, Leandro Castan; Ramires, Paulinho, Oscar, Kaká; Hulk,
Neymar.
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