Das Leben ist einfach zu schön um wahr zu sein. Der
gestrige Superclássico hat das mal wieder eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Welche
Vorurteile fallen uns ein, wenn wir an Südamerika denken? Unorganisiert, schlampig
aber auch sexy? Das sind natürlich unzulässige Verallgemeinerungen und es gibt
große Unterschiede zum Beispiel zwischen Argentiniern und Brasilianern. Aber
das Duell Argentinien – Brasilien fügte sich bestens in viele dieser Vorurteile
ein, denn das Spiel fand nicht statt!
Was war passiert? Brasilien hatte das Hinspiel 2:1
gewonnen, somit war jetzt ein Unentschieden genug, um den Copa Roca zu
gewinnen. Das Rückspiel sollte in Resistencia, einer Provinzhauptstadt in
Argentiniens Norden stattfinden. Dies geschah auf Geheiß der Präsidentin
Christina Kirchner, die dem dortigen Gouverneur einen Gefallen tun wollte. Die
beste Mannschaft aus Resistencia spielt in der vierten Liga, trotzdem wurde das
Stadion erst kürzlich komplett renoviert und auf 25.000 Plätze erweitert.
Somit machten sich die beiden Mannschaften und ihre
Fans mitten in den Endphasen der jeweiligen nationalen Meisterschaften aufgrund
von lokaler politischer Vetterleswirtschaft auf den beschwerlichen Weg nach
Resistencia. Es wurde berichtet, dass die Stadt nicht einmal genug Hotelbetten
hatte. Das Stadion füllte sich, die Spieler machten sich warm und liefen wie geplant
zu den Hymnen ein. Alles lief nach Plan. Doch mit dem Ende der Hymnen, endete
auch die Stromkapazität des gerade erst renovierten Stadions. Plötzlich standen
alle im Dunkeln.
Der
Schiedsrichter wartete eine knappe Stunde und beschloss dann im Einvernehmen
mit den Mannschaftsvertretern das Spiel abzusagen. Die Fernsehanstalten mussten
erst das Nichts kommentieren (was mich an das „gefallenen“ Tor von Madrid,
1998, erinnert) und dann schnell ihr Programm umstellen. Ärgerlicher ist jedoch
die Situation für die in Brasilien aktiven Spieler, denn diese Länderspiele
außerhalb der offiziellen FIFA-Daten sind für sie die einzige Möglichkeit, um
sich noch für die WM im eigenen Land zu empfehlen.
Aber auch die jetzt nutzlose Reise ist für sie eine
Last. Ich habe am Sonntag darüber geschrieben, dass Fluminense in der zweiten
Halbzeit gegen Flamengo physisch eingebrochen ist. Unter anderem wurden die
Leistungsträger Thiago Neves und Wellington Nem verletzt ausgewechselt. Beide
Spieler wurden für den Superclássico gegen Argentinien in die
Nationalmannschaft berufen. Kann es sein, dass die „Verletzung“ Berechnung war,
um die Spieler nicht abstellen zu müssen? Zumindest Thiago Neves lief dann aber
doch im Startaufgebot auf.
Zuletzt ist die ganze Situation aber natürlich auch
für die Fans, die Eintritt und Reise bezahlt haben, ärgerlich. Der brasilianische
Fußballverband hat schon signalisiert, dass es zumindest 2012 kein
Ausweichdatum mehr für den Superclássico gibt. Deswegen wird wahrscheinlich
Brasilien zum Sieger des Copa Roca erklärt. Glorreiche Siege sehen anders aus.
Der Zufall wollte es, dass ich die ganze Blamage gar
nicht live verfolgte. Der deutsche Konsul in Rio de Janeiro hatte zum Tag der
deutschen Einheit in seinen Wohnsitz geladen. Der Empfang sollte um 22.00h (also
dem Anpfiff des Spiels) enden und ich hatte geplant das Spiel in einer nahe gelegenen
Kneipe anzuschauen. Aber die Party war so gut, dass ich die Zeit vergaß. Im
Nachhinein muss ich sagen: Gott sei Dank!
Im Übrigen wird nächstes Jahr in Brasilien das
Deutschlandjahr gefeiert, bei dem es einen intensiven kulturellen Austausch
zwischen den beiden Ländern geben soll. Das läuft auch nicht immer so
reibungslos und gut organisiert über die Bühne, wie man hier nachlesen kann: http://www.spiegel.de/politik/ausland/deutschland-bild-in-brasilien-streit-um-karnevals-kooperation-a-857826.html. Aber immerhin funktionierte die
Beleuchtung, denn die Christusstatue wurde gestern werbewirksam
schwarz-rot-gold angestrahlt, was auf einer Leinwand beim Empfang gezeigt wurde.
(Mehr dazu hier: http://www.fr-online.de/panorama/christus-statue-rio-de-janeiro-christus-in-schwarz-rot-gold,1472782,18097852.html).
Am Sonntag werden in ganz Brasilien Kommunalwahlen
stattfinden. Gerade in den zukünftigen WM-Städten ist das anstehende Turnier
ein wichtiges Wahlkampfthema. Das gilt besonders für Rio de Janeiro, denn hier
werden auch die Olympischen Spiele 2016 ausgerichtet werden. In Rio de Janeiro
fand deshalb eine Informationsveranstaltung statt, um unter dem Motto „Das
Maracanã gehört uns!“ über die Konsequenzen des Stadionumbaus für die lokale
Fanszene zu diskutieren. Ich hatte dabei die Gelegenheit mit Mauro Cezar
Pereira von dem Sportkanal ESPN Brasil über seine Erwartungen für die WM zu
sprechen. Hier das
Interview:
Aufstellung Brasilien:
Jefferson, Lucas Marques, Dedé, Réver, Fábio Santos;
Ralf, Paulinho, Arouca, Thiago Neves; Lucas, Neymar.
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