Es sind nun etwa zwei Monate vergangen, seit die Massenproteste
des Confed Cups begannen. Zeit also, mal die politische Landschaft zu
betrachten, um zu sehen, welche Konsequenzen es gab. Die politische Szene wird
seitdem von geradezu ungeheuerlichen Schlagzeilen erschüttert: verschiedene
Gebäude im Maracanã-Komplex, wie die Grundschule, das Freibad, das
Leichtathletikstadion und das Indianermuseum, werden erhalten bleiben und jetzt
scheint auch die Siedlung Vila Autodromo am Olympiapark bleiben zu dürfen. Hier
Berichte zu diesen Fällen:
Die Massenproteste im Juni scheinen zu einem wahren
politischen Erdbeben geführt zu haben. Ich werde versuchen die aktuelle Situation
anhand von drei Politikern zusammenzufassen.
Sergio Cabral (Gouverneur von Rio de
Janeiro)
Die Governeure stehen nächstes Jahr im Oktober
gemeinsam mit dem Präsidenten zur Wahl. Sergio Cabral ist schon in der zweiten
Amtszeit und kann sich somit nicht zur Wiederwahl stellen. Er befindet sich
also in den letzten 18 Monaten seiner Regierungszeit. Als Nachfolger hat er in
seiner Partei PMDB seinen Stellvertreter Pezão vorgeschlagen. Im Moment hat
dieser aber eher niedrige Erfolgschancen.
Der Grund dafür ist, dass Cabral scheinbar seinen
ganzen politischen Kredit in den letzten Wochen verspielt hat. Seit dem Confed
Cup zeltet eine Gruppe Unermüdlicher vor seinem Haus und wöchentlich gibt es
Demonstrationen vor dem Regierungspalast. Ihm wird vorgeworfen, dass er sich
bei seinen Entscheidungen diktatorisch und zu autoritär verhalten hätte. Gerade
der Maracanã-Komplex, mit der Grundschule, dem Freibad, dem Leichtathletikstadion
und dem Indianermuseum, gehören zu seinem Aufgabenbereich.
Hier wurden große Konflikte mit massivem
Polizeiaufgebot ausgefochten, um diese Gebäude abzureißen, damit Platz für
Parkplätze geschaffen werden kann. Im Juli gab es aber eine Kehrtwende nach der
anderen. Jetzt scheint es sogar so zu sein, dass die Indianer tatsächlich zum Wohnen ins Indianermuseum zurückkönnen. Das sieht sehr nach politischen Verzweiflungstaten
aus. Cabral scheint sich nicht mehr durchsetzten zu können. Deshalb denke ich,
dass Pezão wohl der Kandidat seiner Partei wird, aber eigentlich keine Chancen
hat.
Cabral ist ein Beispiel dafür, wie eine
Politikerkarriere erdrutschartig in zwei Wochen beendet werden kann. Er wurde 2010 mit Traumwerten wiedergewählt und jetzt muss man sich fragen, ob er je
wieder auf ein Amt kandidieren kann.
Eduardo Paes (Bürgermeister von Rio
de Janeiro)
Die Situation Von Eduardo Paes ist etwas anders,
denn er hat zwei Jahre länger Zeit, um sich zu erholen. Die Bürgermeisterwahlen
stehen erst 2016 an. Paes ist ebenso in seiner zweiten Amtszeit und kann somit
nicht wiedergewählt werden. Aber es geht ja immer auch darum welches politische
Kapital aus einem Amt in das nächste mitgenommen werden kann.
Sein größtes Problem ist im Moment, dass im Stadtrat ein Untersuchungsausschuss zum Thema des städtischen Busverkehrs eingerichtet wurde und, dass der Stadtrat nur Lobbyisten der Busunternehmen in den Untersuchungsausschuss entsand hat. Seitdem wird auch in und um den Stadtrat demonstriert. Das Thema öffentlicher Transport war eines der wichtigsten Themen der Massenproteste im Juni.
Insgesamt habe ich aber das Gefühl, dass er nicht mit der
gleichen Vehemenz in der Kritik steht, wie Cabral. Aber letzte Woche wurde gemeldet, dass die Vila Autodromo,
ein armes Fischerdorf am zukünftigen Olympiapark bleiben darf. Das Dorf ist
sicherlich im Moment nicht sonderlich hübsch, könnte aber, aus meiner Sicht,
mit geringen Ressourcen sogar zu einem touristisch attraktiven Ort mit
Fischrestaurants und Blick auf die angrenzende Lagune, aufgewertet werden. Das
war aber nie die Idee der Stadtverwaltung. Sie wollte die Vila Autodromo immer
nur platt machen und die Bewohner verjagen.
Ich sah wenige Chancen, dass diese Bewohner bleiben
könnten. Umso überraschender ist die aktuelle Nachricht. Das könnte auf einen
Einflussverlust des Bürgermeisters hindeuten. Es kann aber auch sein, dass er
einfach eingesehen hat, dass er zu viel Ansehen verliert, wenn er auf die
Vertreibung der Vila Autodromo pocht und deswegen geschickt nachgibt.
Der Gedanke dahinter könnte sein, dass er drei Jahre
Zeit hat sein verlorenes politisches Kapitel wiederzuerlangen. In diesen drei
Jahren werden in Rio die WM und die Olympischen Spiele stattfinden. Da kann
also noch viel passieren. Paes steht sicherlich besser da, als Cabral.
In jedem Fall: Glückwunsch an die Vila Autodromo!
Dilma Rousseff
(Präsidentin)
Nächstes Jahr im Oktober werden auch
Präsidentschaftwahlen stattfinden und Dilma ist Kandidatin auf die Wiederwahl.
Ihre Umfragewerte sind während des Confed Cups in den Keller gefallen. Aber sie
hat weder etwas mit den Gebäuden im Maracanã-Komplex, noch mit der Vila
Autodromo zu tun. Außerdem hat sie als Präsidentin eine ganz andere Bühne, um
sich als Konfliktmanagerin zu etablieren.
Aus meiner Sicht hat sie die Bühne genutzt. Schon am
21.06.13, also einen Tag nach den größten Demonstrationen, hat sie im Fernsehen
eine Ansprache an die Nation gehalten und dabei vier Punkte vorgeschlagen:
1.
Nationaler Plan für den Nahverkehr.
2.
Investition der Ölroyalties in die
Bildung. (am 20.08.13 verabschiedet)
3.
Anwerben von ausländischen Ärzten für
das staatliche Gesundheitssystem.
4.
Verschärfung der Antikorruptionsgesetze.
(Noch während des Confed Cups verabschiedet)
Damit zeigte
sie sich als starke Managerin, die selbst und umgehend Vorschläge einbringt.
Trotzdem zeigte sie sich auch bescheiden, indem sie sagte: „Ich höre euch.“ Der
entscheidende Satz war aber aus meiner Sicht: „Ich vertraue darauf, dass der
Nationalkongress das von mir eingereichte Gesetztesprojekt verabschieden wird,
dass vorsieht, alle Royalties aus der Ölgewinnung exklusiv der Bildung zukommen
zu lassen.”
Mit diesem
Satz macht sie zum einen klar, dass sie selbst das Gesetz gemacht hat und zwar
schon vorgeraumer Zeit, und zum anderen nimmt sie den Nationalkongress in die
Pflicht, jetzt auch zu handeln. Somit gelang es ihr Verpflichtungen
weiterzuleiten.
Ein paar Tage
später lud sie alle Gouverneure des Landes ein und verkündete vor ihnen und vor
laufender Kamera erneut die vier oben genannten Vorschläge und fügte noch einen
fünften dazu: ein Plebiszit zur Reform des politischen Systems. Daraus wird
wohl nichts. Aber es wird an dem Widerstand einiger Parlamentarier scheitern
und nicht am Willen der Präsidentin.
Insgesamt habe
ich den Eindruck, dass Dilmas Strategie aufgeht, denn ihre jüngsten
Umfragewerte steigen wieder. Sie konnte sich als starke Staatsfrau darstellen
und zeigen, dass sie Reformwillen hat, dieser aber an Gegenstimmen im
Nationalkongress scheitert. Ich denke sie ist eine aussichtsreiche Kandidatin
für die Wiederwahl.
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