Ich genieße es sehr im Moment in einer Stadt zu
wohnen, die sich auf zwei Sportgroßereignisse vorbereitet. Das führt dazu, dass
im Zuge dieser Vorbereitungen verschiedene andere Veranstaltungen nach Rio de
Janeiro kommen, die mich etwas mehr hinter die Kulissen des Fußball-Business
schauen lassen.
Diese Woche wurde zum Beispiel die größte
Fußballmesse der Welt in der Festung der Copacabana durchgeführt. Persönlich
finde ich es sehr kurios, dass so etwas, wie eine Fußballmesse existiert. Man
könnte meinen, dass man nur ein bisschen Equipment, wie Bälle, Trikots und
Schuhe braucht, und dass es natürlich den Spielermarkt gibt, der aber nicht auf
Messen stattfindet.
Deshalb mache ich mich auf, um der Frage
nachzugehen, was auf einer Fußballmesse angeboten wird. Der Zugang zur Soccerex
wurde im Hotel Sofitel am Strand der Copacabana errichtet. Wenn man die
Akkreditierung erfolgreich hinter sich gebracht hat, gelangt man über eine
extra dafür errichtete Fußgängerbrücke auf die andere Straßenseite in das
Messegelände in der Festung. Dieses besteht aus einem Großzelt mit wunderbarer
Aussicht auf den Zuckerhut und andere Sehenswürdigkeiten. Visuell hat Rio viel
zu bieten.
In der Halle haben die verschiedenen Anbieter ihre
Stände aufgebaut, zwischen denen ich etwas flaniere. Da sind zunächst die
Gastgeberstädte der WM 2014. Dann entdecke ich viele Stadionausrüster, wie
Hersteller von Stadionsitzen oder Sicherheitsequipment. Sportartikelhersteller
sind auch anwesend. Kurios fand ich die Stände von Vereinen aus Argentinien,
Brasilien und Südafrika. Verständlich ist auch, dass Sportmarketingfirmen ihre
Dienste anbieten.
Brasilien hat sich das Austragungsrecht
verschiedener Sportereignisse schon gesichert, aber andere wollen folgen und
präsentieren sich auf der Soccerex. So will die Türkei ihren Ambitionen auf die
Euro und die Olympischen Spiele mit einem prunkvollem Stand Nachdruck
verleihen. Der spanische Verband bietet seine Fußballstruktur für
Trainingscamps an. Ähnliches macht die Stadt Canoas in Südbrasilien, die zwar
kein WM-Standort ist, aber als Trainingsort für eine Nationalmannschaft bereit
steht.
Im hinteren Teil des Zeltes befindet sich ein Saal
für Vorträge und Diskussionen, wo ich eine Präsentation einiger WM-Städte
verfolge. Außerdem gibt es mehrere Lounges, Restaurants und Cafés für das
berühmte Networking. Insgesamt ist die Messe eine Gelegenheit, um Kontakte zu
knüpfen, so treffe ich mehrere ehemalige Spieler, einige Jornalisten und sogar
den Symbolfan „Bola Sete“.
Er ist ein Beispiel dafür, dass man in Brasilien
sein Geld als Fan verdienen kann. Er präsentiert sich selbst, auf Grund seines
Körperumfangs, als wandelnde Litfaßsäule. So gelingt es ihm Werbepartner zu
überzeugen in zu sponsoren, wenn er in den Stadien auftritt. Gemeinsam mit
einer Band war er schon bei der WM in Deutschland, den Panamerikanischen
Spielen 2007 und er ist Stammgast bei der Beach-Soccer-WM. Sein neustes Projekt
ist Lingerie-Fußball am Strand von Copacabana, wie er mir enthusiastisch
erzählt.
In einer so überladenen Atmosphäre ist es schwierig
für Aufmerksamkeit zu sorgen. Deshalb laden viele Stände ehemalige
Fußballspieler ein, um für ihr Anliegen zu werben. Während meines Aufenthaltes
auf der Soccerex machte besonders die Stadt Salvador auf sich aufmerksam. Sie
organisierte eine kleine Show, bei der zunächst Bebeto interviewet wurde und im
Anschluss gab es einen bizarren Auftritt einer Axé-Sängerin, die mit einem
Roboter und den Pataxó-Indianern tanzte. Was für eine Mischung!
Die Soccerex wird also von den verschiedenen
Anbietern genutzt, um sich im Rampenlicht der Sportgroßereignisse gut
darzustellen und ihren Teil zu verdienen. Auch außerhalb des Messegeländes wird
in einem Großteil der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen in Brasilien
mit dem Argument „Großereignisse“ gehandelt.
Im brasilianischen Parlament wird im Moment
diskutiert, wie die Royalties aus den landeseigenen Ölvorkommen verteilt werden
sollen. Bisher wurden diese den Bundesstaaten zugesprochen, in denen das Öl gefunden
wurde. Das nationale Parlament will die Royalties jetzt über das ganze Land
verteilen. Dagegen stemmen sich natürlich die Ölförderer und einer der größten
ist Rio de Janeiro.
Am Montag rief nun die Landesregierung von Rio zu
einer Demonstration auf, um die Royalties für Rio zu verteidigen. Die
Argumentationslinie dabei ist, dass Rio das Geld braucht, um WM und Olympia
finanzieren zu können! In staatlichen Einrichtungen wurde ein Feiertag
ausgerufen, um es den Beamten zu ermöglichen auf die Demonstration zu gehen. Es
handelte sich also um eine staatlich organisierte, wenn nicht sogar verordnete,
Demonstration. Nach Polizeiangaben kamen etwa 200.000 Menschen.
Schließlich gehört auch die Zukunft des Maracanã weiterhin
zu den Tagesordnungspunkten. Auch die Verteidiger des Maracanã nutzten die Aufmerksamkeit der
Soccerex für mehrere Demonstrationen, zum Beispiel während des Besuchs der
FIFA-Kommission im Stadion. Sie bekamen jetzt eine berühmte Unterstützung von
dem Sänger Chico Buarque:
Die FIFA-Kommission ist inzwischen nach São Paulo
weitergereist, denn dort wird am Wochenende die Auslosung für die Gruppen des
ConFed-Cups stattfinden. Außerdem wurden auch schon heute die Bauarbeiten am
dortigen Stadion begutachtet. Bei diesem Besuch scheint die Information über
den neuen Nationaltrainer Felipão weitergegeben worden sein.
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