Der zukünftige brasilianische Meister Fluminense
hatte diesen Sonntag ein schweres Auswärtsspiel bei São Paulo. Flamengos
Heimspiel gegen Figueirense wurde in die etwa zwei Stunden von Rio entfernte
Stahlarbeiterstadt Volta Redonda verlegt. Somit beschloss ich mit ein paar
Freunden das Heimspiel von Vasco daGama zu besuchen. Am Hauptbahnhof Central
treffe ich mit etwa 30 Minütiger Verspätung meine österreichischen Kollegen
Reinhard (vom Ballesterer) und Kevin. Die Jungs mussten noch Make-Up auftragen.
Weiter geht es mit dem 472-Bus nach São Januário.
Irgendein redseliger Fan quatscht während der Fahrt Reinhard an und die beiden
unterhalten sich bis wir ans Stadion kommen. „Was hat er dir denn erzählt?“,
frage ich. „Ich habe nichts verstanden.“, erklärt mir Reinhard.
Wir kaufen Tickets für R$20. Der Klub versucht mit
den günstigen Preisen die letzten treuen Fans anzulocken, nachdem man jetzt
schon fünf Spiele in Folge verloren hat und somit die Chance auf eine
Qualifikation für den Libertadores-Pokal sehr gesunken ist. Es scheint nicht
viel zu wirken, denn der Vorplatz ist fast leer. Wir treffen an der Bar der ‚Guerreiros
do Almirante‘ Leda und Carol, um noch ein Bier zu trinken. An einem Nachbartisch
verteilen Mitglieder eines Fanklubs T-Shirts mit der Aufschrift: „Wir sind
Mitglieder und wir wollen Veränderungen!“.
Die Wut der Vasco-Fans richtet sich gegen den
Vereinspräsidenten und ehemaliges Idol Roberto Dinamite, der erst vor wenigen
Jahren als Hoffnungsträger gewählt wurde. Den Verein drücken jedoch Schulden
und so wurden zur Saisonhalbzeit viele Leistungsträger verkauft. So ist die
ehemals vielversprechende Mannschaft jetzt zerfallen.
Etwa 20 Minuten vor dem Spiel wird unsere Vascaina Leda
unruhig. Wir gehen ins Stadion und bewundern die leeren Ränge. Nur etwa 4.000 Zuschauer
verlieren sich im alt-ehrwürdigen Rund des São Januário. Das Spiel ist dann,
zumindest für die Vasco-Fans, so traurig, wie der Rahmen. Der Abstiegskandidat
Sport aus Recife gewinnt locker 3:0. Die Mannschaft hat aufgegeben. Leda brüllt
sich die Seele aus dem Leib, aber es hilft nichts. Ich leihe mir ihren Radio
und höre das Spielende aus São Paulo. Fluminense erkämpft sich dort ein 1:1
Unentschieden.
Nach dem Spiel treffen wir den BBC-Korrespondenten
Tim Vickery auf dem Stadionvorplatz. Er ist gerade von einer Vortragsreihe aus
Recife zurückgekommen, wo er ein Trikot von Sport geschenkt bekommen hat.
„Ich fand das Ergebnis jetzt eigentlich ganz gut,
denn seit meiner Reise hege ich gewisse Sympathien.“
„Wie war denn dein Recifeaufenthalt?“
„Ich habe dort diese Straßenverkäufer gesehen, wie
es sie auch in Rio gibt. Sie hatten auf ihrer Arbeitskleidung ‚Geparkte
Wanderhändler’ geschrieben. Ich glaube das ist ein gutes Sinnbild für den
Nordosten Brasiliens.“
„Hast du denn auch Bekanntschaft mit den berühmten
Haien Recifes gemacht?“
„Da gibt es auch ein Souvenir am Strand zu kaufen:
Ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚Ich war in Recife und habe überlebt‘. Aber ich
hatte gerade kein Geld bei mir.“
Nach diesem kurzen Ausflug in den britischen Humor
bietet uns Carol eine Mitfahrgelegenheit in ihrem Auto an. Wir zählen durch:
sechs Personen. Das ist eigentlich zu viel. „Macht nichts“, sagt Carol und die
vier Jungs zwängen sich auf die Rückbank, während es sich die Mädels vorne
gemütlich machen. So nehmen wir Kurs auf das Stadtzentrum, vorbei am üblichen
Polizeiaufgebot eines Fußballspiels. Direkt vor der Haupttribüne reist Leda
nochmal das Fenster auf und brüllt üble Beschimpfungen gegen Roberto Dinamite.
Tim amüsiert sich und ich bin um Carols Führerschein besorgt. Aber alles geht
gut. Carol lässt die Österreich-Deutschland-Fraktion in Rios Ausgehviertel Lapa
aussteigen und fährt mit der nun binationalen englisch-brasilianischen Besetzung
Richtung Südzone weiter.
Reinhard, Kevin und ich gehen in die traditionelle Gastwirtschaft „Nova Capela“, um Wildschwein zu essen. Es läuft gerade das Spiel
des Verfolgers Atlético – MG bei Coritiba. Als wir gerade bei der Vorspeise „Kabeljaubällchen“
sind, bekommt Coritiba einen Elfer zugesprochen. Deivid verwandelt. „Das läuft
ja wieder Klasse für Fluminense!“ Während wir uns das Wildschwein schmecken
lassen, startet Atlético – MG einen verzweifelten Sturmlauf. Es nützt nichts,
es bleibt beim 1:0. Damit hat Fluminense jetzt neun Punkte Vorsprung, bei vier
verbleibenden Spielen. Die Fluminensefestwochen sind nahe.
Zur Verdauung gönnen wir uns noch einen
Zuckerrohrschnaps im „Casa da Cachaça“ um die Ecke und stoßen auf Fluminense an.
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