Es ist gerade etwas schwierig in Rio de Janeiro Fußballspiele
zu sehen. Die erste Liga der Riomeisterschaft endete frühzeitig, da Botafogo
schon in der ersten und zweiten Phase gewonnen hat und somit ein Finale
hinfällig wurde. In der zweiten und dritten Liga finden Spiele statt, aber so
gut wie alle Stadien sind fürs Publikum gesperrt. Ich habe mich dann für das
Spiel von Mesquita FC in der gleichnamigen Stadt in der Peripherie von Rio de
Janeiro entschieden. Ich wusste, dass ich mit meinem Journalistenausweiß Zugang
haben würde.
Mesquita (wörtlich Moschee) liegt in der Baixada, dem
Flachland, wie die Peripherie von Rio genannt wird. Mit dem Zug ist man etwa
eine Stunde unterwegs. Wie viele dieser Städte, so ist auch Mesquita
schachbrettartig aufgebaut. Ich hatte mich vorher auf Google Maps informiert
und zählte die Straßen ab dem Bahnhof: sieben parallel zur Zuglinie und dann
fünf nach links. Ein typisches Bild der Vororte sind die Herren, die am Wochenende
ihr Auto auf der Straße pflegen. Ein anderes sind Pferde auf der Straße. Ich
sehe eins direkt am Stadion Louzadão.
Das Stadion macht tatsächlich einen bedauernswerten
Eindruck, ich kann verstehen, warum es für das Publikum gesperrt wurde. Ich
klopfe am Eingangstor und prompt öffnet mir Juca, der Vizepräsident, und lässt
mich ein. Der Innenraum ist noch erschreckender. Große Teile des Stadions sind
unverputzt, es scheint, als ob Teile der Tribüne eingebrochen sind und der
Draht für die Wasserpumpe der Sprinkleranlage führt quer über die Tribüne.
Juca ist total begeistert einen deutschen Zuschauer
zu haben. Er erklärt mir, dass er mehr als nur ein Vizepräsident ist, der nur im
Raum mit der Klimaanlage sitzt. „Ich kümmere mich auch um den Rasen.“ Dann
stellt er mir Marcelo Tiola vor, den er den „Investor“ nennt. Marcelo ist der
Chef der Motorenfabrik Cariêllo, die einziger Sponsor des Vereins ist. „Ich
mache das aus Liebe zum Verein und nicht für Spielerberater oder andere Leute, die
den Fußball in den Dreck ziehen.“, nimmt er eine Standortbestimmung vor.
Marcelo ist eigentlich aus dem Nachbarort Nova
Iguaçu, aber er war Profispieler bei Mesquita FC. „Es ist schade, dass die
Stadt oder andere lokale Unternehmen nicht in den Fußball investieren.“, führt
er ein mir allzu bekanntes Klagelied fort. Der Mesquita FC besitzt zwar neben
dem Stadion noch eine Vereinsanlage mit Sporthalle und Schwimmbad, aber er
versteht sich in erster Linie als Profifußballklub und nicht als gemeinnütziger
Verein. In Brasilien sind alle im nationalen Verband CBF organisierten Klubs
Profivereine, wenn sie ihren Spielern auch meist Hungerslöhne zahlen. Der
Amateursport muss sich selbst organisieren.
Ohne Hilfe der großen Vereine ist der Überlebenskampf
der Kleinen hart. Da bleibt kein Geld für die Stadionrenovierung. So wird das
Stadion gesperrt, die Zuschauer bleiben aus und es bricht eine dringend
benötigte Einnahmequelle weg. Die Katze beißt sich in den Schwanz.
Der Mesquita FC wurde bereits 1920 gegründet und hat
somit eine reiche Geschichte. Aber die Gegenwart sieht bitter aus, denn
Mesquita muss durch die zweite Liga Rios tingeln. Der heutige Gegner ist Tigres
aus Duque de Caxias, das aktuelle Schlusslicht. Doch schon nach drei Minuten
heißt es nach einem katastrophalen Abwehrfehler, bei dem sich der gegnerische
Stürmer gegen fünf Abwehrspieler durchsetzen konnte, 1:0 für den Gast. Kurz
darauf setzt Mesquita einen Ball an die Latte. Danach ist das Spiel eigentlich
gelaufen. Der Platz ist fürchterlich und der Ball verspringt ständig. An einen
normalen Spielaufbau ist nicht zu denken und so endet das Spiel nach absolut
grauenhaften 90 Minuten auch 1:0.
Ich gehe zurück zum Bahnhof. Gleich an der nächsten
Haltestelle in Edson Passos steigen die, um einiges besser gelaunten, Fans von
America zu, denn ihr Verein hat 2:1 gewonnen. Laute Diskussionen über Rios
Zweitligafußball beherrschen von da an den Zug bis zum Hauptbahnhof im Zentrum.
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