Donnerstag, 27. Februar 2014

Flamengo – Emelec, 3:1


Irgendwie ist der brasilianische Fußball in einer Krise. Das mag überraschen, wenn man bedenkt, dass in gut 100 Tagen in Brasilien die WM beginnen wird, wenn man die neuen Stadien sieht und bedenkt, dass die wirtschaftlichen Zahlen sich verbessern. Aber irgendwie scheint es so, als ob, die Gesamtsituation des brasilianischen Fußballs nicht mit den neuen Rahmenbedingungen übereinstimmt und man noch die neue Linie sucht, wie man aus dieser Krise kommen könnte. Das gestrige Libertadores-Spiel zwischen Flamengo und Emelec (ECU) war da ein gutes Beispiel.
Ich hatte Besuch aus Deutschland von einem Journalisten einer großen Hamburger Zeitschrift und seinem Fotografen. Der Kollege war schon vor Monaten mit mir in Kontakt getreten, um die Reise zu planen. Er hat damals an die zuständigen Stellen ein Email geschickt, um sich über die Akkreditierung zu erkundigen. Im Antwortschreiben wurde er auf Portugiesisch informiert, dass er nur seinen internationalen Presseausweis am Stadiontor vorweisen müsse. Es gab keinerlei Hinweise auf eine Kleiderordnung.
Da der Kollege Schwierigkeiten mit seinem internationalen Ausweis hatte, habe ich nochmal nachgefragt, ob der deutsche Ausweis auch akzeptiert würde. Mir wurde auf Portugiesisch geantwortet, dass mein Kollege akkreditiert sei. Erneut kein Hinweis auf eine Kleiderordnung.


Gestern am Presseeingang musste mein Kollege vor dem Tor warten und ich musste seine Akkreditierung drinnen abholen. Leider war sie aber nicht an der Pressestelle. Somit musste ich den zuständigen Chef suchen, der die Akkreditierung vergessen hatte. Ich bekam den Ausweis und konnte meinen Kollegen abholen. Als er das Stadioninnere betreten wollte, wurde er aufgehalten und etwas unfreundlich entakkreditiert, Begründung: mit kurzen Hosen kommt man nicht auf die Pressetribüne.
Diese Regel ist bei 40° völlig unverständlich und kann einem ausländischen Journalisten nicht bekannt sein. Sie wurde auch beim Mailverkehr nicht erwähnt. Deswegen fragten wir, ob es einen Weg auf die normale Tribüne oder die Kurve gäbe. Dies wurde verneint. Mein Kollege versuchte auf Englisch zu argumentieren, worauf der zuständige Angestellte sehr unfreundlich reagierte: „Ich verstehe das nicht.“ Wir sind im Land der Fußball-WM und bei einem Spiel des Kontinentalen Wettbewerbs, der hier den Status der Champions League hat! Aber der für Akkreditierungen zuständige Mitarbeiter kann kein Englisch. Die Situation war absurd.


Da das Spiel nicht ausverkauft war (40.000 Zuschauer), beschloss mein Kollege sich ein Ticket zu kaufen. Ich sah die erste Halbzeit auf der Pressetribüne und schoss von dort aus ein paar Fotos. Da kam doch tatsächlich eine andere Mitarbeiterin und klärte mich auf, dass es hier verboten wäre Fotos zu machen! Das Spiel lief schon, deswegen habe ich nicht weiter nachgefragt. Gründe können sein, dass nur Rechtehalter Fotos machen dürfen. Das wäre aber bei meiner Minikamera lächerlich.
Ein anderer Grund könnte sein, dass nur als Fotografen akkreditierte auch fotografieren dürfen, da hier in Rio zwei verschiedene Stellen zuständig sind. Das wiederum beschränkt stark die Arbeitsmöglichkeiten. Als ob man nur fotografieren oder nur schreiben könnte. Ich habe schon öfter beobachtet, dass die brasilianischen Journalisten sich nur für das interessieren, was auf dem Platz stattfindet. Sie  haben wenig Sinn für die Ränge. Fußball wird nicht als Gesamtkunstwerk verstanden, das weit über das Rasenviereck reicht.


Mit meinem Ausweis kann ich aber auf die Zuschauertribüne und so habe ich dort meine Kollegen wiedergetroffen. Dort beobachteten wir aber noch andere wundersame Begebenheiten. Wir waren in einem Block hinterm Tor, aber gegenüber des Fanblocks. Somit ein sehr ruhiger und schwach besuchter Bereich. Die einzige Aufgabe, die dort die Ordner hatten war Fans darauf hinzuweisen, dass es verboten sei die Füße auf die Sitze zu stellen. Das mag im Theater sinnvoll sein, aber beim Fußball nervt es mich. Das Maracanã ist sowieso schon so steril, da schadet etwas Schmutz nicht, um dem Ganzen wieder Leben einzuhauchen.
Überhaupt war die Stimmung schwach. Scheinbar boykottieren die Torcidas die Spiele oder es wurde ihnen verboten Fahnen und Trommeln mitzunehmen. Überhaupt ist es ein Armutszeugnis, dass ein Libertadoresspiel, das man ja auch nicht alle Tage hat, nicht ausverkauft ist. Aber R$100 sind einfach zu viel. Irgendwas läuft falsch: zu teuer, zu wenig Fans, keine Stimmung, zu viele unverständliche Regeln, zu pingelig.


Mitte der zweiten Halbzeit ist dann vor uns die Hundestaffel der Polizei aufgelaufen. Wir haben uns nur angesehen: „Was machen die hier?“ Es gibt überhaupt kein Problem auf den Rängen und die lassen hier die Muskeln spielen. Es fehlt hier jede Verhältnismäßigkeit. Schließlich konnten sich die Flamengofans beim Stand von 3:0 zu dem Sprechchor: „Favela, Party in der Favela“, hinreißen lassen. Das spielt darauf an, dass Flamengofans angeblich Favelabewohner seien. Man hat sich hier so eine Sozialromantik des Unterschichtvereins zurechtgelegt. Erneut ist die Situation extrem absurd: „Welcher Favelabewohner kann sich R$100 leisten?“
Wir waren ja mit einem Fotograf unterwegs, der gar keine Hoffnung auf Akkreditierung hatte, deswegen hat er gleich ein Ticket gekauft. Er wollte natürlich feiernde Fans ablichten. Deswegen bat ich an der Kasse um einen Platz im Fanblock für ihn. Die Karte, die ihm verkauft wurde war aber genau auf der anderen Seite. Dementsprechend frustriert war er. Es war für mich nur noch ein zusätzliches Missverständnis und Ärgernis in dieser etwas verunglückten Libertadoresnacht.  



Insgesamt hatte ich den Eindruck, dass sich der brasilianische Fußball im Wandel befindet und dass die zuständigen Stellen und Mitarbeiter versuchen ihren Platz in dieser neuen Ordnung zu finden. Es werden verzweifelt Regeln aufgestellt, um dem Wandel Herr zu werden, aber sie sind oft sinn frei. Besonders schockierend ist die fast aggressive Ablehnung der englischen Sprache bei einem internationalen Turnier. Das Ergebnis ist im Moment ein äußerst wenig zufriedenstellendes Stadionerlebnis. Die Brasilianer sind eigentlich stolz darauf, dass sie so flexibel wären. Im Fußballstadion sind sie gerade alles andere als flexibel. Man kann nur hoffen, dass sich das wieder ändern wird.

Montag, 24. Februar 2014

Nova Iguaçu – Boavista, 3:0


„Rio – 40 Grad“ heißt ein brasilianischer Kinofilm aus den 1950ern, der sich mit typischen Alltagszenen der Stadt beschäftigt. Unter anderem besuchen die Hauptdarsteller auch ein Spiel von „Pengo“ im Maracanã. Der Film wurde in der Militärdiktatur zensiert, da es in Rio nie heißer als 39 Grad sei. Gut, gestern hatten wir auf jeden Fall 40 Grad. Statt ins Maracanã, fuhren wir, diesmal mit Verstärkung des Bayerischen Rundfunks, nach Nova Iguaçu, um dort die Hausherren gegen Boavista aus Saquarema zu bewundern.


Apropos typische Szenen Rios: Der Zug war knallvoll mit Narren, die nach Osvaldo Cruz wollten, um dort Karneval zu feiern. Normalerweise will am Sonntag niemand in die Vororte, aber die närrische Zeit stellt eben alles auf den Kopf. Gott sei Dank erwischten wir einen Zug mit Klimaanlage. Aber in Nova Iguaçu schlug uns die Hitze dann erbarmungslos ins Gesicht. Das Zentrum war wie ausgestorben, aber wir fanden einen Kleinbus, der uns (mit einem kleinen Missverständnis) zum Stadion brachte.


Nova Iguaçu ist einer der Vereine oder besser Unternemen, die Spieler am Fließband produzieren. Ihnen sind Fans ziemlich egal. Die paar wenigen, die sich trotzdem ins Stadion verirren sind aber sehr nett und offen für Besucher. Ein paar Gringos mit Fotokameras in der Hand fallen natürlich auf, wie bunte Hunde. So kommen wir schon am Eingang mit den Auswärtsfans aus Saquarema ins Gespräch. Sie haben einen Kleinbus organisiert und sind mit etwa 15 Mann angereist. In Nova Iguaçu angekommen wurden sie erst mal informiert, dass es keine Tickets für Auswärtsfans gibt. Aber die Fanklubgründerin Naniara findet die Vereinsvertreter und organisiert Eintrittskarten.


Wir drehen eine kurze Runde über das Vereinsgelände: Fitnessstudio, Physiotherapeut, Spielerinternat – Es gibt alles was man braucht, um Spieler zu produzieren. Die Gebäude und Trainingsplätze sind in hervorragendem Zustand. Beste Bedingungen, also, um zukünftige Fußballstars zu formen.


Im Gegensatz dazu macht das Stadion einen eher unvollkommenen Eindruck. Nur in der Gegengerade gibt es eine durchgezogene Tribüne. Aus ihrem Ende ragen Eisenstangen, die darauf schließen lassen, dass der Bau irgendwann unterbrochen wurde. Hinterm Tor verdeckt ein Bauzaun die Leere. Der Höhepunkt ist die „Pressetribüne“, die eher nach einem Behelfswassertank aussieht. Sie steht direkt in der Sonne und hat keine Klimaanlage. Durch die tiefstehende Sonne sehen die Journalisten das Spiel kaum und werden unter dem Wellblechdach gebraten.


Das Spiel war mal wieder fürchterlich schlecht. Ich kann es ja auch verstehen, dass die Beine bei so einer Hitze schwer werden. Insgesamt hat Boavista mehr Fehler (besonders der Torwart) gemacht und so gewann Nova Iguaçu 3:0. Somit waren die 662 Zuschauer bester Laune. Es gab sogar einen kleinen Fanblock, der sich mächtig ins Zeug legte. Ansonsten lauschten viele Fans der Radioübertragung des parallel stattfindenden Stadtderbys Botafogo – Fluminense (3:0). 



Auf unserem Rückweg zum Bahnhof verabschiedeten sich mehrere Fans von uns. Wir sind zu kleinen Berühmtheiten geworden. 

Donnerstag, 20. Februar 2014

Brasiliens WM-Städte

Ich bin gerade auf Rundreise in den brasilianischen WM-Städten. Es folgen ein paar Eindrücke aus den möglichen deutschen Standorten der Play-Off-Runde. Es fehlt Brasilia.

Belo Horizonte





Rio de Janeiro





Porto Alegre






São Paulo




Montag, 17. Februar 2014

Vasco – Flamengo, 1:2

Irgendwie war ich dann doch geschockt wie wenige Fans zum Superklassiker Vasco – Flamengo kamen. Bei Anpfiff sah es nach 6.000 – 7.000 aus. Später wurden dann doch 17.000 vermeldet. Das war aber eine etwas traurige Angelegenheit. Flamengo gewann etwas glücklich 2:1. Am interessantesten war die Halbzeit, denn da gab es Proteste der Fans gegen die R$80 (€27) Eintritt und die Spieler von Vasco bedrängten den Schiri so aggressiv, dass Polizei auf den Platz kam. Grund dafür waren umstrittenen Torszenen. Ich bin weiterhin auf Rundreise, deshalb nur ein kurzer Text.  





Freitag, 14. Februar 2014

Brasiliens WM-Städte

Ich bin gerade auf Rundreise in den brasilianischen WM-Städten. Es folgen ein paar Eindrücke aus den deutschen Vorrundenorten.

Salvador





Fortaleza:




Recife




Donnerstag, 6. Februar 2014

Botafogo – Deportivo Quito, 4:0


Eine Nacht voller technischer Pannen. Erst habe ich festgestellt, dass meine neue Kamera kaputt ist, dann habe ich bemerkt, dass ich den Foto des Handy noch nicht beherrsche und schließlich habe ich vergessen Fotos von unserem Schnitzel zu schießen. Ich hatte mich mit Henrik (Offside) und Robert (Ballesterer) im Lamas in Flamengo verabredet. Bei panierten Zwiebelringen und Schnitzel mit „französischer Beilage“ (Erbsen, Zwiebeln, Schinken und Mini-Pommes) fachsimpelten wir über Fußball, die WM und Brasilien.


Das anstehende Spiel von Botafogo gegen Deportivo Quito in der Quali zum diesjährigen Libertadores-Pokal wurde eigentlich als reine Formsache wahrgenommen. Deportivo hatte in Quito – 2850m ünn – in der Höhenluft nur ein mageres 1:0 erreicht. Eigentlich gingen alle davon aus, dass das zu wenig war. Botafogo dagegen war gewillt nach 17 Jahren endlich wieder eine Libertadores-Endrunde zu spielen.


Diese Aussicht munterte die Fans so auf, dass satte 50.000 ins Maracanã kamen. Und sie hatten eine beeindruckende Choreo mit dem Spruch: „Der Riese ist zurück“. Aber es hatte auch lange Schlangen am Eingang zur Folge.


Das Spiel lief wie erwartet: Botafogo dominierte das Spiel und Quito hat kein einziges Mal aufs Tor geschossen. Von Anfang an hatten sie die Taktik das Tor aus dem Hinspiel über die Zeit zu retten. Lange Zeit ging das auch gut, da sich Botafogo nicht gerade geschickt bei seinen Angriffen verhielt. Aber noch in der ersten Halbzeit fiel das 1:0 zur Erleichterung für die Hausherren. Gegen Ende des Spiels öffneten sich dann alle Tore und so konnte Botafogo zum Schluss sogar noch auf 4:0 erhöhen.


Insgesamt kann aber Botafogo nicht wirklich zufrieden sein, denn es lief nicht rund. Quito war einfach kein Gegner auf Augenhöhe. Nächste Woche folgt schon das große Duell in der Gruppenphase gegen die Mannschaft vom Papst: San Lorenzo. Da muss man sich steigern.



Übrigens: Bei 50.000 Zuschauern und der tollen Akustik des Maracanã war natürlich viel los. Aber trotzdem fand ich nicht, dass viele Lieder gesungen wurden. Mir ist dann auch aufgefallen, dass die Transparenter der größten Torcida Botafogos, der Fúria, fehlten. Es scheint, als ob die Auftrittsverbot hätten und das merkt man an der Stimmung.