Freitag, 30. November 2012

Das neue Stadion von Grêmio



Auf der Soccerex war auch das Bauunternehmen vertreten, das die neue Arena von Grêmio in Porto Alegre baut. Dort wird das Beira Rio Stadion des Stadtrivalen Internacional zum WM-Stadion. Aber Grêmio konnte da natürlich nicht zurückstecken und beschloss auf eigene Faust eine Arena zu bauen. Auf der Soccerex war nun ein Model dieses neuen Stadions ausgestellt und man konnte erkennen, dass entgegen des landesweiten Trends, dort hinterm Tor Stehplätze erhalten bleiben. Diese sind für die „Geral“ reserviert.
Geral nennt man in Brasilien die billigen Stehplätze, aber bei Grêmio haben die Ultras diesen Namen übernommen. Die „Geral“ von Grêmio hat vor ein paar Jahren begonnen argentinische Lieder zu übernehmen und so die Sambagesänge aus ihrem Stadion zu verbannen. Zum Markenzeichen wurde die „Lawine“, der Moment eines Tores bei dem alle Fans zum Spielfeldrand hinunterrennen. Die Geral hatte so großen Erfolg, dass die Performance der Fans aller Spiele Grêmios aufgezeichnet wurden und hier  www.ducker.com.br zu bewundern sind. Immer mehr Fanklubs in ganz Brasilien begannen die Lieder der Geral zu kopieren.
Als ihre Mitglieder immer mehr unter Polizeischikanen litten, beschlossen sie massenweise Mitglieder im Verein zu werden, um an die Schlüsselpositionen zu gelangen. Die Fans blasen zum Angriff und begannen ihren Gang durch die Institutionen. Das ist wahrscheinlich einer der Gründe, warum sie es geschafft haben, den Erhalt der Stehplätze durchzusetzen.
Grêmio ist ein absoluter Kultklub. Grund dafür ist sicherlich die sogenannte „Schlacht der Angespannten“ (Batalha dos Afflitos). Es handelt sich dabei um das entscheidende Spiel um den Aufstieg aus der zweiten in die ersten Liga 2005 zwischen Náutico und Grêmio. Náutico musste gewinnen, für Grêmio war ein Unentschieden genug. Das Spiel fand im Afflitos Stadion in Recife statt.
Ich habe das Spiel damals im Fernsehen verfolgt und es wurde zu einem absoluten Krimi. Der Torwart von Grêmio – Galato – wehrte schon in der ersten Halbzeit einen unberechtigten Elfmeter ab. Dann wurde ein Spieler vom Platz gestellt. In der zweiten Halbzeit gab es einen weiteren sehr zweifelhaften Elfmeter, wegen dem die Spieler von Grêmio ausrasteten. Weitere drei Spieler sahen rot und Grêmio war nun nur noch zu siebt auf dem Platz und hatte einen Elfer gegen sich. Das Spiel wurde für etwa 20 Minuten unterbrochen.
Die Ereignisse, die nach Wiederanpfiff geschahen können nur als einmaliges Wunder beschrieben werden. Galato verteidigte erneut den Strafstoß. Die anschließende Ecke konnte abgewehrt werden und führte zu einem direkten Gegenangriff, den ein Spieler von Náutico nur durch Foul beenden konnte. Er sah auch rot. Der fällige Freistoss landete in den Füßen von Anderson, der die Abwehr ausdribbelte und zum 1:0 für Grêmio verwandelte. Der Radioreporter aus Porto Alegre schnappte total über. Zwischen Elfer und Tor lagen 70 Sekunden.
Grêmio konnte das Resultat verteidigen und stieg in die erste Liga auf. Das Spiel wurde zu einem Dokumentarfilm verarbeitet. Hier eine Zusammenfassung des Spiels:


Der Radiokommentar während des Tors von einem Radio aus Porto Alegre ist unbezahlbar!
Im Übrigen wird das neue Stadion am 08.12.2012 mit einem Spiel gegen den HSV eingeweiht. Die Hamburger wurden dazu eingeladen (oder besser unter Vertrag genommen, denn es scheint viel Geld geflossen zu sein), da sie Grêmios Gegner im Weltpokalfinale 1983 waren. Dieser Titel zählt sehr viel in Brasilien.

Mittwoch, 28. November 2012

Soccerex, Rio de Janeiro, 24. – 28.11.2012



Ich genieße es sehr im Moment in einer Stadt zu wohnen, die sich auf zwei Sportgroßereignisse vorbereitet. Das führt dazu, dass im Zuge dieser Vorbereitungen verschiedene andere Veranstaltungen nach Rio de Janeiro kommen, die mich etwas mehr hinter die Kulissen des Fußball-Business schauen lassen.
Diese Woche wurde zum Beispiel die größte Fußballmesse der Welt in der Festung der Copacabana durchgeführt. Persönlich finde ich es sehr kurios, dass so etwas, wie eine Fußballmesse existiert. Man könnte meinen, dass man nur ein bisschen Equipment, wie Bälle, Trikots und Schuhe braucht, und dass es natürlich den Spielermarkt gibt, der aber nicht auf Messen stattfindet.
Deshalb mache ich mich auf, um der Frage nachzugehen, was auf einer Fußballmesse angeboten wird. Der Zugang zur Soccerex wurde im Hotel Sofitel am Strand der Copacabana errichtet. Wenn man die Akkreditierung erfolgreich hinter sich gebracht hat, gelangt man über eine extra dafür errichtete Fußgängerbrücke auf die andere Straßenseite in das Messegelände in der Festung. Dieses besteht aus einem Großzelt mit wunderbarer Aussicht auf den Zuckerhut und andere Sehenswürdigkeiten. Visuell hat Rio viel zu bieten. 


In der Halle haben die verschiedenen Anbieter ihre Stände aufgebaut, zwischen denen ich etwas flaniere. Da sind zunächst die Gastgeberstädte der WM 2014. Dann entdecke ich viele Stadionausrüster, wie Hersteller von Stadionsitzen oder Sicherheitsequipment. Sportartikelhersteller sind auch anwesend. Kurios fand ich die Stände von Vereinen aus Argentinien, Brasilien und Südafrika. Verständlich ist auch, dass Sportmarketingfirmen ihre Dienste anbieten.
Brasilien hat sich das Austragungsrecht verschiedener Sportereignisse schon gesichert, aber andere wollen folgen und präsentieren sich auf der Soccerex. So will die Türkei ihren Ambitionen auf die Euro und die Olympischen Spiele mit einem prunkvollem Stand Nachdruck verleihen. Der spanische Verband bietet seine Fußballstruktur für Trainingscamps an. Ähnliches macht die Stadt Canoas in Südbrasilien, die zwar kein WM-Standort ist, aber als Trainingsort für eine Nationalmannschaft bereit steht.


Im hinteren Teil des Zeltes befindet sich ein Saal für Vorträge und Diskussionen, wo ich eine Präsentation einiger WM-Städte verfolge. Außerdem gibt es mehrere Lounges, Restaurants und Cafés für das berühmte Networking. Insgesamt ist die Messe eine Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen, so treffe ich mehrere ehemalige Spieler, einige Jornalisten und sogar den Symbolfan „Bola Sete“.
Er ist ein Beispiel dafür, dass man in Brasilien sein Geld als Fan verdienen kann. Er präsentiert sich selbst, auf Grund seines Körperumfangs, als wandelnde Litfaßsäule. So gelingt es ihm Werbepartner zu überzeugen in zu sponsoren, wenn er in den Stadien auftritt. Gemeinsam mit einer Band war er schon bei der WM in Deutschland, den Panamerikanischen Spielen 2007 und er ist Stammgast bei der Beach-Soccer-WM. Sein neustes Projekt ist Lingerie-Fußball am Strand von Copacabana, wie er mir enthusiastisch erzählt.


In einer so überladenen Atmosphäre ist es schwierig für Aufmerksamkeit zu sorgen. Deshalb laden viele Stände ehemalige Fußballspieler ein, um für ihr Anliegen zu werben. Während meines Aufenthaltes auf der Soccerex machte besonders die Stadt Salvador auf sich aufmerksam. Sie organisierte eine kleine Show, bei der zunächst Bebeto interviewet wurde und im Anschluss gab es einen bizarren Auftritt einer Axé-Sängerin, die mit einem Roboter und den Pataxó-Indianern tanzte. Was für eine Mischung!


Die Soccerex wird also von den verschiedenen Anbietern genutzt, um sich im Rampenlicht der Sportgroßereignisse gut darzustellen und ihren Teil zu verdienen. Auch außerhalb des Messegeländes wird in einem Großteil der politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen in Brasilien mit dem Argument „Großereignisse“ gehandelt.
Im brasilianischen Parlament wird im Moment diskutiert, wie die Royalties aus den landeseigenen Ölvorkommen verteilt werden sollen. Bisher wurden diese den Bundesstaaten zugesprochen, in denen das Öl gefunden wurde. Das nationale Parlament will die Royalties jetzt über das ganze Land verteilen. Dagegen stemmen sich natürlich die Ölförderer und einer der größten ist Rio de Janeiro.
Am Montag rief nun die Landesregierung von Rio zu einer Demonstration auf, um die Royalties für Rio zu verteidigen. Die Argumentationslinie dabei ist, dass Rio das Geld braucht, um WM und Olympia finanzieren zu können! In staatlichen Einrichtungen wurde ein Feiertag ausgerufen, um es den Beamten zu ermöglichen auf die Demonstration zu gehen. Es handelte sich also um eine staatlich organisierte, wenn nicht sogar verordnete, Demonstration. Nach Polizeiangaben kamen etwa 200.000 Menschen.


Schließlich gehört auch die Zukunft des Maracanã weiterhin zu den Tagesordnungspunkten. Auch die Verteidiger des  Maracanã nutzten die Aufmerksamkeit der Soccerex für mehrere Demonstrationen, zum Beispiel während des Besuchs der FIFA-Kommission im Stadion. Sie bekamen jetzt eine berühmte Unterstützung von dem Sänger Chico Buarque:


Die FIFA-Kommission ist inzwischen nach São Paulo weitergereist, denn dort wird am Wochenende die Auslosung für die Gruppen des ConFed-Cups stattfinden. Außerdem wurden auch schon heute die Bauarbeiten am dortigen Stadion begutachtet. Bei diesem Besuch scheint die Information über den neuen Nationaltrainer Felipão weitergegeben worden sein. 

Felipão wohl neuer Nationaltrainer!

Morgen wird der CBF den neuen Nationaltrainer Brasiliens vorstellen. Die Gerüchteküche kocht heftig. Die Anberaumung einer Pressekonferenz kann aber so beurteilt werden, dass der Kandidat schon feststeht. Vieles spricht zu so einem frühen Zeitpunkt für Felipão, wie Luiz Felipe Scolari, der Weltmeistertrainer von 2002, in Brasilien genannt wird. Unbestätigte Quellen sollen auch die Information weitergegeben haben, dass Carlos Alberto Parreira, Weltmeistertrainer von 1994, im Trainerstab sitzen soll.

Sonntag, 25. November 2012

Vasco – Flamengo, 1:1



Das Spiel zwischen Vasco und Flamengo hat schon seit einigen Jahren dem Klassiker Fla-Flu den Rang abgelaufen. Das Derby der Millionen ist unter normalen Umständen das Stadtgespräch Nummer eins. Aber, nachdem die Meisterschaft schon entschieden ist und beide Teams am vorletzten Spieltag im Tabellenmittelfeld treiben, hat das Duell jegliche Brisanz verloren.  
Ich beschloss trotzdem mit meinem Neffen Vitor, der Flamenguista ist, was ein übler Erziehungsfehler seiner Eltern ist (die das nicht lesen können), das Spiel im Engenhão zu besuchen. Vasco hat erneut den Eintrittspreis extrem heruntergesetzt, um wenigstens ein paar Fans anzulocken. Der Stadionsprecher verkündete dann auch 10.000 anwesende Zuschauer, aber ich glaube, dass nur 5.000 da waren. Dementsprechend bescheiden war die Stimmung.
Beide Mannschaften traten mit B-Teams an. Das Spiel war auch ziemlich schlecht. Insgesamt hat Flamengo besser gespielt und hätte den Sieg verdient gehabt, aber noch in der ersten Halbzeit verwandelte Vasco etwas überraschend einen Freistoß. Den konnten sie dann auch bis kurz vor Schluss verteidigen, aber in der letzten Minute gelang Flamengo doch noch der Ausgleich per Kopfball nach einer Ecke.  
Damit wird Flamengo völlig enttäuschend irgendwo zwischen dem 9. und 13. Platz die Meisterschaft abschließen. Und das als beliebtester Verein Brasiliens, der eigentlich unbeschränkten Zugang zu Ressourcen hat. Aber der Klub wird einfach zu schlecht geführt und stolpert immer wieder über seine Eskapaden, die auch durch den Hochmut seiner Mitglieder hervorgerufen werden.
 Was die brasilianischen Medien vergangene Woche interessierte war der Prozess um das Verschwinden, vermutlich Ermordung, der Geliebten des ehemaligen Torwarts von Flamengo Bruno. Das Problem der Anklage ist, dass der Leichnam des Opfers nie gefunden wurde, was die Verteidigung zu der These nutzt, sie sei noch am Leben. Dem Verteidiger Brunos gelang es auch seinen Prozess von dem seiner Helfer zu trennen. So wird sich Bruno selbst erst im März verantworten müssen. Aber seine Helfer standen diese Woche vor Gericht und wurden der Beihilfe des Mordes mit bis zu 10 Jahren Haft verurteilt.


Das ist kein gutes Zeichen für Bruno, denn das heißt, dass das Gericht der Meinung ist, dass, obwohl kein Leichnam gefunden wurde, ein Mord stattfand. Die Ermordete ist die ehemalige Geliebte von Bruno und Mutter seines Sohns, dessen Vaterschaft er nicht anerkennen wollte. In typischer hochmütiger Flamengo-Art, dachte er, dass er dies nicht tun brauche und sie umbringen konnte, ohne, dass ihm etwas passieren würde. In die Geschichte sind unglaublich viele Personen verwickelt, dass es fast unmöglich ist, dass nie etwas ans Tageslicht käme. Insbesondere, da der Sohn Brunos, bei einer Bekannten auftauchte, was die Frage nach dem Verbleib der Mutter schürte.  
Man muss nun abwarten, was im März passieren wird, aber ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass Bruno verurteilt wird. Der Beweisdruck der Indizien ist einfach zu stark. Flamengo braucht sich danach nicht wundern, als Klub der unmoralischen und hochmütigen Verbrecher zu gelten.
Nächstes Wochenende wird die letzte ausstehende Entscheidung des letzten Abstiegsplatzes zwischen Portuguesa, Bahia und Sport entschieden. Die zweite Liga ging heute zu Ende. Aufsteiger sind Goiás, Criciúma, Atlético – PR und Vitória aus Bahia. 


Freitag, 23. November 2012

Mano Menezes entlassen!



Vor etwas mehr als einer Stunde hat der brasilianische Fußballverband CBF bekanntgegeben, dass der Nationaltrainer Mano Menezes mit sofortiger Wirkung entlassen wird. Ein Nachfolger soll erst im Januar bekannt gegeben werden.
Trotz der kritischen Stimmen in der brasilianischen Presse kommt dieser Schritt überraschend, denn es wird dadurch die Aufbauarbeit für eine schlagkräftige Mannschaft für 2014 unterbrochen. Gerade die letzten Spiele waren eigentlich relativ vielversprechend, inklusive der Sieg im Superclássico. Mano Menezes hat die Seleção jetzt in 33 Spielen betreut, von denen er 21 gewonnen und nur 6 verloren hat.
In der brasilianischen Presse wird jetzt gemunkelt, dass Mano Menezes der Kandidat des ehemaligen CBF-Präsidenten Ricardo Teixeira war und der neue Amtsinhaber José Maria Marin ihn aus politischen Gründen loshaben wollte, um den Machtwechsel zu verfestigen.
Als Favoriten auf die Nachfolge gelten Luiz Felipe Scolari (Im Moment ohne Klub, wird aber als Verantwortlicher für den Abstieg von Palmeiras gesehen), Muricy Ramalho (Santos FC, aber mit Ausstiegsklausel; 4 mal Meister in den letzten 7 Jahren) und Vanderlei Luxemburgo (hat erst kürzlich bei Grêmio verlängert). 

Donnerstag, 22. November 2012

Argentinien - Brasilien, 2:1, (3:4 i. E.), Stadion La Bombonera, Buenos Aires



Das am 03. Oktober wegen Lichtmangel ausgefallene Spiel zwischen Argentinien und Brasilien wurde gestern im legendären La Bombonera in Buenos Aires nachgeholt. Scheinbar wollten die Veranstalter mit allen Mitteln so peinliche Szenen, wie vor sechs Wochen, vermeiden und wählten eine kampferprobte Arena für den Superclássico. Wie beim Hinspiel, so wurden auch diesmal nur Spieler, die in Brasilien oder Argentinien tätig sind berufen.
Brasiliens Trainer Mano Menezes vertraute diesmal auf die Fluminense-Achse Diego Cavalieri, Thiago Neves und Fred. Der öffentliche Druck die brasilianischen Meister zu rufen war groß geworden. Um diese Achse baute er die Abwehr von Atlético – MG, das Mittelfeld von Corinthians und Neymar von Santos im Sturm.
Die Argentinier mussten stärker auf Angriff setzen, denn sie mussten mindestens ein Tor schießen, um das 2:1 aus dem Hinspiel auszugleichen. Dabei vertraute Argentiniens Sabella auf fünf in Brasilien tätige Profis. Doch das half in der ersten Halbzeit wenig. Das Spiel war bis zur 80. Minute ein Langweiler bei dem man das Gefühl hatte, dass die Brasilianer nicht mehr als das 0:0 wollten und die Argentinier nicht mehr konnten.
Aber dann foulte Jean Martinez so knapp vor der Strafraumlinie, dass es unmöglich war dies mit bloßem Auge zu erkennen, und der Schiedsrichter gab Elfmeter. Der erst in der zweiten Halbzeit eingewechselte Scocco verwandelte zum 1:0 für Argentinien. Jetzt gewann das Spiel an Dramatik, denn Brasilien musste kommen. Fast im Gegenzug erzielte Fred den 1:1 Ausgleich nach Flanke von Jean.
In der letzten Minute gelang den Argentiniern erneut ein schöner, schneller Angriff, bei dem Scocco frei vor Torwart Diego Cavalieri auftauchte. 2:1. In Südamerika sind Verlängerungen unüblich und so musste das Elfmeterschießen entscheiden. Bei Argentinien vergaben Martinez und Montillo gleich die ersten beiden Elfmeter. Bei Brasilien verschoss nur Carlinhos. Damit war der Weg frei für Neymar den letzten Strafstoß zum Titelgewinn für Brasilien zu verwandeln. Die letzten zehn Minuten und das Elfmeterschießen entschädigten für eine ansonsten laue Veranstaltung.


Mano Menezes entschuldigte sich dafür in der anschließenden Pressekonferenz und begründete die Darbietung damit, dass die Spieler von Fluminense noch die Meisterschaft feiern würden und die Spieler von Corinthians schon an das Weltpokalfinale gegen Chelsea in zwei Wochen denken würden. Man muss sich natürlich fragen warum er dann diese Spieler berufen hat.
Gefehlt haben natürlich mit Lucas und Luis Fabiano zwei Schlüsselspieler vom São Paulo FC. In der zweiten Jahreshälfte findet in Südamerika die Copa Sulamericana statt, das Pendant zur Europa League. São Paulo FC trifft in diesem Wettbewerb heute Abend im Halbfinale auf Universidad Catolica aus Chile. Deshalb wurden die Spieler nicht für die Seleção abgestellt.
Trotz der Niederlage haben die argentinischen Fans den Brasilianern mal wieder gezeigt wie man Stimmung macht. Die Fans haben In einem wunderbaren Stadion, das die Atmosphäre multipliziert, die 90 Minuten durchgesungen.


Aufstellung Brasilien:
Diego Cavalieri, Lucas Marques, Réver, Durval, Fábio Santos, Ralf,
Paulinho, Arouca, Thiago Neves, Neymar, Fred

Montag, 19. November 2012

Fluminense - Cruzeiro, 0:2



Alle 35.000 Eintrittskarten waren in wenigen Stunden ausverkauft. Aber was die Tricolores sehen wollten war nicht das Spiel von ihrem Fluminense, sondern die Pokalübergabe. Zunächst weigerte sich der CBF die Pokalübergabe am Sonntag im Stadion zu machen, denn sie haben dafür einen Festakt im Theater in São Paulo für den 03.12. geplant. Die Woche wurde deshalb von der Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Aktion bestimmt, bis sich dann der CBF endlich erweichen ließ. Irgendwie war allen klar, dass die Pokalübergabe im Theater ein Akt von Technokraten war, die Fußball nicht verstanden haben, nur der Fußballverband hatte Probleme das einzusehen.
Was gestern im Engenhão Stadion durchgeführt wurde, war somit ein Festakt. Das Spiel geriet für alle Beteiligten zur Nebensache. Rund um das Stadion wurden die in Brasilien üblichen Meisterschärpen verkauft, die sich die Fans stolz überstreiften. Mehrere Tricolores hatten sich für diesen Tag eine besondere Verkleidung, wie Hüte, Masken oder bemalte Gesichter überlegt. Am besten hat mir der Fan gefallen, der sich einen kompletten Frack, mit Zylinder und Fliege in den Farben grün-weiß-rot geschneidert hat. Diese Verkleidung spielt auf den aristokratischen Ursprung des Vereins an.


Vor dem Stadion treffe ich Amanda, die auch eine Eintrittskarte ergattert hat: „Du wirst heute die beste Mannschaft Brasiliens sehen.“, erklärt sie mir. „Das wird dir gefallen. Mein Team hat die Meisterschaft gewonnen!“ Vor dem Osteingang, an dem sich die Tricolores treffen, ist noch eine halbe Stunde vor Spielbeginn die Hölle los.


Eigentlich hat das Engenhão ein offizielles Fassungsvermögen von 45.000 Zuschauern. Aber die gesamte Nordkurve, etwa 10.000 Plätze, werden für Gästefans reserviert. Bei den riesigen Entfernungen zwischen brasilianischen Erstligastädten heißt das zumeist, dass dieser Bereich fast komplett leer bleibt. Das wissen auch die Tricolores, die keine Karte haben, und so beobachte ich eine große Menge, die versucht sich am Nordeingang Zutritt zu verschaffen. Sie schreien „Cruzeiro, Cruzeiro“, aber die Ordner bleiben hart. Ein typisches Beispiel für das Beharren auf unsinnige Regeln.
Als ich etwa 15 Minuten vor Spielbeginn auf die Tribüne komme, bemerke ich erneut, dass es sich heute um ein besonderes Spiel handelt, denn die Mannschaft ist schon auf dem Platz, um die Meisterfotos zu machen. Diese Änderung des normalen Protokolls, bringt auch die Fans aus dem Rhythmus. Sie hatten eine Choreographie (Fizeram História – Sie haben Geschichte geschrieben) geplant, die beim Einlaufen der Mannschaften gezeigt werden sollte. Kurz vor Spiel wird sie eher etwas schief gezeigt. Danach wird das berühmte Talkpulver in die Höhe geschmissen, dass den Fluminensespielen das besondere Flair verleiht.


Plötzlich gibt es Aufregung hinter mir. An einem der Zugänge bildet sich eine Menschentraube. Nach einiger Zeit sehe ich wer den Tumult verursacht: Novak Djokovic. Die Nummer Eins der Tennis-Weltrangliste ist gerade in Rio für ein Freundschaftsmatch gegen Gustavo Kürten und ließ es sich nicht nehmen den brasilianischen Meister zu sehen.


Dann wird es plötzlich ruhig. Es wird jetzt richtig klar, dass das Spiel eher stört. Die Fans wollen den Pokal sehen und die Spieler ihn entgegennehmen. Sie sind auch komplett von der Rolle und verlieren 0:2. Die Luft ist einfach raus. Da hilft es auch nicht, dass die Akustik des Engenhão fürchterlich schlecht ist und so ist es selbst in einem ausverkauften Stadion schwer Stimmung zu erzeugen.


So überrascht es nicht, dass die Fans erst etwa fünf Minuten vor Spielende wieder beginnen ihre Gesänge anzustimmen. Sie fiebern dem Moment der Pokalübergabe entgegen. Dann ist es endlich soweit: der Schiedsrichter pfeift ein gruseliges Spiel ab und die Spieler von Fluminense begeben sich zu der in der Nordkurve errichteten Bühne. Endlich bekommen sie den Pokal und können, unter dem Jubel der Fans, die lang ersehnte Ehrenrunde drehen.


2x0? Scheiß drauf. Ich bin Meister!

Mittwoch, 14. November 2012

Vereinshymne Fluminense


Brasilien steht vor einer Woche von Feiertagen: morgen ist der Gedenktag an die Republikausrufung und am Dienstag wird an den dunkelhäutigen Aktivisten Zumbi dos Palmares erinnert. Freitag und Montag werden dann, speziell in öffentlichen Einrichtungen, wörtlich „erhängt“ – „dias enforcados“. Ich werde deshalb heute Abend in die Berge fahren und das Spiel der Seleção gegen Kolumbien ignorieren. Am Sonntag bin ich dann wieder zurück, um im Engenhão die Pokalübergabe an Fluminense zu bewundern.
Für heute habe ich eine Hommage an den frischgebackenen Meister Fluminense vorgesehen. Und zwar habe ich bei Youtube einige interessante Versionen der Vereinshymne gefunden, die ihr im Folgenden genießen könnt. Auf Facebook könnt ihr abstimmen welches euer Favorit ist.

Version Tim Maia:


Version Rock:


Version Piano:


Version Nymphensittich (Calopsita):


Montag, 12. November 2012

Palmeiras – Fluminense, 2:3


Am Ende ging alles ganz schnell. Drei Spieltage vor Saisonende ist Fluminense schon brasilianischer Fußballmeister. Ich wohne in der Nachbarschaft des Stadtteils Laranjeiras, in dem das Vereinsheim und Stadion von Fluminense steht. Jeden Sonntagmorgen mache ich ein Fitnessprogramm im Nationalpark Tijuca, unweit der Christusstatue. Schon dort waren viele Tricolores mit ihren dreigestreiften Trikots unterwegs. Beim Rückweg auf der Laranjeiras-Straße sah ich schon um 9.30h in der Früh einen Verkäufer der Meisterschärpen. Aber ich ging erst mal heim, um zu frühstücken, das Spiel begann ja erst um 17.00h.
Außerdem hielt ich die Meisterchancen für gering, denn nicht nur Fluminense musste Palmeiras besiegen, sondern durfte auch Atlético – MG bei Vasco nicht gewinnen. Palmeiras saß eine Platzsperre aus und so fand das Spiel in Presidente Prudente, im Hinterland São Paulos statt. Ich ging auf den São Salvador Platz in Laranjeiras, wo sich mehrere Kneipen mit Fernsehern befinden. In relaxter Sonntagnachmittag-Atmosphäre spazierten die Tricolores über den Platz und genossen ihr erstes Bier.
Zu Spielbeginn war kein Platz mehr in den Kneipen und die Menge machte sich auf der Straße breit. Für Autos war fast kein Durchkommen. Beim Anpfiff machte sich zunächst angespannte Stille breit. Aus São Januário wurde das 1:0 für Atlético – MG gemeldet. Aber kurz vor der Halbzeit erzielte Fred das 1:0 für Fluminense. Das Spiel wurde in der zweiten Halbzeit dramatisch, denn Fluminense erziehlte einen weiteren Treffer gegen den Abstiegskandidaten und verspielte dann aber diese Führung. In São Januário konnte Vasco tatsächlich ein 1:1 gegen Atlético – MG erringen. Jetzt fehlte nur noch das Siegtor Fluminenses. Nach einer kurzen Schwächephase konnte der Tabellenführer die Kontrolle des Spiels in beeindruckender Weise zurückerobern. Und in der 87. Minute war es dann soweit: Fred trifft mit seinem 19. Saisontor zum 3:2.
Nur wenige Minuten später steigen die Fans um mich auf die Tische und ein Feuerwerk in den Himmel Rio de Janeiros. Fluminense gewinnt seine 4. Nationale Meisterschaft. (Etwas verwackelt)


Ein paar Bier später gehen wir die Straßen des Viertels hinunter zum Vereinssitz. Die Pinheiro Machado Straße ist schon vollbesetzt mit Tricolores:


Im Stadion wird fieberhaft gearbeitet, um den Bierverkauf zu organisieren. Um 21.00h öffnen die Stadiontore und die Fans stürmen den Platz. Die Mannschaft kommt erst um 3.00h im Stadion an und präsentiert sich den Fans. Aber da bin ich schon im Bett. Ich war sicherlich auf der besten Party der Stadt. Was für ein Wochenende! Was für ein Martinstag!


Ich geh mit meiner Laterne 
und meine Laterne mit mir.
Dort oben leuchten die Sterne und unten, 
leuchten wir.
Mein Licht ist aus, ich geh nach Haus.
rabimmel- rabammel-rabum.

Breaking News: Fluminense Campeão!!!


Morgen sag ich was dazu!!!!

Sonntag, 11. November 2012

Party der Botachopp



Einem jeden Rio-Besucher kann ich nur empfehlen eine Sambaschule zu besuchen. Das ist ein unglaubliches Erlebnis. Gestern hat die Torcida Organizada Botachopp , eine Ultragruppierung von Botafogo, zu ihrer alljährlichen Party die Sambaschule Caprichosos im Stadtteil Pilares angemietet.
Eine Sambaschule dient nicht zum Samba lernen sondern es handelt sich um eine Halle, die die nötige Infrastruktur für eine Großparty bietet, also Grill, Getränkeverkauf, Musik, Tanzfläche, Toiletten. Die Caprichosos liegt gleich an der Straße gegenüber vom Bahnhof Pilares in der Nordzone Rio de Janeiros. Sie wurde in den Freiraum unter eine Straßenbrücke gebaut. Ich komme dort mit meinem schwedischen Kollegen Henrik gegen Mittag an und kaufe an einem der Kassenlöcher ein Hemd für R$50, das als Eintrittskarte gilt.
Mit dem Hemd bewaffnet gehen wir durch die Drehtüren und werden vom Sicherheitspersonal auf Waffen untersucht. Wir sind drin und holen uns erst ein Mal ein Bier. Dann stellen wir uns in der Schlange am Grill an und bereiten uns einen Teller mit frischgegrilltem Fleisch und Wurst.
In dem Saal drängen sich schon über hundert Botafogofans. In der Mitte wurde eine Bühneninsel errichtet, auf der eine Sambaband spielt. Aber am linken Ende der Halle gibt es eine große Bühne für die Percussionsgruppe der Sambaschule, die auch einen Auftritt hat. Das ist ziemlich beeindruckend:


 Auf der Rückseite befinden sich mehrere abgetrennte Logen für geladene Gäste. In der größten treffen wir einige ehemaligen Spieler von Botafogo wie den Weltmeister Jairzinho, Gonçalves und Maurício. Daneben haben einige befreundete Fanclubs von Botafogo Logen bekommen. Die Jungs laden uns ein, denn sie finden es super, dass ein paar Ausländer sich für Botafogo interessieren. Man stellt mit Eis und Bierdosen gefüllte Eimer auf den Tisch, um immer ein eisgekühltes Bier griffbereit zu haben. Es ist für alle Altersklassen was geboten, sogar für den Nachwuchs, für den eine Hüpfburg aufgebaut wurde.
Henrik will noch unbedingt mit dem Präsidenten der Botachopp Paulinho sprechen. Als wir ihn endlich treffen ist er aber zu betrunken, um noch irgendwas Ernsthaftes zu sagen. Er umarmt uns nur und erklärt wie sehr er Botafogo und die Welt an sich liebt. Dann zeigt er uns seinen Organspenderausweiß. Im jetzigen Zustand würde der Organspender aber sofort mit betrunken werden. Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist. Insgesamt ist die ganze Veranstaltung eine exzellente Saufparty.
Uns hat es gefallen, aber wir müssen die Heimreise antreten. So gehen wir zurück zum Bahnhof und nehmen den Zug zum Hauptbahnhof. Während der Fahrt kommt eine Gruppe von Jungs ins Abteil und erspäht die Ausländer mit den Botafogoshirts. Sie versammeln sich um uns und beginnen verschiedene hervorragende Lieder zu singen. Sie beklagen, dass sie kein Geld haben, um auf die Party oder ins Stadion zu gehen. Ja, die Jungs fehlen im Stadion, denn sie sind zwar noch jung, aber sie können schon die Lieder. Seht selbst:


  Im übrigen Botafogo könnte mit „Brandstifter“ übersetzt werden, somit ist Botachopp der „Schoppenstifter“ oder „Bierstifter“. Man könnte den Namen auch mit „Füll den Krug“ übersetzen. Das brasilianische Wort Chopp hat seine Wurzeln tatsächlich im deutschen Wort Schoppen. Es wurde von deutschen Migranten nach Brasilien gebracht. 

Samstag, 10. November 2012

Duque de Caxias – Icasa, 0:0



Dieses Wochenende finden die entscheidenden Viertelfinalspiele der dritten Liga statt. Die vier Sieger steigen in die zweite Liga auf. Schon gestern Abend spielte ein Vertreter aus Rio de Janeiro, der Duque de Caxias FC, gegen Icasa aus Juazeiro do Norte in Ceará. Das Hinspiel konnte Icasa 2:1 gewinnen und so benötigte Duque de Caxias einen 1:0 Sieg, um aufzusteigen.
Duque de Caxias FC wurde 2005 in der gleichnamigen Stadt in der Peripherie Rio de Janeiros gegründet. Duque de Caxias hat heute etwa 850.000 Einwohner und stützt seine Wirtschaft auf die lokale Gasraffinerie der Petrobras. Der Verein ist kein Klub mit Mitgliederverzeichnis im traditionellen Sinn, sondern ein Unternehmen, das von einer Gruppe von Anteilseigentümern geleitet wird. Einer der Gründer und Besitzer ist der ehemalige Bürgermeister von Duque de Caxias Washington Reis.
Der Verein existiert nicht, um eine Fanmasse anzusprechen, sondern um Spieler auszubilden und möglichst gewinnbringend ins Ausland zu verkaufen. Deswegen konnte man es sich leisten sein Stadion in dem Dorf Xerém am Fuße des Gebirges von Petrópolis zu errichten. Dort ist es so unzugänglich, dass man überhaupt nicht mit einem großen Zuschauerstrom rechnet.
Den beschwerlichen Weg erlebten gestern mein Kollege Lugui und ich an eigener Haut. An Freitagabenden sind die Stadtautobahnen Rio de Janeiros immer sehr verstopft, da sich zum normalen Verkehr auch die Wochenendpendler gesellen, also machten wir uns um kurz nach vier auf den Weg. Doch schon ab der Autobahnauffahrt standen wir im Stau. Wir quälen uns am Flughafen vorbei, durch Duque de Caxias bis nach Xerém. Zu allem Überfluss begann es aus Kübeln zu schütten. An der Auffahrt nach Petrópolis nehmen wir die Ausfahrt und kommen um 19.15h endlich an: Drei Stunden Fahrt!


Das Spiel sollte eigentlich schon eine viertel Stunde laufen. Aber am Eingang wurden wir informiert, dass das Spiel noch nicht begonnen hat, da die Sanitäter noch nicht angekommen waren. Lugui stellte sich in die Schlange am einzigen Kassenhäuschen, um eine sozialverträgliche Eintrittskarte für R$4 (etwas mehr als €1) zu erstehen. Die Veranstalter waren eindeutig nicht auf den großen Ansturm von etwas über 1.000 Zuschauern eingestellt und so kam Lugui erst kurz nach Anpfiff um 19.00h auf der Tribüne an.
Ich hatte das Gefühl, dass sich der der Großteil der anwesenden Fans kennt. Es handelte sich um Nachbarn aus Xerém, die eigentlich Anhänger eines der großen Teams aus Rio sind, aber heute den lokalen Klub in der dritten Liga unterstützen. Man sah Fans von Fluminense und Flamengo einträchtig nebeneinander sitzen. Auf der Gegengerade gab es aber tatsächlich auch eine kleine Torcida Organizada, die mit Konfetti, Trommeln und Gesängen mächtig auf sich aufmerksam machte. Auch sie bekamen Unterstützung von den Fanklubs von Bangu und Bonsucceso, andere kleine Klubs aus den Vororten Rios. „Das ist heute das Treffen des Alternativfußballs.“, kommentierte Lugui die Situation.


Ich drehte meine Runde im Stadion, um Fotos zu machen. Auf den Toiletten traf ich den Trainer der Meistermannschaft von Flamengo aus dem Jahr 2009 Andrade. Auf der Ehrentribüne erspähte ich den Ex-Bürgermeister Washington Reis. Schließlich traf ich noch auf der Haupttribüne das Trainergespann der Frauenmannschaft von Duque de Caxias Edson und Luiz, die ich vor einiger Zeit für mein Buch interviewt habe. „Die lokale Prominenz ist hier versammelt.“, dachte ich mir.
Ganz hinten auf der Tribüne stoße ich auf fünf Fans in grünen Trikots von Icasa. „Wir sind Mittwoch mit dem Bus losgefahren, um die 36 Stunden von Juazeiro do Norte bis Rio de Janeiro zu bewältigen.“, erklärte mir Luizinho. Ich bin beeindruckt und hege Sympathien für das Gästeteam. Ich bezweifle, dass jemand aus Duque de Caxias das gleiche getan hätte. Icasa bedeutet „Indústria e Comércio de Algodão AS” (Industrie und Handel von Baumwolle AG). Der Besitzer dieses Unternehmens hat den Verein 2002 gegründet.


Das Stadion wurde 2007 erbaut und fasst 7.000 Zuschauer. Es wurde offiziell nach dem Goalgetter Romário benannt, erhielt aber im Volksmund den Namen „Marrentão“. Das relativ neue Stadion besitzt nur Tribünen auf den Längsseiten des Platzes und nicht hinter den Toren. Es wurden schon Stützsäulen für eine modern wirkende Überdachung angebracht, aber der Bau nicht vollendet. Gott sei Dank hat es aufgehört zu regnen! Aber der Platz ist durchtränkt und wurde zu einem fast unbespielbaren Acker.
Duque de Caxias drängte 90 Minuten lang auf den Siegtreffer und hatte mehr Spielanteile. Aber insgesamt waren die Aktionen zu unkonzentriert und der schlechte Platz machte einen geplanten Spielaufbau unmöglich. Icasa konzentrierte sich darauf das Ergebis zu halten. In der 80. Minute sah Icasas Torwart die Rote Karte für Zeitspiel, was nochmal fünf Minuten kostete. Aber selbst in Unterzahl war Icasa einfach viel konzentrierter und cleverer. So bleibt es beim 0:0 und Luizinho konnte mit seinem Team den Aufstieg feiern.  Das versüßt die Rückfahrt.
Lugui und ich traten auch die Fahrt nach Rio an, vorbei am Internat und Trainingsgelände von Fluminense. Xerém ist eine Art Fußballpol, denn es gibt auch noch den Verein Tigres, dessen Stadion Los Larios sogar größer als das von Duque de Caxias ist. Beide Vereine und das Internat von Fluminense dienen zur Spielerausbildung. Die Klubs suchten billiges Bauland, um perfekte Trainingseinrichtungen zu erbauen. Die Vereine finanzieren sich dann über den Verkauf dieser Spieler.
Inzwischen hatten wir fast 22.00 Uhr. Die Straßen waren frei und es gab keinen Stau mehr. In einer knappen Stunde Fahrt waren wir zurück. So schnell könnte es gehen. Bisher sind Chapecoense, Icasa und Paysandu aufgestiegen. Das Spiel zwischen Fortaleza und Oeste steht noch an.


Donnerstag, 8. November 2012

Maracanã



Gestern war einer der wenigen Termine im Jahr, an dem kein Fußballspiel auf dem Programm stand.  Stattdessen rief die Sportsekretärin des Bundeslandes Rio de Janeiro Márcia Lins zu einer Pressekonferenz ins Maracanã. Es sollte eine Werbeaktion gemeinsam mit einem großen Sponsor vorgestellt werden. Aber was die Journalisten wirklich wissen wollten ist, wie und in welcher Form der Bau des Maracanã vorangeht.
Das Thema ist gerade in dieser Woche interessant, da heute (08.11.12) eine öffentliche Anhörung zu den Plänen der Umgestaltung der Umgebung des Stadions stattfinden wird. Da das Maracanã eine staatliche Einrichtung ist, ist es gesetzlich vorgeschrieben, dass so eine Anhörung durchgeführt werden muss, bevor die Ausschreibung für die Bauarbeiten vom Bundesland gemacht werden kann. Das Gelände des Maracanã besteht nicht nur aus einem Fußballstadion, sondern auch aus einem Leichtathletikstadion, einem Schwimmbad, der Sporthalle Maracanazinho und der Arthur Friedenreich Grundschule.
Mehrere Interessensvertreter von Bürgerbewegungen haben sich besorgt gezeigt, dass es sein könnte, dass geplant ist, diese Einrichtungen abzureißen, um für die WM Parkplätze, VIP-Bereiche und Pressegebäude zu errichten. Damit würde den Bürgern der Stadt Rio de Janeiro nicht nur ein öffentliches Sportangebot und eine Schule, sondern auch ein denkmalgeschützter Architekturkomplex verloren gehen. Persönlich würde ich den Verlust der Friedenreich-Schule beklagen, da ich die Biografie des Namensgebers (http://www.werkstatt-verlag.de/?q=9783895336461) geschrieben habe und der Meinung bin, dass Brasilien diesen Spieler sowieso schon zu sehr vergessen hat.


Márcia Lins ging auf diese Details nicht ein und verkündete nur, dass die Anhörung stattfinden würde. Aber in ihrer Rede spielte eine Auseinandersetzung mit den Werten Tradition und Moderne eine wichtige Rolle. Zunächst machte sie darauf aufmerksam, dass es eine große Herausforderung sei ein Stadion mit all seiner Infrastruktur WM-tauglich zu machen. Es wäre eine große Leistung, dass das Maracanã neben dem Azteken-Stadion in Mexiko das einzige ist, das zwei WM-Finale ausrichten wird. Dafür wurde viel investiert und am 28.02.2013 soll termingerecht das modernste Stadion der Welt übergeben werden. Modern heißt für sie nicht nur, dass die Tribünen komplett neu errichtet wurden, sondern dass auch auf ökologisch korrekte Nachhaltigkeit geachtet wurde: es wurde mit wiederverwertbarem Material gearbeitet, der Stromverbrauch konnte gesenkt werden und es wird Regenwasser aufgefangen werden.
Wichtig war in den Augen der Sekretärin, dass das Verhalten der Fußballfans in den letzten Jahren geändert wurde. Diese würden jetzt Sitzplätze respektieren und die Sitzschalen nichtmehr zerstören. Das wäre der Erfolg von gezielten Maßnahmen der Landesregierung.
Aber trotz aller Modernisierung wäre es der Landesregierung und dem Bauunternehmen gelungen die traditionelle Architektur des Maracanã zu behalten. Es wäre weiterhin „Mein Maracanã, dein Maracanã, unser Maracanã“. Da es sich um ein öffentliches Bauwerk handeln würde, das noch dazu die zweitmeistbesuchte Sehenswürdigkeit Rio de Janeiros, nach der Christusstatue, ist, wäre es auch gerechtfertigt, dass der Bau aus öffentlichen Geldern finanziert wurde. Schließlich würde ja auch die französische Regierung den Eifelturm instand halten.
Damit trifft sie einen Nerv der Brasilianer, die Paris für die Wiege der westlichen Zivilisation und damit als Sinnbild für alles Moderne halten. Dieser Diskurs ist sicherlich wichtig für das brasilianische Publikum, aber in den letzten Monaten haben selbst in regierungsnahen Presseorganen Reflektionen eingesetzt, die die aufgezwungenen FIFA-Normen hinterfragen. Wollen wir wirklich alle beim Fußball sitzen? Ist das noch eine brasilianische Art Fußballfan zu sein? Oder ist es eine aufgezwungene europäische Art, von der wir uns eigentlich abgrenzen wollen? Verlieren wir hier nicht einen Teil unserer Kultur?
Zentral erscheint mir dabei, dass das Maracanã tatsächlich für das breite Volk gebaut wurde. Das ist der Grund, dass damals 200.000 Menschen in ihm Platz fanden, denn jeder Brasilianer sollte Zugang haben.  Die Tribünen wurden damals rund angeordnet, damit jeder Platz im gleichen Winkel zum Rasen stand. Nach dem Umbau wird ein neuer ovaler Grundriss für eine Hierarchisierung sorgen. Deshalb wurden auf seinem Grundstück auch eine Schule und andere Sporteinrichtungen gebaut. Es sollte eine Grundversorgung an Bildungs- und Sportangeboten gesichert werden. Als ich zum ersten Mal im Jahr 2000 im Maracanã war, kostete der Stehplatz etwa €1. Das war für jedermann erschwinglich. Aber das wird sich ändern, denn die Preise für Fußballspiele sind schon jetzt auf mindestens €15 geschossen.



Das was Márcia Lins „Änderung des Fanverhaltens“ bezeichnet, ist in Wirklichkeit ein Ausschluss derjenigen, die singen, tanzen und ihr Team anfeuern wollen. Ein Effekt der Stadionmodernisierung ist, dass das Publikum ausgetauscht wird und zwar nach finanziellen Gesichtspunkten. Und damit ist es eben nichtmehr unser aller Maracanã. Ich selbst spüre das auch, denn es passiert immer öfter, das ich von Sicherheitskräften angesprochen werde, warum ich denn im Stadion fotografieren würde (Als ob niemand beim Fußball fotografieren würde!).
Heute habe ich zum Beispiel für diesen Post Fotos gemacht und wollte dabei auch die kleineren Stadien und die Schule fotografieren. Als ich mich auf dem Parkplatz der Schwimmhalle befand kam wieder so ein Sicherheitsbeamter und verbat mir Fotos zu machen. Ich hielt ihm entgegen, dass es sich um einen öffentlichen Ort handeln würde. Er erwiderte, dass es trotzdem verboten sei Fotos zu machen. „Verstanden?“ „Nein!“ Aber es half nichts, er begleitete mich zum Ausgang. Der Maracanã-Komplex ist wohl kein Ort für jedermann mehr. Hier die Fotos, die ich vor der Ankunft des Wachmannes schießen konnte:




Sicherlich waren einige bauliche Maßnahmen nötig, denn Teile der Brüstung des Oberrangs sind schon einmal heruntergefallen. Ein anderes Problem war, dass die Evakuierung über 30 Minuten dauerte, während nach modernen Sicherheitsstandarts höchstens 10 Minuten erlaubt sind. Deshalb wurden mehrere zusätzliche Rampen gebaut. Insgesamt machen die Bauarbeiten einen positiven Eindruck. Das architektonische Projekt sieht sehr schön aus. Man darf erwarten, dass die neue Überdachung spektakulär wird. Das Stadion wird auch sicherlich rechtzeitig fertig. Aber der 28.02.13 scheint mir zu optimistisch. Es könnte sein, dass bis zu diesem Zeitpunkt das Stadion an sich fertig ist, aber auf keinen Fall die Umgebung, Zufahrtswege, Beleuchtung, Innenausstattung, Rasen etc.
Deswegen wollte sich auch weder Márcia Lins noch der Chef des zuständigen Bauunternehmens Ícaro Moreno auf ein Datum für die ersten Testspiele festlegen. Es könnte sich um ein normales Ligaspiel handeln oder aber auch ein Länderspiel. Wahrscheinlich wird aber der Confed-Cup 2013 selber der erste ernstzunehmende Test.