Mittwoch, 19. Dezember 2012

Frohe Weihnachten!



Mit dem Weltpokalfinale endete die brasilianische Fußballsaison 2012. Auch in Deutschland werden heute die letzten Pokalbegegnungen vor der Winterpause ausgetragen. Deshalb werde auch ich mir ein paar Wochen Weihnachtsferien (im Brasilianischen Sommer) gönnen. Pünktlich zum Beginn der Saison 2013 Mitte Januar werde ich mich zurückmelden. Ich danke meinen Lesern, besonders denen die Kommentare im Blog oder Facebook hinterlassen haben. Frohe Weihnachten und einen Guten Rutsch!

Martin Curi

Dienstag, 18. Dezember 2012

Die Energie der Fans


Ein großer brasilianische Ölkonzern hat eine sehr interessante Dokureihe finanziert, die die Fans wichtiger brasilianischer Klubs vorstellt. Das Filmteam besuchte 24 Fanblöcke und bereiste dazu ganz Brasilien. Das Ergebnis ist eine sehr schöne Dokumentation der Emotionen auf den Rängen. Das Team ging der Frage nach, welche Energie die Fans im Stadion antreibt. Daraus formten sie 24 Portraits der verschiedenen Fangruppen. Dabei fällt auf, dass für den brasilianischen Fußball so wichtige Städte wie Recife und Belém fehlen. Auf der anderen Seite wurde ein relativ unbedeutender Klub wie Grêmio Prudente besucht, der zu jener Zeit in der ersten Liga war. Dort war dann auch die wichtigste Sorge, wie man eine Fanmenge bildet.

Porto Alegre:
Grêmio
Internacional
Florianópolis:
Avai
Figueirense

Curitiba:
Atlético – PR
Coritiba

São Paulo:
Corinthians
Grêmio Prudente
Guarani
Palmeiras
Santos
São Paulo

Rio de Janeiro:
Botafogo
Flamengo
Fluminense
Vasco

Belo Horizonte:
América – MG
Atlético – MG
Cruzeiro

Goiânia:
Atlético – GO
Goiás

Salvador:
Bahia
Vitória

Fortaleza:
Ceará

Nach diesem Schritt wurden aus dem vorhandenen Material fünf Querthemen herausgefiltert, die sich den Werten der Fans widmen: Fußball-Kunst, Liebe, Teamgeist, Treue, Leidenschaft. Das wäre dann die Energie der Fans. In den Interviews fällt auf, dass die Fans meist ein Schlüsselerlebnis – ein besonderes Spiel – haben, dass sie mit ihrem Klub verbindet. Bei allen Vereinen, die schon mal den Klub-Weltpokal gewonnen haben, ist das das große legendäre Spiel des Vereins.

Fußball-Kunst
Liebe
Teamgeist
Treue
Leidenschaft

Die zwei Reporter treffen sich in den Stadien Brasiliens mit den dortigen Fans und tauchen in die Fanblöcke ein. Etwas schade ist dabei, dass sie sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt rücken. Man sieht sie mehrfach mit den Fans tanzen und ihre Lieder singen. Dabei ist doch gerade die Treue ein so wichtiger Wert für die Fans, der es eben verbietet bei anderen Klubs mit zu singen. Aber sonst ist eine wirklich schöne Filmreihe gelungen, die tiefe Einblicke in die Fußballkultur Brasiliens ermöglicht.
Es gibt auch eine längere übergreifende Fassung, leider Alles auf Portugiesisch und ohne Untertitel. Aber die Bilder können ja auch beeindrucken. 


Sonntag, 16. Dezember 2012

Corinthians – Chelsea, 1:0



In der Champions League gibt es sicherlich ein dutzend Mannschaften, unter ihnen ist auch Chelsea, die besser als Corinthians sind. Die Mannschaft aus São Paulo hätte große Schwierigkeiten in einem ernsthaften Wettbewerb mit mehreren starken Mannschaften und Hin- und Rückspiel zu bestehen. Selbst das Krisen-Chelsea, das aus seiner laufenden Saison gerissen wurde, um in Japan um den Weltpokal mit zweifelhaftem Wert zu spielen, hatte mehr Großchancen als Corinthians und somit nur mit Pech verloren. Wenn der Torwart der Siegermannschaft zum besten Spieler des Turniers gewählt wird, dann ist das meistens kein gutes Zeichen. Es ist einfach zu klar, dass europäische Mannschaften den südamerikanischen überlegen sind.
Viele Brasilianer würden mein Argument jetzt natürlich als überheblich und vorurteilbeladen ansehen. Nur habe ich während des Halbfinales zwischen Chelsea und Monterrey einen brasilianischen Sportkommentator beobachtet, der genau das gleiche Argument gegen die Vertreter aus Afrika, Asien und Nordamerika anbrachte. Seiner Meinung nach sind diese Halbfinals wertlos und man sollte direkt ein Finale zwischen den Gewinnern der Champions-League und der Copa Libertadores austragen. Damit stellt er Europäer und Südamerikaner auf eine Stufe über den anderen.  
Ich beobachte diesen Qualitätsunterschied auch, aber würde eben ergänzen, dass er auch zwischen Europa und Südamerika besteht. Beobachtet man noch dazu wie wenig Wert die Europäer dem Weltpokal zollen, muss man sogar sagen, dass es für die Südamerikaner peinlich ist, dass sie nicht öfters gewinnen. Für Europa ist dieser Wettbewerb einfach nur eine Last und sollte ganz abgeschafft werden.
Wie auch immer, die Fans von Corinthians ziehen gerade jubelnd und tanzend über São Paulos Prachtallee – die Avenida Paulista. Sie halten sich jetzt sogar für einen zweifachen Weltmeister, da sie auch das FIFA-Kunstprodukt von 2000 in Brasilien gewonnen haben. Damals wurde der Pokal in zwei Gruppen mit je vier Mannschaften ausgetragen, was ja sogar ein etwas ernsthafterer Modus ist. Trotzdem reisten die europäischen Vertreter (Real Madrid als Gast der FIFA und Manchester United) damals sehr wiederwillig an, da sie sich zeitlich nicht in der Lage sahen zwei Wochen im Januar in Brasilien zu verbringen.
Dementsprechend schied Manchester United damals schon in der Vorrunde aus und das Finale wurde zwischen den beiden Hausherren Vasco da Gama (Libertadoressieger) und Corinthians (Brasilianischer Meister) ausgetragen. Es handelt sich somit um den einzigen Weltpokal, der nicht von einem Kontinentalmeister gewonnen wurde. Mit Real Madrid kam ein weiterer „Nicht-Meister“ auf den vierten Platz. Hier eine Zusammenfassung des heutigen Spiels:


Samstag, 15. Dezember 2012

Der „Wunderbare Hafen“



Die umfassendsten Renovierungsarbeiten und Neukonstruktionen geschehen in Rio de Janeiro im historischen Stadtzentrum. Dort werden keine Sportwettbewerbe der olympischen Spiele stattfinden. Man kann hier eher das Spiel zwischen kultureller Aufwertung und anschließender Immobilienspekulation beobachten. Als ich im Jahr 2000 zum ersten Mal nach Rio kam, fristete das Zentrum ein Mauerblümchendasein. Die Lapa war als Nightlife-Viertel noch nicht entdeckt, Santa Teresa komplett entwertet und der alte Hafen eine No-Go-Area. 
Das hat sich in den darauffolgenden 10 Jahren radikal geändert. Zunächst haben hier alternative Künstler, Undergrounddiscos oder einfach Abenteuerlustige eine Bleibe gefunden. In Santa Teresa wurde der Tag des offenen Ateliers als erster Kulturevent eingeführt. Auch die verlassenen Fabrikhallen in der Hafenregion wurden zu Kulturzentren und billigen Ateliers umfunktioniert. Der Conceição-Hügel hat sein kulturelles Erbe als Geburtsstätte des Sambas wieder entdeckt. Heute treffen sich jede Nacht unzählige Menschen am „Salzstein“ (Pedra do Sal), wo angeblich der Samba erfunden wurde. Ganz zu schweigen von der Lapa, wo sich inzwischen schicke Bars aneinanderreihen.

Der „Pedra do Sal“


Noch bis vor kurzem gab es keinerlei Investitionen in das kulturelle Erbe des Stadtzentrums. Aber seit der Olympiavergabe wird ein historisches Gebäude nach dem anderen renoviert: das städtische Theater, die Kathedrale, die Fiskalinsel, der Tiradentes-Platz. Man merkt auch, dass jetzt stärker auf Dokumentation und Information geachtet wird. An mehreren Standorten werden Informationsschilder aufgestellt und Touristenführer werden professionell ausgebildet. Früher gab es einfach keine Führungen rund um das ehemalige Regierungsviertel und die Prachtbauten der Bibliothek und des Museums der Schönen Künste.

Die renovierte Kathedrale


Die Konsequenz ist, dass nicht nur hier im Zentrum, sondern in ganz Rio die Immobilienpreise immens ansteigen. Gerade so ein entwertetes Viertel wie der Hafen – zwischen Conceição-Hügel und den verlassenen Fabrikhallen -  lohnt sich besonders für Spekulation, denn es verspricht die höchsten Gewinne. So wurde unter dem Namen „Porto Maravilha“ (Wunderbarer Hafen) beschlossen diese Region wiederzubeleben.
Erneut legt man Wert auf die kulturelle Komponente, indem das „Museum für Kunst Rio“ und das „Museum des Morgens“ (was auch immer das sein soll) gebaut werden. Das hässliche Viadukt der Stadtautobahn soll abgerissen und stattdessen ein Tunnel gebaut werden. Die alten Lagerhallen wurden schon renoviert und hier finden jetzt jährlich die Modewoche und die Kunstmesse statt. Die ehemaligen Fabriken sollen abgerissen werden, um neue Wohn- und Büroflächen zu errichten.

Das Museum der Kunst Rio


Das ganze „Porto Maravilha“-Gebiet erhält eine Straßenbahn, die es mit dem Stadtflughafen, den Bahnhöfen, der Metro und wahrscheinlich sogar dem Maracanã verbindet. Da ist klar, dass hier die Preise in die Höhe schnellen.
Bei den Bauarbeiten wurden mehrere archäologische Entdeckungen gemacht, wie zum Beispiel die ehemaligen Hafenanlagen der Kolonialzeit. Der „Pedra do Sal“ war der Ankunftspunkt der verschleppten Sklaven aus Afrika. Viele von ihnen ließen sich in dieser Region nieder. Deshalb wurde dort der Samba entwickelt. Die Fundstücke werden scheinbar professionell gesichert und dokumentiert. Man kann inzwischen gut renovierte historische Städten besuchen und sich informieren.

Die koloniale Hafenanlage


Die Bauarbeiten nehmen ein Ausmaß, wie damals am Potsdamer Platz in Berlin an. Und so wurde auch die Idee eines Besucherzentrums kopiert. In einem blau angestrichenen Würfel können sich Besucher über die Baupläne informieren. Die Einwohner Rio de Janeiros entdecken gerade Teile und Geschichten ihrer Stadt, die ihnen bisher komplett unbekannt waren.


Ein Film im Besucherzentrum, der den Urbanisierungsplan vorstellt.

Gleichzeitig setzt aber auch der Prozess der Gentrifizierung ein. Das heißt, dass der Stadtteil zwar aufgewertet wird, aber die statusniedrigeren Anwohner können sich die wachsenden Preise nicht mehr leisten und werden vertrieben. In einigen der hier befindlichen Favelas geschieht das durch Zwangsenteignung. Es wird die sogenannte Friedenspolizei installiert, deren Aufmarsch aber sehr kriegerisch wirkt.

Die „Friedenspolizei“


Sicherlich sind die neuen Seilbahnen in die Favelas absolut notwendig für die Anwohner. Pech hat aber nur derjenige, der sein Haus ausgerechnet an dem Ort hat, an dem ein Pfeiler für den Lift errichtet werden soll. Die Ingenieure der Stadtverwaltung legen den Weg der Seilbahnen fest, ohne die Bevölkerung zu befragen. Die Vertriebenen bekommen zwar eine Abfindung, beklagen sich aber meist darüber, dass der Wert zu gering sei. Ihr Schicksal ist meist, dass sie in einen zwei oder drei Stunden entfernten Vorort ausweichen müssen.
So faszinierend die Veränderungen und die Bauarbeiten sind, so problematisch sind ihre Auswirkungen auf die ärmere Bevölkerung. Diese Seite der Olympiavorbereitungen versucht das Organisationskomitee gern zu verstecken. Hier ein Video von Aktivisten (mit englischen Untertiteln):


Der interessanteste Teil des Videos beginnt bei etwa drei Minuten, wenn der Vertreter der Stadtverwaltung die Informationsweitergabe der Aktivisten verhindern will. 

Freitag, 14. Dezember 2012

Olympiavorbereitungen in Rio de Janeiro


Ich habe in den letzten Wochen mehrfach über die Stadionneubauten Brasiliens zur WM berichtet. Aber Brasilien investiert auch in infrastrukturelle Urbanisierungsmaßnahmen, um sich auf die kommenden Großereignisse vorzubereiten. In Rio de Janeiro scheint es mir manchmal so, als ob die ganze Stadt umgebaut werden würde. Die Investitionen sind hier sicherlich höher als in anderen Städten, da Rio auch die Olympischen Spiele erwartet.
Das Olympiaprojekt teilt sich in vier Bereiche, in denen die Wettbewerbe stattfinden sollen: Maracanã und Deodoro in der Nordzone, Copacabana in der Südzone und Barra in der Westzone.

Quelle: Wikipedia 


Der normale Tourist kommt am internationalen Flughafen auf der Gouverneursinsel (rechts oben) an und begibt sich mit einem Taxi in die gut versorgte Südzone (also den Bereich der Copacabana). Er wird kaum mit den anderen Bereichen in Kontakt kommen, die teilweise noch schlecht erschlossen sind und ein prekäres Verkehrssystem haben. Somit ist der verkehrstechnische Anschluss dieser Bereiche an die Südzone eine der großen Herausforderungen Rio de Janeiros.
Dies gilt besonders für den Bereich Barra, der als Neureichenviertel gilt und noch viel Bauland besitzt. Er wurde zum Spielball der Immobilienspekulanten. In ihm wird am ehemaligen Formel1-Ring der Olympiapark entstehen. Diese Anbindung soll durch den Bau dreier Schnellstraßen geschehen:

Quelle: Wikipedia  

Die gelben Schnellstraßen „Avenida Brasil“ und „Linha Amarela“ existieren schon und verbinden das Zentrum mit den Vororten. Schon lange wären Querverbindungen, besonders durch U-Bahnlinien dazu notwendig. Man versucht nun zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, in dem man auf den neuen Schnellstraßen Exklusivfahrbahnen für das BRT-Bussystem mit Bahnhöfen reserviert, die als Metroersatz dienen sollen.
Dabei verbindet die „Transcarioca“ (hellrot) den Flughafen auf der Ilha do Governador mit den Stränden der Barra und ihren neuen Hotels. Parallel dazu verbindet die „Transolimpica“ (dunkelrot) die Olympiaeinrichtungen in Deodoro mit dem Olympiapark in Barra. Beide Linien treffen sich ungefähr auf der Höhe des zukünftigen Olympiaparks. Schließlich wird die „Transoeste“ (rosa) die Westzone erschließen. Diese Buslinien sollen das schon existierende U-Bahnnetz der Südzone ergänzen:

Quelle: Wikipedia 


Im Norden gibt es schon über die grüne Linie Verbindungen mit dem BRT-System. Im Süden werden die hellblauen Linien derzeit mit Busen versorgt. Aber im Moment wird eine neue U-Bahnlinie von Ipanema, über die PUC, in Richtung São Conrado und Barra gebaut. Hier sollen bis spätestens 2016 Züge verkehren und so alle vier Olympiabereiche verbinden. Aber nicht nur in den Transport, sondern auch in Sport und Kultur wird investiert. Hier einige Projekte aus den vier Bereichen:

Barra


Schon für die Panamerikanischen Spiele 2007 wurden verschiedene Sportanlagen im ehemaligen Formel1-Ring errichtet. Im Bild die Olympiahalle für Basketball und Turnen.


Sicherlich eines der größten Projekte ist die Linie 4 der U-Bahn, die die Barra mit der Südzone verbinden wird. Dafür muss ein Tunnel durch das Tijucagebirge geschlagen werden.

Copacabana


Direkt am Strand von Copacabana werden außer Beachvolleyball auch der Triatlon und der Schwimmmarathon ausgetragen werden. Das Alles mit Blick auf den Zuckerhut.


Ebenfalls in der Südzone liegt das Ruderstadion an der Lagune.

Maracanã


Viele Favelas werden im Moment urbanistisch erschlossen. Im Bild die Bauarbeiten für die Endstation am Hauptbahnhof des Lifts, der zum Providenciahügel hinauf führt. Ähnliche Lifts und Aufzüge werden in anderen Favelas, wie zum Beispiel dem Complexo do Alemão gebaut.


Im Bereich Maracanã liegt auch das zukünftige Olympiastadion Engenhão, das in die engen Gassen der Nordzone gedrängt wurde. Deswegen werden jetzt die Anfahrtswege erweitert. Im Bild die Zufahrt zur Linha Amarela. Einige Wohnhäuser mussten dazu weichen. Diese Zwangsenteignungen sind immer kompliziert und einer der zentralen Gründe für Proteste.

Deodoro


Deodoro, weit in der Nordzone gelegen, wird von den Organisatoren als das wichtigste Sozialprojekt gepriesen. Man will sportliche und kulturelle Anreize in diese entlegenen Vororte bringen. Schon 2007 haben hier die Reitwettbewerbe stattgefunden. Aber auch Kanu, BMX, Sportschießen und Hockey ist für Deodoro angesetzt.

In dem Eck zwischen den Bereichen Maracanã und Copacabana befindet sich das historische Zentrum Rios. Dort wurde besonders das Viertel des alten Hafens als Investitionsmöglichkeit entdeckt und erfährt deshalb umfassende Renovierungsarbeiten. Diesem Bereich werde ich mich morgen in einem gesonderten Bericht widmen. 

Donnerstag, 13. Dezember 2012

São Paulo FC – Tigre, 2:0



Während die deutsche DFL in albernen Diskussionen krampfhaft Bösewichte in deutschen Stadionkurven sucht, um ein „Sicheres Stadionerlebnis“ zu ermöglichen, haben die Südamerikaner gestern gezeigt, was „echter“ Fußball ist. Das Finale der Copa Sulamericana – der zweitwichtigste Vereinswettbewerb Südamerikas – zwischen São Paulo FC und Tigre endete schon nach der ersten Halbzeit mit einem Handgemenge. Was war passiert?
Schon beim Hinspiel vor einer Woche in Buenos Aires, das 0:0 endete, beklagten sich die Brasilianer über die sehr aggressive Gangart der Argentinier. Der Klub Tigre stammt aus der Stadt Victoria in der Peripherie von Buenos Aires. Er gehört eher zu den Außenseitern in der argentinischen Meisterschaft und befindet sich im Moment auf dem vorletzten Platz. Seine Endspielteilnahme ist also eine große Überraschung.
Beim Rückspiel in São Paulo gestern begannen die Provokationen damit, dass die örtlichen Verantwortlichen versuchten den Spielern von Tigres das Aufwärmen auf dem Platz zu verbieten. Grund dafür wäre, dass das Spielfeld sehr unter dem Madonna-Konzert von vergangenem Samstag gelitten hätte. Die Spieler von Tigres verschafften sich daraufhin gewaltsam Zugang zum Platz.
In der ersten Halbzeit wurde dann sogar etwas Fußball gespielt, wobei São Paulo viel besser war und verdient 2:0 in Führung ging. Das erste Tor wurde von Lucas erzielt, der jetzt in der Weihnachtspause zu PSG wechselt. Das Finale wurde als große Abschiedsveranstaltung für ihn zelebriert. Im ganzen Stadion waren Spruchbänder für ihn zu sehen und er hielt sogar nach der Siegerehrung eine Rede über die Stadionlautsprecher.
Zu diesem Zeitpunkt haben die Spieler von Tigre wohl gemerkt, dass sie das Finale nicht mehr gewinnen können und entschlossen sich dazu einen Abbruch zu provozieren. Die Partie wurde härter und Lucas wurde an der Nase erwischt. Beim Gang in die Kabine, nach Abpfiff der ersten Halbzeit, zeigte er seinem Gegenspieler den blutigen Verband. Daraufhin begann das Handgemenge noch auf dem Platz und zog sich bis in die Katakomben.
Nach der Werbeunterbrechung zeigte das brasilianische Fernsehen, dass die Polizei den Zugang zur Umkleidekabine der Argentinier geschlossen hatte, was darauf hindeutete, dass irgendwas passiert war. Als die Spieler von São Paulo wieder auf den Platz kamen, berichteten sie, dass es eine Auseinandersetzung gegeben hätte, bei der die Argentinier versucht hätten ihre Umkleidekabine zu stürmen.
Dann kam auch der Schiedsrichter zurück auf den Platz, aber von Tigre weit und breit keine Spur. Es vergingen 20 Minuten, dann 30 und kein Lebenszeichen der Argentinier. Ich fühlte mich unweigerlich an das umgefallene Tor in Madrid 1998 erinnert. Auch damals mussten die Kommentatoren Schwerstarbeit verrichten, um die Zeit ohne Spiel zu überbrücken. Nach 45 Minuten beschloss der Schiedsrichter das Finale zu beenden und erklärte São Paulo zum Sieger.


Während sich die brasilianischen Medien über die Argentinier lustig machen und sie als Angsthasen bezeichnen, ergibt sich in der argentinischen Presse ein anderes Bild. Dort werden Spieler von Tigre zitiert, die sich beklagen, dass nicht sie in die Kabine von São Paulo eingedrungen sind, sondern, dass das Sicherheitspersonal mit gezogenen Waffen die Kabine von Tigre gestürmt hätte. Es tauchten Fotos mit Blutflecken an den Wänden der Umkleidekabine auf. Unter diesen Umständen hätten sie beschlossen, dass die Situation zu gefährlich sei und es deswegen unmöglich wäre das Spiel fortzusetzen.
Ich muss zugeben, dass ich das Verhalten São Paulos nicht als korrekt wahrgenommen habe, aber, dass sich die Situation auch nicht als so untragbar darstellte, dass man das Finale nicht hätte spielen können. Insgesamt stellen die Vorkommnisse dem Veranstalter, also dem Kontinentalverband CONMEBOL, ein schlechtes Zeugnis aus. Sie müssten eigentlich dafür sorgen, dass unparteiische und gleiche Voraussetzungen für die Endspielteilnehmer gewährleistet sind. Die Verantwortlichen des Verbandes hatten aber zu keinem Moment die Situation unter Kontrolle, nicht einmal bei der Siegerehrung, die völlig chaotisch war.
Im Internet habe ich eine Zusammenfassung mit spanisch-sprachigem - aber wahrscheinlich nicht argentinischem - Kommentar gefunden, der São Paulo zum verdienten Sieger erklärt.


Es mag politisch völlig unkorrekt sein, aber ich habe mich köstlich amüsiert. Der gestrige Abend war sicherlich viel besser als jegliches „Sicheres Stadionerlebnis“.

Mittwoch, 12. Dezember 2012

Geral do Maracanã


Vor einigen Tagen habe ich von den schçnen neuen Stadien Brasiliens berichtet. Diese Um- und Neubauten werden aber auch einen Teil der brasilianischen Fankultur zerstören. Die Stehplätze „Geral“ wurden im Maracanã bei der Renovierung zu den Panamerikanischen Spielen abgeschafft. Die Filmemacherin Anna Azevedo beobachtete 2006 die letzten fünf Spiele der Geral und hat daraus einen sehr schönen Kurzfilm gemacht. Wichtig sind die Begriffe "Geraldino" - ein Fan in der Geral - und "Arquibaldo" - ein Fan im Oberrang / Arquibancada. (Mit englischen Untertiteln:) 


 Das Thema Fußball hat Anna auch schon früher fasziniert. 2006 hat sie den Film „Berlinball“ gedreht, dessen Haupfigur der ehemalige Herthaprofi Marcelinho Paraiba ist. Anna hat sowohl Berlin, als auch Marcelinhos Heimatstadt Campina Grande besucht und die beiden Welten gegenüber gestellt. Ihr fiel besonders auf, dass Campina Grande damals praktisch zu einem Hertha Fanklub wurde. Am besten gefällt mir die Szene vom Training des Fußballklubs in Campina Grande, bei dem die Spieler in verschiedenen Herthatrikots durch die brasilianische Steppe joggen. (Leider ohne Untertitel)



Corinthians – Al Ahly, 1:0


Es ist ziemlich beeindruckend in welchem Ausmaß die brasilianischen Medien über den FIFA-Weltpokal berichten. Corinthians ist schon am 03. Dezember, also über eine Woche vor dem ersten Spiel, nach Japan geflogen, um sich vorzubereiten. Am Flughafen in São Paulo warteten etwa 20.000 Fans, um ihr Team zu verabschieden. In Japan selbst sind etwa 30.000 Corinthians anwesend. Diese Ereignisse wurden in dem folgen Film, der von Corinthians selbst produziert wurde, festgehalten.


Heute hat dann endlich das Halbfinale gegen Al Ahly aus Ägypten stattgefunden. Corinthians hat relativ glücklich mit 1:0 gewonnen. Torschütze wart ein alter Bekannter: Ex-Bayer und Ex-Hamburger Paolo Gueirrero. Zu Spielbeginn hat der Kommentarist von TV GLobo, der Ex-Spieler Casagrande, aus Emotion vor laufender Kamera geheult. Er hätte in diesem bewegenden Moment an den verstorbenen Kollegen Sokrates denken müssen. Hier diese Aufnahmen und eine Spielzusammenfassung.


Montag, 10. Dezember 2012

Die neuen Stadien Brasiliens



Man hört immer wieder, dass die Bauarbeiten für die Stadien in Brasilien in Verzug seien und nicht termingerecht zur WM fertig werden würden. Ich habe alle 12 WM-Städte besucht und kann sagen, dass dem nicht so ist. Es kann durchaus sein, dass das eine oder andere Projekt nicht so realisiert wird wie geplant, aber die Stadien sind sicherlich nicht das Problem. Man kann die Bauarbeiten und ihre erstaunliche Entwicklung live im Internet verfolgen. Hier eine Auswahl interessanter Links.
Da ist erst Mal die Seite der Bundesregierung, die viele Filme und Fotos aller 12 Stadien anbietet. http://www.copa2014.gov.br/en
Dann gibt es aber auch die Seiten der Bauunternehmen. Odebrecht versammelt seine vier Projekte Maracanã, Arena Pernambuco, Arena Fonte Nova und Arena Corinthians auf seinem Internetauftritt. Hier findet ihr nicht nur Fotos und Filme, sondern auch Online-Kameras und Modelle der Stadien. http://www.odebrechtarenas.com.br/
Bilder vom Beira Rio in Porto Alegre gibt es hier: http://scinternacional.net/index.php/beira-rio-com.html .
Die Seite über die Bauarbeiten in Curitiba ist leider etwas unübersichtlich: http://www.arenacap.com.br/.
Das Stadion Mineirão in Belo Horizonte ist so gut wie fertig und wird wohl im Frühjahr 2013 eingeweiht: http://www.minasarena.com.br/.
Hier gibt es ein paar wenige Informationen über die Arena das Dunas in Natal: http://arenadasdunas.wordpress.com/.
Das Castelão in Fortaleza ist wahrscheinlich das erste Stadion, das fertiggestellt wird. Auch hier gibt es eine hervorragende Seite mit Live-Kamera: http://www.arenacastelao.com/site/.
Der Internetauftritt der Arena da Amazonia bietet eine beeindruckende Zahl an Fotos, Videos und eine 3D-Tour. http://arenadaamazonia.com.br/
Für Cuiabá habe ich nur eine Seite der zuständigen Abteilung der Landesregierung gefunden, die nicht nur über das neue Stadion, sondern Regierungsaktionen im Allgemeinen berichtet. http://www.cuiaba2014.mt.gov.br/
Auch in Brasília handelt es sich um eine Regierungshomepage. http://estadionacionaldebrasilia.com.br/

Und schließlich gibt es noch die Vorbereitungen für Olympia in Rio de Janeiro: http://www.cidadeolimpica.com/

Hier aktuelle Videos der 12 Stadien: