Mittwoch, 31. Juli 2013

Porto Alegre

Während des Confed-Cups hatte ich die Gelegenheit 7 WM-Städte vorzustellen. In den nächsten wochen werde ich die verbleibenden 5 beschreiben. Den anfang macht Porto Alegre. 


Die Stadt
Die Einwohner des südlichsten Bundesstaates Brasiliens Rio Grande do Sul und dessen Hauptstadt Porto Alegre stehen im Ruf, etwas eigen zu sein. Das liegt zum einen an einer langen Geschichte mit Abspaltungsbemühungen, die zwischen 1835 und 1845 in einem Unabhängigkeitskrieg gipfelten, zum anderen an den vielen deutschen und italienischen Einwanderern. Die „Gaúchos“, wie die Einheimischen genannt werden, empfinden ihre Region als den europäischsten Teil Brasiliens. Aufgrund der italienischen Weinbaugebiete im Gebirge sowie diversen Orten, deren Erscheinungsbild von Fachwerk geprägt ist und die insofern an Deutschland erinnern, kam in Porto Alegre die Ansicht auf, während der WM 2014 Nationalmannschaften aus diesen Ländern besonders gut beherbergen zu können. Deutsche und Italiener würden sich in Rio Grande do Sul wohl fühlen, weil die Region ähnlich ihrer Heimat sei. Das könnte sich allerdings als Trugschluss erweisen, denn ein deutscher Tourist sucht in Brasilien vermutlich eher tropische Strände, Sonne und Hitze – und all das wird er in Porto Alegre nicht finden. Denn die Stadt liegt nicht am Meer sondern an einem Fluss, und das Klima im Juli ist ziemlich kalt. Die Temperaturen können sogar mal unter den Gefrierpunkt fallen.


Es wäre also sinnvoller, sich auf die regionalen Qualitäten und Besonderheiten zu konzentrieren, denn da hat Porto Alegre ausgesprochen viel zu bieten. Berühmt wurde die Stadt als mehrfacher Austragungsort des Weltsozialforums. Dabei spürt man auch Porto Alegres liberalen und progressiven Geist, der einen Gegenentwurf zum mondänen Davos und auch zu vielen brasilianischen Städten darstellt.
Im Stadtzentrum gibt es interessante Museen und ein aufregendes Nachtleben. Ein beliebter Treffpunkt ist die Markthalle Mercado Público, in der auch die sogenannten Gaúcho-Produkte offeriert werden. Vom Pferdesattel bis zu Cowboy-Stiefeln, vom Poncho bis zum Jagdmesser ist hier alles zu finden. Besonders interessant sind Mate-Kräuter, die mit heißem Wasser aufgegossen und dann mit Trinkrohren aus leeren Kürbisschalen getrunken werden. Das erinnert sehr an die Kultur der südlichen Nachbarn Uruguay und Argentinien.
Porto Alegre ist eine moderne und gut entwickelte Metropole. Um die Gaúcho-Kultur zu erleben, fährt man entweder in eines der Zentren der Gaúcho-Traditionen (CTG) oder gleich in die Campanha Gaúcha, also ins Landesinnere. Beim Durchqueren des Serra Gaúcha-Gebirges mit den deutschen Dörfern Gramado und Canela und den Weinanbaugebieten gelangt man im nördlichen Rio Grande do Sul in den Nationalpark Aparados da Serra mit seinem beeindruckenden Canyon und den Wasserfällen. Die Küstenregion mit ihrem Vogelreichtum verspricht unterdessen ein besonderes Naturerlebnis.


Die Küche der Region wird von den Gaúchos und den Einwanderern geprägt. Aushängeschild ist das Grillfleisch Churrasco. Große Fleischstücke werden auf Spießen über das Feuer gelegt und im halb garen Zustand gegessen. In Rio Grande do Sul wird das Fleisch nur mit Salz gewürzt. Außer Rind wird auch Schwein, Hähnchen, manchmal auch Schaf und Wild gegrillt. Dazu gibt es eine Vinaigrettesauce, Radicchio-Salat, karamelisierte Süßkartoffeln, Reis und Bohnen. Arroz de Carreteiro ist ein mit getrockneten Fleischstückchen („Charque“) vermischter Reis. Zum Probieren geht man am besten in ein Grillrestaurant Churrascaria oder in eines der Zentren der Gaúcho-Traditionen.
Die italienischen Einwanderer betreiben zahlreiche Galeterias, also Hähnchenbuden, und Pizzerien in der Region. Die deutsche Küche mit ihren Würsten und dem Sauerkraut findet man dagegen vornehmlich im Hinterland. Dort gibt es auch Cuca, eine Verbrasilianisierung des deutschen Wortes „Kuchen“. Im Winter wird an jeder Ecke Glühwein gereicht, der Quentão genannt wird. Rio Grande do Sul ist das einzige Weinanbaugebiet Brasiliens. Inzwischen wurden zudem diverse Kleinbrauereien gegründet, die leckeres Bier herstellen. Schließlich gibt es eine reiche Auswahl an Fischgerichten wie Corvina oder Tainha, die in den Restaurants im Mercado Público gereicht werden.

Der Fußball
Man sagt, dass es in Porto Alegre die größte Rivalität bei einem Stadtderby in Brasilien gibt. Das Spiel zwischen Grêmio und Internacional hat sogar einen eigenen Namen: Gre-nal. So verwundert es auch nicht, dass zwischen den beiden Klubs schon lange ein Wettbewerb um das größere und schönere Stadion herrscht. 1969 konnte Internacional mit der Eröffnung des über 100.000 Personen fassenden und wunderschön am Fluss gelegenen Beira Rio seinen Rivalen ausstechen. Das Stadion wurde auch für die WM 2014 ausgewählt und wird dafür runderneuert. Da konnte Grêmio freilich nicht hinten anstehen und beschloss, sein Olímpico zu verlassen und vor den Toren der Stadt ein neues Stadion zu errichten. Schon Inters erstes Stadion Eucaliptos war Bühne für zwei WM-Spiele. 1950 fanden dort die Begegnungen zwischen Mexiko und Jugoslawien (1:4) sowie Mexiko und der Schweiz (1:2) statt. Das Stadion ist heute jedoch leider nur noch eine Ruine und wird wohl bald Appartementhäusern weichen.


Grêmio und Internacional gehören zu den 13 großen Vereinen Brasiliens. Grêmio wurde 1903 von überwiegend deutschstämmigen Brasilianern gegründet. In Restbrasilien gilt der Verein als „unbrasilianisch“, und es wird ihm regelmäßig vorgeworfen, einen unfairen Kraftfußball zu spielen. Der Verein und seine Anhänger grenzen sich ihrerseits aber auch gerne vom Rest Brasiliens ab und sind stolz darauf, dass das Hellblau ihrer Trikots an Uruguay und Argentinien erinnert. In den letzten Jahren sind verschiedene Fanklubs dazu übergegangen, Lieder aus Argentinien zu singen.
2004 stieg Grêmio in die zweite brasilianische Liga ab. Im folgenden Jahr benötigte man im letzten Spiel bei Náutico Recife lediglich ein Unentschieden für den Wiederaufstieg. Kurz vor Schluss entstand aufgrund eines unberechtigten Elfmeters für Naútico ein Tumult, und drei Grêmio-Spieler wurden des Feldes verwiesen. Als das Spiel nach über 20 Minuten endlich wieder angepfiffen werden konnte, verschoss Náutico den Elfmeter und Grêmio konnte auf unglaublich Art und Weise im Gegenzug den 1:0-Siegtreffer erzielen. Das Spiel ging als die „Schlacht der Beklemmung“ („Aflitos“, Name des Stadions in Recife) in die Geschichte ein.


Der 1909 gegründete SC Internacional gilt als schön spielender Arbeiterverein, bei dem schon früh dunkelhäutige Spieler zugelassen wurden. Sein Name ist eine Art Protest gegen die abgrenzende Aura von Grêmio. Inter wollte jedermann aufnehmen. Berühmt wurde vor allem die Mannschaft um Nationalspieler Falcão in den 1970er Jahren. Seine größten Erfolge feierte der Verein jedoch erst kürzlich mit zwei Copa-Libertadores-Siegen sowie dem Gewinn des Weltpokals.

Grêmio Foot-Ball Porto Alegrense
Gegründet: 15. September 1903
Trikots: blau-weiß-schwarze Hemden, schwarze Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 36 Mal
Brasilianischer Meister: 1981, 1996
Brasilianischer Pokal: 1989, 1994, 1997, 2001
Copa Libertadores: 1983, 1995
Weltpokal: 1983 (2:1 gegen den HSV)
Wichtige Spieler: Renato Gaúcho, Ronaldinho Gaúcho
Internet: www.gremio.net

Sport Club Internacional
Gegründet: 4. April 1909
Trikots: rote Hemden, weiße Hosen
Titel:
Staatsmeisterschaft: 41 Mal
Brasilianischer Meister: 1975, 1976, 1979
Brasilianischer Pokal: 1992
Copa Libertadores: 2006, 2010
Weltpokal: 2006
Wichtige Spieler: Falcão, Taffarel, Dunga, Lúcio, Pato
Internet: www.internacional.com.br

Sonntag, 28. Juli 2013

Vasco – Criciúma, 3:2


Alles wie gewohnt: Es ist weiterhin kalt, es wird auch noch demonstriert und der Papst ist bis Sonntagabend in Rio. Nur Vasco spielt plötzlich guten Fußball. Was ist da los? Die Fans hat der überraschend gute Tabellenplatz aus den Wohnzimmern gelockt und so sah ich lange Schlangen an den Kassen und Eingängen des São Januário Stadions in São Cristóvão. Über 18.000 Fans wollten das Duell gegen Criciúma am 9. Spieltag sehen, das somit fast ausverkauft war.


Criciúma ist ein Erstligaaufsteiger aus der gleichnamigen Stadt mit etwa 200.000 Einwohnern in Santa Catarina, einem Bundesstaat in Südbrasilien. Der Verein ist zwar Stolz auf seine Meisterschaften in der zweiten und dritten Liga Brasiliens, kann aber nicht gerade zu den Traditionsteams gezählt werden. Der Klub wurde 1947 mit dem Namen Comerciário Esporte Clube gegründet und erhielt seinen heutigen Namen nach finanziellen Schwierigkeiten im Jahr 1978. Immerhin etwa 50 Fans aus Santa Catarina, unterstützt von einer kleinen Gruppe Teilnehmer des katholischen Weltjugendtages, verirrten sich ins São Januário.


Die Heimfans trafen sich im Treppenhaus des Stadions, um dessen Akustik für ihre Gesänge zu nutzen. Angetrieben wird diese Disko für Fanlieder von der Ultragruppierung Força Jovem do Vasco. Als ich mir das beeindruckende Spektakel aus der Nähe ansah, bemerkte ich, dass sie sich selbst filmen und auf einem Bildschirm übertragen. Hier ein paar Eindrücke:


In der ersten Halbzeit drehte Vasco ziemlich auf und ging verdient durch ein Klasse-Freistoßtor von Juninho mit 1:0 in Führung. Zu Beginn der zweiten Halbzeit erfolgte das 2:0 erneut durch einen Freistoß. Das Spiel schien gelaufen. Doch plötzlich begann der Spaß für die Fans aus dem Süden, denn Criciúma konnte innerhalb von nur 10 Minuten ausgleichen. Aber praktisch im Gegenzug gelang Vasco der 3:2 Siegtreffer, erneut nach einem Freistoß.


Nach Spielende drängte sich der Großteil der Zuschauer zufrieden durch die engen Gassen São Cristóvãos. Das São Januário ist eines der schönsten Stadien, das ich kenne, aber die Verkehrsanbindung ist weiterhin eine Katastrophe. Man sollte endlich eine U-Bahnverbindung bauen.

Vasco ist damit auf den achten Tabellenplatz gesprungen. An der Tabellenspitze drängen sich mit Cruzeiro, Inter, Botafogo, Coritiba und Bahia fünf Mannschaften aus fünf verschiedenen Bundesstaaten. Bis auf Botafogo sind diese guten Platzierungen sicherlich überraschend. Auf der anderen Seite der Tabelle befindet sich mit São Paulo und Fluminense ein berühmtes Duo auf den Abstiegsplätzen. Libertadores-Sieger Atlético-MG belegt bisher nur einen mäßigen 13. Platz, hat aber noch zwei Nachholspiele ausstehen. 

Donnerstag, 25. Juli 2013

Atlético MG – Olimpia, 2:0 (4:3)


Es ist ganz schön kalt geworden in Brasilien. In großen Teilen Südbrasiliens ist die Temperatur gestern Nacht auf unter 10 Grad gefallen. In Santa Catarina und Paraná ist sogar Schnee gefallen. Da ist es verständlich, dass die Leute versuchen sich aufzuwärmen. Die einen taten dies bei den aufmunternden Worten des Papstes im Wallfahrtsort Aparecida und die anderen suchten animierende Emotionen beim Finale des Libertadores-Pokal.


Letztere erlebten ein packendes und mitreisendes Spiel. Atlético – MG aus Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundeslandes Minas Gerais, etwa 400km von Rio entfernt, musste einen 0:2 Rückstand aus dem Hinspiel in Asuncion aufholen. Dementsprechend angespannt waren die Heimfans im mit 58.620 Zuschauern restlos ausverkauften Minerão-Stadion. Atléticos Trainer Cuca inspirierte sich am Papst, zog ein T-Shirt mit Abbild der Jungfrau Maria an und betete kniend am Spielfeldrand Rosenkränze.


Wie erwartet konzentrierte sich Olimpia mit einer defensiven Taktik darauf den Vorsprung zu verteidigen. Atlético – MG hingegen legte von der ersten Minute an den Vorwärtsgang ein. Trotzdem endete die erste Halbzeit zum Entsetzen der Heimfans mit 0:0. Insgesamt gelang Atlético – MG trotz Feldüberlegenheit kein einziger Schuss aufs Tor. Im Gegensatz dazu konnte Olimpia mehrfach gefährlich kontern.
Gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit verpasste ein Verteidiger von Olimpia den Ball und Nationalstürmer Jô konnte zum 1:0 vorlegen. Olimpia war jetzt nur noch darauf aus das Spiel zu zerstören. Es folgten unzählige kleine Fouls, Zeitverzögerungen und Gemeckere. Zwischendurch informierte der TV-Kommentator, dass der Ball nur etwa 50% der Spielzeit tatsächlich rollen würde.


Das Ende der zweiten Halbzeit wurde dramatisch. In der 38. Minute hatte Olimpia die beste Chance des Spiels. Stürmer Ferreyra war nach einem Konter schon an Torwart Victor vorbei, rutschte aber aus und konnte so den Ball nicht ins leere Tor schieben. Kurz danach rächten sich die vielen Fouls und der Verteidiger Manzur wurde nach seiner zweiten Gelben Karte vom Platz gestellt. Olimpia musste noch fünf Minuten mit 10 Mann überstehen.
Aber es reichte nicht. In der 42. Minute erzielte Leonardo Silva das 2:0 per Kopf für die Hausherren. Damit ging das Finale in die Verlängerung und Olimpia musste sich nun in Unterzahl verteidigen. Beide Mannschaften waren ziemlich ausgepowert und zur Hälfte der Verlängerung krümmte sich Atléticos Bernard vor Krämpfen. Da beide Teams schon zweimal ausgewechselt hatten, war der Gleichstand der Spielerzahl de facto wieder hergestellt.


Olimpia konnte sich in einer Abwehrschlacht ins Elfmeterschießen retten. Die Stadionuhr zeigte inzwischen 0.30h an. Gleich der erste Schütze Olimpias verschoss seinen Elfmeter. Ihm folgten sieben sehr sichere Schützen: vier brasilianische und drei paraguayische. Bis sich Giménez den Ball griff und an den Pfosten setzte. Aus und Vorbei: Atlético – MG Südamerikameister! Schon nach 1.00h reckte Atléticos Kapitän Réver endlich den so lange ersehnten Pokal in den Himmel Belo Horizontes.


Atlético – MG hat insgesamt einen sehr beeindruckende Libertadores-Saison gespielt: 9 Siege, 2 Unentschieden und 3 Niederlagen. In den Interviews nach dem Spiel zeigten sich mehrere Spieler sehr aggressiv, zum Beispiel Ronaldinho Gaúcho und auch Trainer Cuca. Das ist mir schon letztes Jahr beim Sieg von Corinthians aufgefallen. Diese hochbezahlten Stars scheinen Kritik nicht zu vertragen und geben in der Stunde des Sieges und der Freude rachsüchtige Interviews.


Schon vor dem Finale habe ich auf Facebook einen Flyer gepostet, der zu Protesten gegen die hohen Eintrittspreise des Finales in Belo Horizonte aufruft. Auch in anderen Teilen Brasiliens wird weiterhin demonstriert. Auf Facebook hat sich inzwischen die Gruppe Midia Ninja (https://www.facebook.com/midiaNINJA) etabliert, die von sich selbst sagt, dass sie unabhängigen Aktionsjournalismus betreibt. Sie berichtet live im Internet von den Demonstrationen. In Rio wurde in der vergangenen Woche gegen den Gouverneur Sergio Cabral protestiert. Dann verschwand während einer Polizeiinvestigation in der Favela Rocinha der Zeuge Amarildo, was zu erneuten Demonstrationen führte.
Zum Papstbesuch gelang es dann einer Gruppe: „Papa, wo ist Amarildo?“ an eine gut sichtbare Wand zu projizieren. Überhaupt fanden während der Ankunft des Papstes viele Proteste rund um den Regierungspalast in Rio statt. Thema waren die hohen Kosten des Besuches des obersten Bischofs der katholischen Kirche und sexuelle Diskriminierung. Die Polizei tat dann den Ninjas den Gefallen zwei von ihnen festzunehmen. Diese nutzten die Situation natürlich, um aus der Polizeiwache zu berichten.

Nachts eskalierten die Proteste, als Molotov-Cocktails auf die Polizisten geworfen wurden. Aber Midia Ninja veröffentlichte Videos, die nahelegen, dass eingeschleuste Polizisten in Zivil diese Molotovs geworfen hätten, um das Vorgehen der Polizei zu rechtfertigen. Die Bilder sind so sensationell, dass auch große TV-Anstalten sie zeigen mussten und so den Namen von Midia Ninja nannten. Es entwickelt sich eine Art brasilianisches WikiLeaks, das die Arbeit der Polizei verkompliziert und die Politiker ganz schön unter Druck setzt. 

Montag, 22. Juli 2013

Fluminense – Vasco, 1:3


Mit Spannung wurde das erste Derby im renovierten Maracanã erwartet. Gestern war es mit dem Spiel Fluminense – Vasco soweit. Trotz aller Bedenken, würde ich sagen, dass der Test bestanden wurde. Insgesamt wollten 46.000 Zuschauer den Klassiker zwischen zwei schwächelnden Teams sehen. Vasco ist wegen seiner Schulden schon länger in der Krise. Der Meister Fluminense hat in der Confed-Cup-Pause wichtige Spieler, wie Wellington Nem und Thiago Neves abgegeben. Man durfte also nicht gerade Fußball auf höchstem Niveau erwarten.


Das Stadion wurde zügig an den Betreiber „Maracanã AG“ übergeben, der gleich nach dem Confed-Cup Verträge mit Flamengo und Fluminense abgeschlossen hat, die sich jetzt das Stadion teilen. Die Fans von Flamengo werden ab sofort immer die Nordkurve nutzen und die Fans von Fluminense die Südkurve. Das führte zu Verstimmung bei Vasco. Denn als das Maracanã noch öffentlich war, konnte Vasco immer die Südkurve nutzen. Die Vereinsführung rief sogar dazu auf das Spiel zu boykottieren, damit die Eintrittsgelder nicht in die Kassen von Fluminense fliesen.
Den Fans war es egal. Die Plätze in den Kurven hinter den Toren – deren Erlös Fluminense zukam - kosteten R$60 (€20) und waren scheinbar ausverkauft. Die Eintrittskarten auf der Haupttribüne und Gegengerade blieben im Besitz der Maracanã AG und kosteten R$300 (€100). Diese Bereiche blieben leer. Die Preispolitik muss dringend überdacht werden. Aber leider wurde schon für nächstes Wochenende angekündigt, dass beim Spiel Flamengo – Botafogo der billigste Platz R$100 (€34) kosten wird.


Die Fans beider Seiten zeigten sich in bester Laune und sangen ihre Lieder. Die Torcidas von Fluminense organisierten sogar eine Choreographie. Es zeigte sich, dass das neue Maracanã eine hervorragende Akustik hat und so war das Einlaufen der Mannschaften sehr emotional. Trotz der neuen Sitze, blieben die Fans in den Kurven stehen. Schon unter der Woche gab es ein Treffen zwischen Fanklubs und Polizei, bei dem der Standpunkt der Torcidas beschlossen wurde. Wie zuvor verteilten sie sich rund um die Zugänge im oberen Teil des Stadions. Fahnen und Perkussionsinstrumente waren erlaubt.


Ich traf meinen schwedischen Kollegen Henrik Jönnson, der mir einen Stadionrundgang vorschlug, um herauszufinden, ob die Garrinchabüste an der Bellinirampa noch existierte. Der Rundgang war sehr interessant und ermüdend, denn man legt so seine Kilometer im Maracanã zurück. Als wir an der Bellinirampe ankamen bemerkten wir, dass hier architektonisch stark eingegriffen wurde, denn die Rampe wurde unterbrochen, um einen neuen Eingang zu den VIP-Logen zu kreieren. 



Dafür wurde auch ein neuer Rundgang erbaut. Es gibt jetzt also ein Stockwerk mehr im Stadion. Auf den Oberrang kommt man über zwei neue Rampen. 


Als wir oben ankommen, bestätigt sich unsere Befürchtung: die Garrinchabüste wurde entfernt. Leider konnte uns auch niemand informieren, wo sie sich befindet.


Wir zogen weiter und versuchten, wie früher im Rundgang des Oberrangs wieder auf die andere Seite zurückzukommen und bemerkten, dass dies nicht mehr möglich ist. Der Rundgang wurde geschlossen, um so die Fangruppen zu trennen.

Siehe Foto: Oben der Rundgang für die Fluminensefans, unten der Rundgang für die Vascofans.

Über eine Rampe konnten wir dann doch das Stadion umrunden, mussten dann aber in den fünften Stock kommen, um auf die Pressetribüne zu gelangen. Niemand wollte uns Zugang gewähren, da sich in den Stockwerken drei und vier die VIP-Bereiche befinden. Doch plötzlich sah ich eine offene Brandschutztür, die zu einer Treppe führte, die uns in den fünften Stock verhalf. Diese Tür wird wohl in Zukunft geschlossen sein. 


Durch unseren Rundgang verpassten wir große Teile des Spiels. Vasco konnte schon in der ersten Halbzeit mit 1:0 in Führung gehen. Spielentscheidend war wohl die Rote Karte für Fred kurz danach. Zu Beginn der zweiten Halbzeit erhöhte Vasco auf 2:0. Danach kam Fluminense aber wieder ins Spiel und erzielte das 2:1. Als aber auch noch Digão des Feldes verwiesen wurde, war das Spiel gelaufen. Kurz vor Schluß gelang Vasco noch das 3:1.



Henrik und ich gingen noch auf ein Bier in die Kneipe „Dodô“ am São Salvador Platz. Wir bestellten eine hervorragende Schweinshaxe. Das Maracanã ist nicht mehr wie früher, aber es hat den ersten echten Test bestanden. Ich bin froh, dass die Stimmung so gut war. 

Donnerstag, 18. Juli 2013

Olimpia – Atlético MG, 2:0

                              Quelle: http://impedimento.org/sao-caetano-x-olimpia-libertadores-2002/

Auch die diesjährige Libertadores-Saison neigt sich ihrem Ende zu. Letzte Woche in Argentinien konnte ich zumindest Teile des dramatischen Halbfinales zwischen Atlético MG und Newells aus Rosario in Argentinien sehen. Ich war etwas überrascht, dass in Argentinien nicht jede Kneipe und jedes Restaurant einen Fernseher hat. Gegen Ende der Partie fiel in Belo Horizonte der Strom aus. Erst danach gelang der Heimmannschaft das 2:0, was das Spiel ins Elfmeterschießen brachte, da Newells das Hinspiel ebenso mit 2:0 gewann. In Südamerika sind Verlängerungen unüblich.
Atlético MG hatte dann die besseren Nerven und gewann 3:2. Für die Argentinier Anlass genug, hinter dem Stromausfall eine Taktik zu vermuten. Parallel dazu konnte sich Olimpia (PAR) mit 2:0 und 0:1 gegen Santa Fé (KOL) durchsetzen.

Halbfinale
Atlético MG
0
2 (3)
Newells (ARG)
2
0 (2)
Santa Fé (KOL)
0
1
Olimpia (PAR)
2
0


Finale
Atlético MG
0

Olimpia (PAR)
2


Was mir in Argentinien außerdem noch aufgefallen ist, ist, dass an jeder Ecke eine Statue eines Freiheitshelden, also eines Libertador, steht: General San Martin, General Belgrano, General Sarmiento usw. Brasilien hat in diesem Sinne keine Freiheitshelden. Die Unabhängigkeit wurde von Kaiser Pedro I. ausgerufen, der sich von seinem Vater in Portugal lossagte. Später dankte Pedro in Brasilien ab, um erneut die Krone Portugals zu akzeptieren. Es gibt hier also keinen echten Schnitt. Im Gegensatz dazu haben aber auch andere spanischsprachige Länder ihre Freiheitshelden, wie Bolivar (Venezuela), Artigas (Uruguay) oder Caballero (Paraguay).


Der Name Libertadores-Pokal ist also viel mehr eine Referenz an das spanischsprachige Amerika, als an das portugiesischsprachige. Somit ist für Brasilianer der Kontinentalwettbewerb immer ein gefährliches Abenteuer in fremden und unbekannten Welten.
  Gestern kam es zum Finalhinspiel in Asuncion bei Olimpia. Atlético MG musste sich wieder auf so ein Abenteuer in gefährliche und feindliche Gefilde aufmachen. Während Atlético MG noch nie den Libertadorespokal gewinnen konnte, ist Olimpia mit drei Titeln eine der führenden Mannschaften. Die Heimfans brachten das dann auch in einer stolzen Choreografie zum Ausdruck: „Der König will seinen vierten Titel!“ Irgendwann in der ersten Halbzeit fischte Ronaldinho zwei Steine mit denen er gerade beworfen wurde aus dem Rasen. Das Land der Libertadores ist ein heißes Pflaster für Brasilianer.


Es scheint, dass das Ronaldinho schwer beeindruckt hat, denn er hatte keinen guten Abend und wurde Mitte der zweiten Halbzeit ausgewechselt. Insgesamt hatte Atlético MG mehr Ballbesitz und Raumüberlegenheit, aber die Tore machte Olimpia. In der 22. Minute schnappte sich Alejandro Silva den Ball, spazierte durch die gesamte Atlético-Abwehr und traf aus etwa 20 Metern zum 1:0. Den Endstand erzielte Pittoni in der Nachspielzeit per Freistoß. Gegen Ende des Spiels wurde auch noch Richarlyson des Feldes verwiesen. Jetzt wird es schwer nächste Woche im Rückspiel in Belo Horizonte den Titel noch zu gewinnen – aber es ist natürlich nicht unmöglich.



Übrigens war gestern wieder eine unruhige Nacht in Brasilien. In Rio de Janeiro wurde gegen den Gouverneur Sergio Cabral demonstriert, was im Stadtteil Leblon zu einem Verkehrschaos, zerbrochenen Scheiben und Feuerbarrikaden führte. In Porto Alegre wird weiterhin jeden Donnerstag demonstriert. Und in Belo Horizonte gehen die Menschen wegen der hohen Eintrittspreise beim Libertadores-Finale auf die Straße. Die Zeit der Massendemonstrationen ist vorbei. Aber es gärt weiterhin im Land.

Samstag, 13. Juli 2013

Out of Brazil: Fußball in Cordoba


Ich habe den Rest der Woche in Cordoba verbracht. Heute konnte ich mit dem Belgrano-Fan Nico zwei Stadien besuchen. Zunächst führte er mich in den Stadtteil Alberdi zum Stadion von Belgrano. Alberdi ist ein Arbeiterstadtteil mit vielen Migranten aus Bolivien und Peru. Das ist auch das Profil der Fans von Belgrano. Das Derby wird gegen den Mittelschichtverein Talleres ausgetragen, der Belgrano als „Bolivianos“ beschimpft. Die Antwort ist dann immer „Was machen wir in Bolivien? Wir bringen die Drogen für unsere Partys mit.“





Die Provinz Cordoba war die erste argentinische Region, die sich von Spanien lossagen konnte. Daraus leiten die Belgrano-Fans eine Berufung zum Wiederstand ab. Bei den Protesten während der Krise von 2001 kam es in Alberdi zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizei. Die Protestierenden schmissen Murmeln auf die Straße, damit die Polizeipferde ausrutschten. Diese Geschichte ist auf vielen Graffitis verewigt.


Das klubeigene Stadion liegt schön in Mitten des Stadtteils. Man ist nah am Feld. Aber für Derbys wird das größere Mario-Kempes-Stadion genutzt. Dieses liegt außerhalb der Stadt und wurde für die WM 1978 erbaut. Hier ereignete sich die „Schmach von Cordoba“.





Auch in Argentinien isst man gut. Hier ein Locro (Maiseintopf) und Empanadas (Pasteten).