Donnerstag, 25. Juli 2013

Atlético MG – Olimpia, 2:0 (4:3)


Es ist ganz schön kalt geworden in Brasilien. In großen Teilen Südbrasiliens ist die Temperatur gestern Nacht auf unter 10 Grad gefallen. In Santa Catarina und Paraná ist sogar Schnee gefallen. Da ist es verständlich, dass die Leute versuchen sich aufzuwärmen. Die einen taten dies bei den aufmunternden Worten des Papstes im Wallfahrtsort Aparecida und die anderen suchten animierende Emotionen beim Finale des Libertadores-Pokal.


Letztere erlebten ein packendes und mitreisendes Spiel. Atlético – MG aus Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundeslandes Minas Gerais, etwa 400km von Rio entfernt, musste einen 0:2 Rückstand aus dem Hinspiel in Asuncion aufholen. Dementsprechend angespannt waren die Heimfans im mit 58.620 Zuschauern restlos ausverkauften Minerão-Stadion. Atléticos Trainer Cuca inspirierte sich am Papst, zog ein T-Shirt mit Abbild der Jungfrau Maria an und betete kniend am Spielfeldrand Rosenkränze.


Wie erwartet konzentrierte sich Olimpia mit einer defensiven Taktik darauf den Vorsprung zu verteidigen. Atlético – MG hingegen legte von der ersten Minute an den Vorwärtsgang ein. Trotzdem endete die erste Halbzeit zum Entsetzen der Heimfans mit 0:0. Insgesamt gelang Atlético – MG trotz Feldüberlegenheit kein einziger Schuss aufs Tor. Im Gegensatz dazu konnte Olimpia mehrfach gefährlich kontern.
Gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit verpasste ein Verteidiger von Olimpia den Ball und Nationalstürmer Jô konnte zum 1:0 vorlegen. Olimpia war jetzt nur noch darauf aus das Spiel zu zerstören. Es folgten unzählige kleine Fouls, Zeitverzögerungen und Gemeckere. Zwischendurch informierte der TV-Kommentator, dass der Ball nur etwa 50% der Spielzeit tatsächlich rollen würde.


Das Ende der zweiten Halbzeit wurde dramatisch. In der 38. Minute hatte Olimpia die beste Chance des Spiels. Stürmer Ferreyra war nach einem Konter schon an Torwart Victor vorbei, rutschte aber aus und konnte so den Ball nicht ins leere Tor schieben. Kurz danach rächten sich die vielen Fouls und der Verteidiger Manzur wurde nach seiner zweiten Gelben Karte vom Platz gestellt. Olimpia musste noch fünf Minuten mit 10 Mann überstehen.
Aber es reichte nicht. In der 42. Minute erzielte Leonardo Silva das 2:0 per Kopf für die Hausherren. Damit ging das Finale in die Verlängerung und Olimpia musste sich nun in Unterzahl verteidigen. Beide Mannschaften waren ziemlich ausgepowert und zur Hälfte der Verlängerung krümmte sich Atléticos Bernard vor Krämpfen. Da beide Teams schon zweimal ausgewechselt hatten, war der Gleichstand der Spielerzahl de facto wieder hergestellt.


Olimpia konnte sich in einer Abwehrschlacht ins Elfmeterschießen retten. Die Stadionuhr zeigte inzwischen 0.30h an. Gleich der erste Schütze Olimpias verschoss seinen Elfmeter. Ihm folgten sieben sehr sichere Schützen: vier brasilianische und drei paraguayische. Bis sich Giménez den Ball griff und an den Pfosten setzte. Aus und Vorbei: Atlético – MG Südamerikameister! Schon nach 1.00h reckte Atléticos Kapitän Réver endlich den so lange ersehnten Pokal in den Himmel Belo Horizontes.


Atlético – MG hat insgesamt einen sehr beeindruckende Libertadores-Saison gespielt: 9 Siege, 2 Unentschieden und 3 Niederlagen. In den Interviews nach dem Spiel zeigten sich mehrere Spieler sehr aggressiv, zum Beispiel Ronaldinho Gaúcho und auch Trainer Cuca. Das ist mir schon letztes Jahr beim Sieg von Corinthians aufgefallen. Diese hochbezahlten Stars scheinen Kritik nicht zu vertragen und geben in der Stunde des Sieges und der Freude rachsüchtige Interviews.


Schon vor dem Finale habe ich auf Facebook einen Flyer gepostet, der zu Protesten gegen die hohen Eintrittspreise des Finales in Belo Horizonte aufruft. Auch in anderen Teilen Brasiliens wird weiterhin demonstriert. Auf Facebook hat sich inzwischen die Gruppe Midia Ninja (https://www.facebook.com/midiaNINJA) etabliert, die von sich selbst sagt, dass sie unabhängigen Aktionsjournalismus betreibt. Sie berichtet live im Internet von den Demonstrationen. In Rio wurde in der vergangenen Woche gegen den Gouverneur Sergio Cabral protestiert. Dann verschwand während einer Polizeiinvestigation in der Favela Rocinha der Zeuge Amarildo, was zu erneuten Demonstrationen führte.
Zum Papstbesuch gelang es dann einer Gruppe: „Papa, wo ist Amarildo?“ an eine gut sichtbare Wand zu projizieren. Überhaupt fanden während der Ankunft des Papstes viele Proteste rund um den Regierungspalast in Rio statt. Thema waren die hohen Kosten des Besuches des obersten Bischofs der katholischen Kirche und sexuelle Diskriminierung. Die Polizei tat dann den Ninjas den Gefallen zwei von ihnen festzunehmen. Diese nutzten die Situation natürlich, um aus der Polizeiwache zu berichten.

Nachts eskalierten die Proteste, als Molotov-Cocktails auf die Polizisten geworfen wurden. Aber Midia Ninja veröffentlichte Videos, die nahelegen, dass eingeschleuste Polizisten in Zivil diese Molotovs geworfen hätten, um das Vorgehen der Polizei zu rechtfertigen. Die Bilder sind so sensationell, dass auch große TV-Anstalten sie zeigen mussten und so den Namen von Midia Ninja nannten. Es entwickelt sich eine Art brasilianisches WikiLeaks, das die Arbeit der Polizei verkompliziert und die Politiker ganz schön unter Druck setzt. 

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