Das interessanteste Ereignis am spielfreien Freitag
war die Pressekonferenz der brasilianischen Nationalmannschaft. Heute, Samstag,
wird Brasilien gegen Italien im Fonte Nova Stadion in Salvador. Ich werde
jedoch nach Recife weiterreisen. Wegen dem letyten Gruppenspiel sprachen die
Spieler Dani Alves und Hernanes und der Trainer Felipão mit der Presse.
Die Spieler waren nicht sehr interessant. Gleich die
erste Frage eines BBC-Journalisten bezog sich auf die aktuellen
Demonstrationen. Dani Alves antwortete darauf nur, dass er sich nicht zu
politischen Themen äußern möchte. Eine Pressekonferenz wäre nicht der Platz
dafür. Danach kamen sehr langweilige
Einschätzungen zum Spiel Brasilien - Italien.
Aber mein neues Lieblingsprogramm sind
Pressekonferenzen von Felipão, der nach seinen Spielern die Bühne betrat. Wie
immer ist er eine Art gutgelaunter Grantler, der auch gerne mal die
Journalisten direkt anspricht und Witze mit ihnen macht. Es ist klar, dass er
sich in seinem Element befindet und wohl fühlt.
Gleich zum Auftakt erklärt er selber im Bezug auf
das Training der Seleção in Fortaleza, bei dem er die Tore öffnen ließ, um ein
paar Fans ins Stadion zu lassen: „Wir wurden dafür von der FIFA aufs Schärfste
zurechtgewiesen, deswegen wird sich so ein öffentliches Training nicht
wiederholen. Es ist mir wichtig, dass sie schreiben, dass das eine Bitte der
FIFA und nicht der Seleção ist. Ich möchte vermeiden, dass uns vorgeworfen
wird, wir wären volksfern.“ Die Aussage war wahrscheinlich politischer, als es auf
den ersten Blick aussieht, denn das Verhalten der FIFA ist einer der
wichtigsten Kritikpunkte der Demonstranten. Somit verstärkt er das autoritäre
Bild der FIFA.
Es folgten mehrere Fragen zu den aktuellen
Demonstrationen, die Felipão eigentlich nicht beantworten wollte, da es nicht
sein Metier sei: „ Ich werde mich um meine Aufgaben, also den Erfolg der Seleção
kümmern. Die Politiker sollen sich mit der Politik beschäftigen. Ich will ja
schließlich auch nicht, dass Politiker die Nationalmannschaft aufstellen.“ Damit
bezog er sich auf ein berühmtes Zitat des ehemaligen Nationaltrainers Saldanha,
der damals der Militärdiktatur (1969) entgegenhielt: „Der Präsident stellt das
Kabinett auf und ich die Nationalmannschaft.“
Trotzdem konnte er sich nicht zurückhalten und sagte
in einem anderen Moment: „Wir Alle wollen ein Land mit Gerechtigkeit. Das gilt
auch für die Leute in der Politik. Wir dürfen niemanden kreuzigen. Wir müssen
gemeinsam für ein besseres Land arbeiten. Ich mache hier meinen Teil und glaube
daran, dass Veränderungen möglich sind. Ich bin immer Optimist. Aber
Veränderungen sind nicht immer möglich und nicht immer so schnell, wie wir es
gerne hätten. Aber in 10 oder 15 Jahren wird Brasilien besser als heute sein.“
Dann wurde er gefragt, ob er es den Spielern
verboten hätte über die Demonstrationen zu sprechen. Darauf antwortete Felipão:
„In unserer Seleção haben alle die Freiheit sich zu äußern. Es wird niemandem
der Mund verboten. Aber jeder muss auch zu seinen Haltungen stehen. Es darf nur
nicht über Interna gesprochen werden. Aber bisher haben sich alle 100% korrekt
verhalten.“
Schließlich kam noch eine Frage zum Thema eines
Turniers im eigenen Land, auf die Trainer normaler Weise antworten, dass es ein
großartiges Gefühl wäre. Nicht so Felipão: „Es ist fürchterlich für die
Spieler. Sie sind in ihr Hotel eingesperrt. In anderen Ländern könnten sie hin
und wieder an den Strand gehen, aber in Brasilien würden sie sofort erkannt
werden. Das ist eine schwierige Situation.“
Außerdem gab er auf die Frage eines italienischen Journalisten
hin zu, dass er nach der WM 2002 Kontakte zum italienischen Verband hatte und
beinahe Trainer der italienischen Nationalmannschaft geworden wäre, wenn der
portugiesische Verband nicht schneller gewesen wäre. Zur WM 2018 sieht er sich
im Übrigen erneut in einer Trainerposition, aber nicht bei der brasilianischen
Nationalmannschaft. Schließlich wurde er noch gebeten sich mit Parreira zu
vergleichen. „Parreira ist so nett und gut erzogen, das schaffe ich gar nicht.“
Die Lacher hat er da auf seiner Seite.
Vom Fonte Nova Stadion gingen wir zum Restaurant „Boteco
do França“ in Rio Vermelho. Es war sensationell! Wir hatten Krebs als
Vorspeiße, dann Oktopus-Risotto und den Fischeintopf Moqueca, schließlich eine
Schokoladentorte. Bis heute diskutieren wir welches Gericht das beste war.
Am Abend gab es auch eine Regierungserklärung der
Präsidentin Dilma Rousseff. Sie ging auf die Demonstrationen ein und lobte sie
als demokratisches Mittel der politischen Teilnahme, verurteilte aber Gewalt
und Vandalismus. Der einprägendste Satz war: „Ich höre euch!“ Damit ging sie
den Dialog ein und zeigte auch Bescheidenheit. Es wurden Maßnahmen für
Transport, Gesundheit und Bildung angekündigt. Außerdem will sie sich mit den
Führern der Protestbewegung treffen. Frau Rousseff schloss mit den Worten ab: „Brasilien
ist das einzige Land, dass an allen WMs teilgenommen hat. Immer wurden die
brasilianischen Fans freundlich empfangen. Ich bitte euch darum jetzt auch
unsere Gäste gut zu empfangen.“ Für heute sind trotzdem wieder
Großdemonstrationen angekündigt.
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