Mittwoch, 29. Januar 2014

Torcidas Organizadas in Fortaleza


In Fortaleza besuchten wir auch die Vereinssitze von zwei Torcidas. Direkt gegenüber des Vereinssitz von Ceará hat die Cearamor ihr Klubheim. Am Eingang befindet sich ein kleiner Laden für die Torcidashirts. Geht man durch den Gang, so kommt man an einem Regal mit Gedenktafeln anderer Torcidas vorbei. Diese wurden bei freundschaftlichen Treffen getauscht. Im Obergeschoss konnten wir einen Boxring bestaunen, in dem sich einzelne Fans fit halten.


Hinter dem Haus schließt sich noch ein Hinterhof an, den die Torcida für ihre Partys und Übertragungen von Auswärtsspielen ihrer Mannschaft nutzt. Hier bekamen wir eine kurze Vorführung der Fahnen, Trommeln und einiger Gesänge. Danach setzten wir uns zu einem kurzen Gespräch zusammen. Verglichen mit São Paulo konnten wir sehr ähnliche Klagen hören. Die Torcidas sehen sich von Polizei und Presse verfolgt.


Doch während die Torcidas in São Paulo schon den Prozess der Verbotsandrohung hinter sich haben, sind die Fans in Fortaleza mitten in diesem Kampf. Es scheint als ob die Fronten viel verhärteter sind. Es wurde uns berichtet, dass es in Busbahnhöfen weit entfernt der Stadien in den letzten Monaten bei Auseinandersetzungen zwischen Fans zu insgesamt drei Todesopfern gekommen ist. Die lokale Staatsanwaltschaft hat jetzt das Verbot von drei Torcidas Organizadas beantragt. Während das Verfahren läuft sind diese drei Torcidas mit Stadionverbot belegt. In der Praxis heißt das, dass sie zu Spielen gehen, aber ohne ihre T-Shirts, Fahnen und Trommeln.


Eine dieser Torcidas ist die Jovem Garra Tricolor, die wir am folgenden Tag besuchten. Ihr Sitz ist ähnlich aufgebaut, aber wesentlich kleiner und weiter in der Peripherie gelegen.
Sie sagen zu ihrer Verteidigung, dass sie nicht wissen, wer in den Konflikt verwickelt war und dass es möglich ist, dass keines ihrer Mitglieder involviert war. Sie fordern die Bestrafung der beteiligten Individuen und lehnen Kollektivstrafen ab. Ihrer Meinung nach werden mit den aktuellen Methoden Gewalttäter nicht vom Stadiongang abgehalten. Aber ihr kollektives Stadionverbot beeinträchtigt die Stimmung im Stadion immens.


Bei unserem Stadionbesuch im Castelão hatte ich die Gelegenheit mit Major Jorge von der so genannten „Eventpolizei“ zu sprechen. Er erklärte mir, dass Fangewalt in Fortaleza ein großes Problem sei und deswegen in der Militärpolizei die Sondereinheit Eventpolizei gegründet wurde. In den Stadien hätte sich die Situation nun sehr verbessert, aber nicht in den Busbahnhöfen auf dem Weg zum Stadion. Es wäre nun zu verschiedenen Zusammenstößen gekommen, die seine Einheit und die Staatsanwaltschaft dazu veranlasst haben die Auflösung von drei Torcidas zu fordern. Er nannte dabei jedoch nicht die drei Todesfälle.


Weiter sagte mir Major Jorge, dass er die Torcidas als gewinnorientierte Unternehmen wahrnimmt, in denen sich einzelne Personen am T-Shirtverkauf bereichern wollen. Das wäre Teil des Gewaltproblems. Deshalb hofft er, dass die Torcidas verboten würden. Meinen Einwand, dass das Verbot die Arbeit der Polizei erschweren würde, da die Fans dann inkognito ins Stadion kämen, konnte er nicht verstehen. Ihm scheint auch fremd zu sein, dass die Torcidas Einnahmequellen brachen, um ihre Aktivitäten zu finanzieren und welche Bedeutung sie in den Strukturen des lokalen Gemeinwesens haben.


Ich fand diese Position sehr radikal, denn die Problemlösung ist hier die Auslöschung einer unliebsamen Institution. Auf der anderen Seite erklärten auch die Fans, dass die Polizei ihr Feind sei. Die Fronten scheinen sehr verhärtet.
Insgesamt erscheinen mir individuelle Strafen für absolut notwendig und die Polizei muss natürlich auch für die Aufklärung von Verbrechen ausgerüstet sein. Auf der anderen Seite erscheinen mir Kollektivstrafen, aus rechtsstaatlicher Sicht, sehr fragwürdig. Ich glaube auch, dass hier die Fans recht haben: Kollektivstrafen sind völlig ineffektiv: sie Zerstören die Stimmung und lassen die Übeltäter laufen.  



Schließlich sind mir noch ein paar Aufkleber aufgefallen. Ceará und andere periphere Staaten leben mit dem Problem, dass ihre Einwohner oft Fans von Teams aus Rio oder São Paulo sind und nicht von einheimischen Mannschaften. Dagegen wird mehr und mehr protestiert.

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