Der Fußball selbst
scheint in diesem Jahr durch die vielen Nebenerscheinungen seiner globalen
Kommerzialisierung in den Schatten gestellt zu werden: Gepfefferte
Eintrittspreise, Ticketvergabe per Losverfahren, Show-Events mit tief-dekolletierten
Damen zur Auslosung der Vorrundenspiele... Angesichts dessen konzentriert sich
das vorliegende Buch auf das Wesentliche – auf die 111 wichtigsten Stichworte
zum Fußball in beiden Ländern. Anhand von Fachausdrücken, großen Spielern,
berühmten Vereinen und historischen Ereignissen soll ein informatives und auch heiter-ironisches
Bild zu Gegenwart und jüngerer Geschichte des Fußballs in Deutschland und
Brasilien gezeichnet werden.
Balljunge, der [Gandula, o/a]. Schon seit Jahrzehnten ist
der Balljunge ein fester Bestandteil der brasilianischen Fußballszene. Die
Balljungen – und in letzter Zeit auch Ballmädchen –, die am Spielfeldrand an
der Seiten- oder Außenlinie stehen, um den ins Aus geschossenen Ball wieder
zurück ins Spiel zu bringen, sind Teil einer langen Tradition, die auf einen
Spieler des Clubs >Vasco da Gama zurück geht. Der Club mit dem Malteserkreuz
nahm im Jahr 1939 einen argentinischen Spieler namens Bernardo Gandulla unter
Vertrag. Da dieser Schwierigkeiten hatte, sich der Spielweise des Clubs
anzupassen, konnte er sich nicht sinnvoll in die Mannschaft einbringen. Um zu
zeigen, dass er dennoch nützlich für den Club sein konnte, entschied sich
Gandulla schließlich, immer hinter dem Ball herzulaufen, wenn dieser ins Aus
geschossen worden war, um ihn dann schnellstmöglich wieder ins Spiel zu
befördern. Er beschränkte sich dabei nicht nur auf das eigene Team, sondern
übergab den Ball – aus einer natürlichen Haltung des Fair Play heraus – auch immer
so schnell wie möglich der jeweils gegnerischen Mannschaft. Nach einiger Zeit
kehrte Gandulla nach Buenos Aires zurück, wo er von Boca Juniors engagiert
wurde, aber sein besonderer Einsatz in Brasilien war nicht umsonst gewesen.
Denn seither tragen alle diejenigen seinen Namen, die an den Außen- und
Seitenlinien des Fußballrasens dafür sorgen, dass der Ball schnellstmöglich
wieder ins Spiel gebracht wird. Es hat schon so manchen kuriosen Vorfall
gegeben, an dem Balljungen beteiligt waren: So kam es beispielsweise zur
Stürmung des Fußballfeldes, um ein Tor zu verhindern oder zur bewussten
Verzögerung der Ballrückgabe, um der gegnerischen Mannschaft zu schaden. Einige
besonders attraktive Ballmädchen sind sogar Fotomodelle geworden. (COR)
Batalha dos
Aflitos, o (BA) [Schlacht von
Aflitos, die]. Aflitos ist ein
Stadtteil im nordöstlichen Recife, in dem der Verein Náutico sein Stadion hat.
Dort fand am 26. November 2005 ein Spiel des letzten Spieltages der zweiten
Liga statt. Dabei benötigte der Gast >Grêmio aus Porto Alegre ein
Unentschieden, während die Heimmannschaft siegen musste, um aufzusteigen. Das
Spiel nahm dramatische Züge an, als der Schiedsrichter in der 80. Minute beim
Stand von 0:0 zum zweiten Mal auf Elfmeter für Náutico entschied. Es kam zu diversen
Tätlichkeiten; insgesamt vier Spieler wurden vom Platz gestellt und das Spiel
wurde für 35 Minuten unterbrochen. Nach Wiederanpfiff verschoss Náutico nicht
nur einen Elfmeter, sondern den Gästen gelang der völlig überraschende
Siegtreffer. BA ist Stoff eines humoristischen Dokumentarfilms und
verschiedener Bücher. (MAC)
Tragödie von Sarrià, die [Tragédia de Sarrià, a]. Bei der WM 1982 in Spanien nahm Brasilien mit einer hochgelobten Mannschaft
um Spieler wie >Sócrates, Júnior, Zico und Falcão teil. Die Fans daheim
waren sich sicher, dass ihre Mannschaft den Titel holen würde, aber in der
Zwischenrunde verlor Brasilien unglücklich mit 2:3 gegen Italien. Dieses Spiel
ging nach dem Namen des (inzwischen abgerissenen) Stadions in Barcelona, in dem
das Spiel am 5. Juli 1982 stattfand, als Tragödie von Sarriá in die Geschichte
ein. Es ist nach der WM-Niederlage von 1950 (>Maracaná) die zweite große Fußballtragödie
Brasiliens. Das Land befand sich zu diesem Zeitpunkt in einem politischen
Aufbruch, da sich das Ende der >Militärdiktatur abzeichnete. Der frische
Stil der >Seleção verkörperte diese Öffnung und einige Spieler wie >Sócrates
und Casagrande waren sogar in der Redemokratisierungsbewegung engagiert. Vor
diesem Hintergrund erklärt sich ein Großteil der kollektiven Trauer über die
Niederlage. (MAC)
Scolari, Luis Felipe „Felipão“ (*1948). Geboren in Passo Fundo, im Bundesstaat Rio Grande do Sul, spielte er als
Verteidiger bei diversen Vereinen im Süden sowie bei CSA im Nordost-Bundesstaat
Alagoas. Allerdings wurde „Felipão“ erst als Trainer weltbekannt. 1982 begann
er bei CSA, später trainierte er Vereine in Südbrasilien sowie Kuwait und
Saudi-Arabien. In den 1990er Jahren erlangte er schließlich Ruhm: Mit Criciuma gewann er 1991 die Copa do
Brasil, mit >Grêmio 1995 die >Copa Libertadores und 1996 die
brasilianische Meisterschaft, mit >Palmeiras 1999 die >Copa Libertadores.
Auf Grund dieser Titel und seines Rufes, Mannschaften erfolgreich zu
disziplinieren, wurde er im Juni 2001 Trainer der brasilianischen
Nationalmannschaft. Schon im folgenden Jahr kam der Triumph – der Gewinn des
fünften Weltmeistertitels. Anschließend betreute er die portugiesische
Nationalelf, mit der er 2004 Vize-Europameister wurde und bei der WM 2006 den
achtbaren 4. Platz erreichte. Im Januar 2013 kehrte er zur >Seleção zurück
und gewann auf Anhieb den Confederations-Cup. Obwohl er den von ihm zuletzt trainierten
Club >Palmeiras auf Abstiegsrängen abgab, gilt „Felipão“ für das WM-Jahr als
„Heilsbringer der Nation“. (COR)
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